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ort: Oberes Belvedere

Georg Eisler. Spurensicherung
vom 8. April bis 25. September 2022

Künstler sein: Das hieß für Georg Eisler, Zeuge seiner Zeit zu sein. Hartnäckig spürte er in seinen Bildern dem Leben nach; unbeschwerte Szenen hielt er ebenso fest wie dramatische: Passagiere in der Straßenbahn, Tanzende in einem Club, aber auch politisch motivierte Gewalt in Belfast oder Soweto. Während er thematisch aus seiner Gegenwart schöpfte, blieb Eisler stilistisch den Avantgarden fern – über Jahrzehnte hinweg verschrieb er sich konsequent einer figurativen, realistischen Malerei. Die Im Blick-Ausstellung im Oberen Belvedere präsentiert einen kritischen Geist und scharfen Beobachter, dessen Bilder nichts von ihrer Aktualität verloren haben.

Generaldirektorin Stella Rollig: „Die Sujets von Georg Eisler stellen Bezüge zu aktuellen Themen her: zur Me-too-Debatte, zur Black-Lives-Matter-Bewegung, zu Konflikten bei Demonstrationen wie den Coronaprotesten oder politischen Krisen. Eislers Werke zu präsentieren heißt daher auch, sich mit seiner und unserer Lebensrealität auseinanderzusetzen und mit Erschrecken zu erkennen, dass Geschichte sich wiederholt.“

„Die Zwischenräume sichtbar zu machen, die perspektivischen, emotionellen und geistigen Zwischenräume von Figur zu Figur“, so formulierte Georg Eisler im Jahr 1963 sein künstlerisches Anliegen. Eisler – stets ausgerüstet mit einem Skizzenblock – fing das Leben dort ein, wo er es beobachtete und wo es ihn gedanklich und emotional bewegte. Die gewählten Bildhandlungen setzte er mit meist lockerem, lebendigem Pinselduktus um, vermied unnötige Details und konzentrierte sich auf das Wesentliche. So kreierte er eine Darstellungsweise, die bis heute fasziniert. Die Ausstellung rückt die teils brisanten Themen seiner Arbeiten in den Fokus. Sie zeugen von der kritischen Auseinandersetzung des Künstlers mit dem Politischen und Sozialen. Eisler wollte aufrütteln und in seinen Bildern durchaus auch Kritik am Establishment zum Ausdruck bringen. Er selbst hatte in seiner Jugend politische Sanktionen erlebt – eine Prägung, die bis zuletzt sein Werk kennzeichnete. Der Sohn des Komponisten Hanns Eisler und der Sängerin Charlotte Eisler, beide vom Kommunismus überzeugt, war in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg immer wieder mit gewalttätigen Auseinandersetzungen konfrontiert gewesen. Seine Jugend hatte er bis zu seiner Rückkehr nach Wien in den damaligen Staaten Sowjetunion (Moskau) und Tschechoslowakei (Prag) und zuletzt im Exil in England (Manchester, London) verbracht.

Im Zentrum von Georg Eislers Werk steht der Mensch: Die kritische Beschäftigung mit dessen Charakter und seinem Verhältnis im sozialen Gefüge wurde zur Voraussetzung für die Wahl der Bildinhalte. Feinfühlig erkundete Eisler Identitäten und Mentalitäten: die Schichten der Persönlichkeit, die Polarität von Individuum und Gesellschaft, von Einzelperson und Masse.

Kuratorin Kerstin Jesse: „Aus dem vielschichtigen Schaffen Eislers nehmen mich besonders die sozialkritischen Sujets ab den 1960er-Jahren gefangen. Auf den ersten Blick sind die dargestellten Szenen schnell erfassbar. Bei genauerer Betrachtung lässt sich jedoch eine Vielzahl von menschlichen und sozialen Interaktionen ausmachen, die Eisler so pointiert wie sensibel einfängt. Die dichte Atmosphäre und die aufrüttelnden Inhalte machen seine Bilder enorm spannend.“

In seinem künstlerischen Œuvre blieb Georg Eisler dem Figurativen verhaftet: Die zeitgenössischen Strömungen nach 1945 – Abstraktion, Surrealismus, informelle Kunst, Pop-Art oder Neoexpressionismus – fanden in seinem Schaffen keinen Niederschlag.

Das Sichtbare mit lockerem Pinselstrich in die ihm eigene Bildsprache zu übersetzen war sein Anliegen und eine stete Herausforderung. Davon erzählen seine persönlichen Niederschriften, die in den Jahren von 1962 bis 1997 entstanden – sie dienten als wichtige Informationsquelle für diese Im Blick-Ausstellung und erlauben einen ungefilterten Blick auf die Gedanken und Anliegen des Künstlers.