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München, April 2012. Wie kaum ein anderer Künstler unserer Zeit hat Georg Herold die Kunst des 20. Jahrhunderts in ihren unterschiedlichen Ausformungen ironisch zitiert, desillusioniert oder ins Absurde verkehrt. Herold ist kein Maler, obwohl er Bilder macht, kein Bildhauer, obwohl er Skulpturen und Installationen schafft, kein Architekt, obwohl er baut. In ihm verkörpert sich die Negation des Künstlertums akademischer Tradition. Alle seine Arbeiten basieren auf dem Prinzip der Collage oder der Montage. Dabei geht es primär nicht um Innovation und Originalität, sondern um Differenz und Widerspruch. Seine Entmystifizierung von etablierten und zur Norm gewordenen Vorstellungen machen dabei nicht Halt vor Kasimir Malewitsch, Marcel Duchamp, Donald Judd, Joseph Beuys und anderen. Damit bricht Herold mit herkömmlichen Codes der Kunst und regt ein Nachdenken darüber an, welche Funktionen sie überhaupt noch wahrnehmen kann und an wen sie sich heute wendet. Nicht nur in seiner Generation gilt er als einer der wichtigsten und einflussreichsten Künstler.

In seinen Bildern, Objekten, Multiples und Installationen hat Georg Herold in den frühen 1980er Jahren preiswerte Dachlatten und seit 1988/89 wiederholt teuren Beluga-Kaviar verarbeitet. Die banalen Holzleisten spielen bis heute in seinem Werk eine zentrale Rolle, da sie, wie er sagt, „jeder Aussage präzise angepasst werden können“. Während man entsprechende Objekte damals als anti-ästhetisch einschätzte, wurde die Verwendung von Kaviar als Provokation empfunden. Verblüffung wechselte mit mildem Entsetzen und leichtem Ekel. In den letzten 40 Jahren ist ein umfangreiches und komplexes Werk entstanden, das in zahlreichen monographischen und thematischen Ausstellungen im In- und Ausland mit Erfolg gezeigt wurde. Neben Dachlatten und Kaviar hat Herold immer wieder Ziegelsteine, Schnüre, Knöpfe und Nägel verwendet, aber auch Teesiebe, Handtaschen, Nylonstrumpfhosen, Teppiche usw. „Materialien, die eine eigene Sprache sprechen, werden von mir grundsätzlich nicht benutzt. Deshalb suche ich mir ungehobeltes, dummes Material, das keine Fragen aufwirft,“ so der Künstler.

In den letzten Jahren ist Herold überraschend zur menschlichen Figur zurückgekehrt. In seinen skizzenhaft angelegten Gestalten versucht er zu zeigen, wie der Mensch in seiner zivilisationsbedingten Erstarrung nicht nur sich selbst fremd geworden ist, sondern gleichzeitig auch rätselhaft und platt, aggressiv und wehrlos, sexuell enthemmt und entleibt, geziert und plump – mit einem Wort, Herolds Lattenfiguren fungieren nicht als Leitbilder des Humanen, sondern als Bündel höchst widersprüchlicher Eigenschaften, Möglichkeiten und Fähigkeiten. Sie zeigen damit auf, was heute der Fall ist.

Das Konzept der Ausstellung wurde gemeinsam mit dem Künstler entwickelt, wobei es nahe lag, die in der Sammlung Brandhorst vorhandenen Multiples und Skulpturen mit einzubeziehen. Neben jüngsten Werken zeigt die Ausstellung auch ältere Arbeiten, um inhaltliche und formale Zusammenhänge zu verdeutlichen. Einzelne Arbeiten sind in Räumen des Erdgeschosses zu sehen, wo sich die Veranschaulichung von Zusammenhängen und Widersprüchen mit Darstellungen anderer Künstler der Sammlung Brandhorst anbietet, d.h. mit Werken von Sigmar Polke, Joseph Beuys, Eric Fischl, Jannis Kounellis und anderen. In der Sammlung Brandhorst befinden sich fünfzig Arbeiten des Künstlers, die das Museum nun mit ebenso viel weiteren figurativen und installativen Arbeiten bis 2. September präsentiert. Georg Herolds Arbeiten befinden sich in vielen privaten und öffentlichen Sammlungen.

Georg Herold, 1947 in Jena geboren, wurde 1973 bei dem Versuch verhaftet, die DDR zu verlassen. Die BRD kaufte den zu Gefängnis Verurteilten frei. Nach kurzem Aufenthalt in München begann er, bei Sigmar Polke in Hamburg zu studieren, und freundete sich dort mit Werner Büttner, Martin Kippenberger, Albert Oehlen und anderen an. Seit 1999 lehrt er als Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie. Herold lebt und arbeitet in Köln.

Begleitend zu der Ausstellung erscheint ein Katalog im Snoeck Verlag. Er enthält Essays von Rudi Fuchs, Wolfram Heubach und Armin Zweite, ferner ausführliche Werkkommentare zu den Multiples der Sammlung Brandhorst. Alle ausgestellten Werke sind abgebildet, hinzu kommen bio- und bibliographische Angaben.