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Das Thema der Ausstellung von Georges Adéagbo (*1942 Cotonou, Benin) ist "Les artistes et l‘écriture"..! - Die Künstler und das Schreiben.

Wie immer bezieht sich Adéagbo direkt auf den Ort, an dem er arbeitet und ausstellt – und die Zeit, in der die Installation entsteht. Zuerst ist es sein Leben und sein Alltag in Cotonou in Benin, wo er lebt. Dort fängt er an, das Thema, das er sich vorgenommen hat, zu entwickeln – er schreibt Texte, er gibt Bilder in Auftrag, sammelt afrikanische Holzfiguren, Zeitungsausschnitte und vom Strand und der Stadt aufgelesene Fundstücke und fängt in seinem Hof an, die Dinge wie Assoziationsketten aneinander zu reihen. Seine eigenen Texte und ausgewählte Bilder aus Büchern läßt er vom Schildermaler "Esprit petit frère" auf Leinwände oder Plastikplanen malen – und hat damit eine Form der ganz eigenen, afrikanischen Konzeptkunst entwickelt. Er schickt dann all diese gesammelten Materialien zu der Galerie, von der er eingeladen ist. Parallel schaut er sich den Ort an, an dem er ausstellen wird – in diesem Fall Berlin. Wie ein Ethnologe betrachtet er dort die Lebensbedingungen und -gewohnheiten, in denen sich die Anderen eingerichtet haben. Er sammelt Schallplatten, Bücher, Kleider, Schuhe, Merkwürdigkeiten auf den Berliner Flohmärkten – also, wenn man so will, den Müll und die Reste der Berliner. Relikte der DDR, einer anderen untergegangenen Kultur, die auf den Flohmärkten zu finden sind, durchziehen das ganze Ensemble – z.B. Schallplatten von Therese Giehse oder Bertolt Brecht. Daneben stehen die Überbleibsel der West-Kultur – Schallplatten von Mireille Mathieu, oder deutschen Schlagerheroen wie Roland Kaiser – in nächster Nähe zur sogenannten Hochkultur. All das Material wird in raumfüllenden Installationen aneinandergereiht und zieht sich über Wände und Böden.

Die formalen und gedanklichen Ketten bilden eine nicht hierarchische Anordnung der Dinge: high und low / afrikanische und westliche Kultur / Kitsch und Philosophie – alles besteht gleichzeitig.

Weitere Themen in diesem Teppich der Assoziationen sind die politische Indoktrination und der latente und offene Rassismus in den Medien, die Politik der Apartheid, die Geschichte der Unabhängigkeit afrikanischer Länder, die Systematiken der Geschichtsschreibung und die Welt der Philosophie, das Künstler-Sein, das Schreiben und das Lernen, der Zusammenhang von Bildung und Macht. Adéagbos Identität als afrikanischer Künstler und Schriftsteller wird ebenso intensiv besprochen wie politische Fragen zur postkolonialen Entwicklung Afrikas und die Geschichte religiös motivierter Kriege.

Das Schreiben von Adéagbo zeichnet sich durch eine essayistisch-literarische Form aus. Es ist aphoristisch, manchmal sprunghaft und immer repetitiv. Gedanken werden in Varianten und Wiederholungen ausgeführt, die an die Methoden von Gertrude Stein erinnern. Die Texte haben keine belehrende Funktion, sie stellen Fragen, besprechen Probleme durch Parabeln und bieten, wenn überhaupt, verrätselte Antworten.

In der Ausstellung haben wir Adéagbos französisch geschriebene Texte ins Deutsche und Englische übersetzt und wie alles, was während der Entwicklung der Ausstellung entsteht, werden auch diese Übersetzungen Teil der Wandinstallation. Auch der Galeriealltag und die Geschichte der Galerie und Buchhandlung tauchen in der Arbeit "Les artistes et l‘écriture"..! auf.

Georges Adéagbo wurde 1942 in Cotonou (Benin) geboren. Er lebt und arbeitet in Cotonou und Hamburg. Nach seinem Jurastudium in Abidjan (Elfenbeinküste) und Rouen (Frankreich) kehrte Adéagbo Ende der 60er nach Benin zurück. Bis er 1993 von dem Kurator Jean-Michel Rousset durch Zufall entdeckt wurde, machte er täglich komplexe Installationen in seinem Hof, ohne sich als Künstler zu verstehen. 1994 wurde er zu seiner ersten Ausstellung "La Route de l‘art sur la Route des esclaves" nach Besançon eingeladen. Ab diesem Zeitpunkt setzt er seine ortspezifischen Installationen mit einem Team von Handwerkern in Benin um. 1999 nahm er an der Biennale von Venedig teil und erhielt für seine Installation auf dem Campo Arsenale als erster Künstler aus Afrika den Preis der Jury. Spätestens seit 2002, als Adéagbo im Rahmen der von Okwui Enwezor kuratierten documenta 11 in Kassel eine In-Situ-Installation präsentierte, die später in modifizierter Form in die Sammlung des Museum Ludwig in Köln überging, gehört Adéagbo zu den renommiertesten Künstlern Afrikas. Seine Werke sind in internationalen Sammlungen zu finden, Philadelphia Museum of Art, Toyota City Museum, Museum Ludwig Köln, KIASMA Helsinki, MUSAC León usw.

Die Ausstellungen werden unterstützt und kuratorisch betreut von Stephan Köhler (Kulturforum Süd-Nord Hamburg-Cotonou).