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Einhundert, zum Teil handsignierte Fotografien von Gisèle Freund (1908–2000), die zu den wichtigsten Fotografinnen und Fototheoretikerinnen ihrer Zeit gehört, erzählen in der Kunsthalle Jesuitenkirche eine Geschichte voller Glück und Leid. Dabei stehen längst vergangene Ereignisse sowie wie die Porträts der intellektuellen Avantgarde der 40er bis 70er Jahre des 20. Jahrhunderts im Fokus der Kamera. Schillernder und gleichermaßen unmittelbarer als jedes Boulevardmagazin es schildern könnte, vermitteln die Fotografien die unterschiedlichsten Eindrücke: von interessant und reizvoll über lasziv-verrucht bis hintergründig und abgründig. Der Betrachter wird zum Voyeur und lässt sich ein auf ein Tête-à-Tête mit berühmt-berüchtigten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts.

Porträtaufnahmen von Simone de Beauvoir, James Joyce und Virginia Woolf, von Philosophen wie Jean-Paul Sartre und Künstlern wie Marcel Duchamp, Frida Kahlo und Henri Matisse verliehen Freund das Image einer „Porträtistin des Geistes“. Viele der berührenden Charakterstudien sind in Farbe aufgenommen und oft die einzig existierenden Farbbilder der Porträtierten. Dabei verzichtete sie auf jegliche Art von Retusche. In einem teilweise schonungslosen Realismus sprechen die Gesichter eine eigene Sprache. Gerade Schriftsteller reizten sie, da nicht ihre Person, sondern ihre Schriften im Vordergrund stehen. Die schon früh politisch aktive Gisèle Freund kommentierte mit ihrer Kunst jedoch auch kritisch die Ereignisse ihrer Zeit und verursachte etwa mit ihrer Reportage über die legendäre First Lady Argentiniens, Evita Perón, 1950 einen Skandal, der zu einer diplomatischen Krise zwischen Argentinien und den USA führte.

Die Ausstellung, die in Zusammenarbeit mit der Sammlerin Dr. Marita Ruiter (Galerie Clairefontaine, Luxemburg) entstand, zeigt die bedeutendsten Werke einer der großen Frauen des 20. Jahrhunderts, die sich selbst ihr Lebtag dagegen gewehrt hat, als Künstlerin angesehen zu werden. Die promovierte Soziologin, die eine bis heute gültige Arbeit zur Geschichte und Theorie der Fotografie verfasste, „war nie der Meinung, Photographie sei Kunst“. Doch die zahlreichen schwarz-weißen und frühen Farbaufnahmen, die eine ganz eigene Ästhetik voll dumpfer Farbigkeit versprühen, vermitteln genau das Gegenteil: nämlich die künstlerische Qualität ihres fotografischen Blicks, Ereignisse und Personen so unmittelbar einzufangen, wie wir sie sonst nie gesehen hätten.

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Gisèle Freund
Fotografie