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Ausstellungseröffnung Donnerstag, 12.05.2016, 19.00 Uhr

Seit ihrer Entstehung gelten Museen als Orte des Sammelns, Ausstellens und Bewahrens von Kunst und Kulturobjekten. Vor allem im 19. Jahrhundert definierte sich ein „erfolgreiches Sammeln“ durch ein präzises zugleich aber ebenso umfangreiches Zusammentragen von Gegenständen mit überzeitlicher Relevanz. Begründet im Wunsch, vergangene und gegenwärtige Wirklichkeiten begreifen und (re-)konstruieren zu können, war die Aneignung der Dinge immer begleitet von der Kategorisierung und Einordnung ihrer Erscheinungsformen; d.h. sie einer übergeordneten Struktur einzugliedern und einer Form von Allgemeingültigkeit zu unterwerfen. So repräsentiert das Sammeln von Fotografien auch eine Möglichkeit, die Welt bildlicher Erscheinungsformen zu ordnen, zu klassifizieren und zu deuten.

Die Tätigkeit des Sammelns erhebt demnach immer einen gewissen Anspruch auf Vollständigkeit. Mit dem 20. und auch 21. Jahrhundert tritt neben diesen Anspruch aber auch das Bewusstsein für das Ausschnitthafte und Subjektive, das letztlich einer jeden Sammlung innewohnt. Das Medium der Fotografie nimmt im Wechselspiel dieser beiden Pole gerade für das Museum eine besondere Rolle ein: Als eingefrorene Momentaufnahme dient sie als historisches Dokument, Erinnerungsstück, investigatives Mittel oder künstlerische Ausdrucksform.

Die Sammlung Fotografie des Münchner Stadtmuseums präsentiert unter dem Titel „GESCHENKT. GEKAUFT. GEFUNDEN. Ankäufe und Schenkungen der letzten zehn Jahre“ eine konzentrierte Auswahl ihrer Erwerbungen des vergangenen Dezenniums.

So haben neben dem Ankauf der hochkarätigen 8.400 Aufnahmen zum Thema „Deutschland im 19. Jahrhundert“ aus der Sammlung Dietmar Siegert unter anderem auch der vollständige Nachlass des deutsch-amerikanischen Fotografen Hermann Landshoff (1905–1986) und die großzügige Schenkung zeitgenössischer Fotografie des Münchner Privatsammlers Wolfgang Begatik (1955-2013) ihren Weg ins Museum gefunden.

Die thematisch breit gefächerte Ausstellung vereint und akzentuiert Fotografien von 1845 bis heute, die die Sammlung nicht nur ergänzen und vervollständigen, sondern auch um neue fotografische Sichtweisen erweitern.

Aufgefächert in verschiedene Kapitel, die sich zuweilen durchdringen und überlagern, unterstreicht die Ausstellung neben den Sammlungsschwerpunkten die unterschiedlichen Verwendungsweisen von Fotografie vom 19. bis zum 21. Jahrhundert: Topografische Ansichten, Landschafts- und Architekturaufnahmen des 19. Jahrhunderts lassen Bilder Italiens und des Orients aufleben, wobei frühe Reisefotografien den Begriff des Fremden und Exotischen aus heutiger Sicht in Frage stellen.

Ein besonders schönes Konvolut findet sich in einer ethnografischen Studie aus Japan: Die von Hand kolorierten Blätter Kimbei Kusakabes (1841-1932) zeigen arrangierte Studioaufnahmen sowie Szenen aus dem japanischen Arbeitsleben und fügen sich zu einem eigenen Bildkosmos.

Ausgewählte Porträts, wie jene aus den einzigartigen Alben des königlichen Bibliothekars und Erziehers Dr. Ernst Becker (1826-1888), geben Einblicke in das Privatleben am englischen Hof von Königin Victoria und Prinz Albert; Seiichi Furuyas (1950) Zyklus „Christine“ dokumentiert hingegen die letztlich tragischen Schicksalsschläge eines intimen Zusammenlebens, während die Serie „Encountering“ des Münchner Fotografen Zoltán Jókay (1960) zufällige Begegnungen des Alltags festhält.

Vor allem für die Werke des 20. und 21. Jahrhunderts sind neben den Porträtaufnahmen serielle Konzeptarbeiten von entscheidender Bedeutung. Ein Großteil der in der Ausstellung präsentierten Arbeiten kreisen um die Frage des Raums – seinen konstruierten, physischen und sozialen Dimensionen. So setzen sich die schwarzweißen Aufnahmen Silke Grossmanns (1951) mit unterschiedlichen Wahrnehmungen von Raum in Bezug auf den menschlichen Körper auseinander; Herlinde Koelbl (1939), diesjährige Preisträgerin des kulturellen Ehrenpreises der Landeshauptstadt München, richtet ihren Blick in die Wohnzimmer und auf die in ihnen lebenden Gesellschaftsgruppen; Eva Bertrams (1964) Serie „2 Ein Kind“ beschäftigt sich stattdessen mit dem vielschichtigen Rollenspiel, das das Heranwachsen ihrer Tochter begleitet, während Edgar Leciejewski (1977) vordergründig an naturwissenschaftliche Illustrationen erinnernde Farbfotografien Vogelkörper inszenieren.

Nicht zuletzt soll auch jener Bereich in den Blick treten, der dem Besucher üblicherweise verwehrt bleibt: die Sammlungspflege und Restaurierung, die durch ein Video sowie ausgewählte Objekte zugänglich gemacht werden.

Kurator der Ausstellung: Dr. Ulrich Pohlmann, Sammlung Fotografie

Zur Ausstellung erscheint eine Broschüre.