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Noch vor Eröffnung des Museums wurde 1992 die Bipolarität von Sammlung und Ausstellung als zentraler Aspekt der Museumskonzeption festgeschrieben. Neben der Organisation einer Vielzahl von Ausstellungen stellte das Kunstmuseum das Wachsen seiner Sammlung regelmäßig in der Ausstellungsreihe Tuning up #1-5 vor und setzte die Reihe der Sammlungsausstellungen seit 1999 mit der Reihe der Updates fort, die allerdings auch schon explizit thematisch ausgerichtet wurden. Seit dem zehnten Geburtstag ging das Kunstmuseum dazu über, aus dem reichhaltigen Fundus seiner Arbeiten thematische Ausstellungen zu konzipieren und die Sammlung zuweilen noch um Leihgaben der Künstler zu ergänzen.

Die Präsentation von Werken der Sammlung unter dem Titel "Generation X: Junge Kunst aus der Sammlung", ergänzt um einige Leihgaben, thematisiert die Frage nach einer Generationszugehörigkeit von Künstlern. Das Buch des kanadischen Autors Douglas Coupland mit dem Titel "Generation X" war nach seinem Erscheinen im Herbst 1994 rasch zu einem Kultbuch avanciert. Sein Roman über die "erste amerikanische Absteigergeneration" erregte Aufsehen und der Titel entwickelte sich zu einem soziologischen Terminus Technicus. Kritiker lobten die Geschichte über junge Erwachsene, die ihr 'kleines Leben an der Peripherie leben', als 'definitiven Roman über die verlorene Generation der neunziger Jahre', über 'jene Leute mit zu vielen Fernsehern und zu wenig Arbeit'.

Das Werk von Manfred Pernice "1a - Dosenfeld '00" (2000) bildet den Auftakt der Ausstellung. Es hebt sich von den Hochglanzarbeiten seiner Zeitgenossen vor allem durch seinen spröden und unfertigen Charakter ab. Zunächst scheint es auf vertraute Utensilien – vor allem Behältnisse verschiedener Art – abzuzielen, untergraben wird diese Vertrautheit jedoch bei näherem Hinschauen durch die Rohheit bzw. das Fragmentarische ihrer Verarbeitung. Sein Dosenfeld erscheint als Baustelle und ist doch klar umrissen: So verunsichert es den Betrachter, da es zunächst keinerlei Sinn zu stiften scheint.

Der luxemburgische Maler Michel Majerus, der im Jahr 2001 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam, wird in diesem Jahr durch eine Retrospektive geehrt, die in Graz, Amsterdam sowie in Teilen in Hannover und Hamburg zu sehen ist. Das Kunstmuseum hat ein substantielles Werk seiner Sammlung für die Retrospektive zur Verfügung gestellt und präsentiert in Ergänzung des Ölgemäldes "What looks good today may not look good tomorrow" drei installative Arbeiten aus den Jahren 1997 bis 1999 als Leihgabe seiner Nachlassverwalter.

Elizabeth Peyton, deren Werke im Kunstmuseum 1998 in einer Einzelausstellung zu sehen waren, ist mit einer Werkgruppe vertreten. Die junge amerikanische Malerin entdeckt am Ende des Zwanzigsten Jahrhunderts wieder traditionelle künstlerische Ausdrucksweisen und füllt diese mit persönlichen, zeitgemäßen Inhalten. Ausgehend von aus Magazinen ausgeschnittenen, aber auch selbst gemachten Fotografien, entstehen ihre zarten Ölbilder.

Malerei im Hochglanzlack und rhythmisch pulsierende Filme über die Vorgänge in den Metropolen sind das große Thema der amerikanischen Künstlerin Sarah Morris. Das Kunstmuseum zeigt ihre Filmarbeit "AM/PM" (1999), die sich der "Magic City" Las Vegas widmet, sowie eines ihrer Lackrasterbilder.

Der Künstler Eberhard Havekost befasst sich in seinen Bildern mit der menschlichen Wahrnehmung von Alltag, von Nebensächlichkeiten, mit dem flüchtigen, oberflächlichen und auch unbewussten Sehen. Nur schwer ist die Frage zu beantworten, was eigentlich gesehen oder gar wahrgenommen wurde. Havekost fertigt seine Gemälde auf der Grundlage fotografischer Vorlagen an, die er in Schnappschüssen gleich selbst anfertigt und am Computer bearbeitet.

Mit "A Hundred Years" (1990), einer der radikalsten Arbeiten von Damien Hirst (geb. 1965), verweist die Sammlung des Kunstmuseum Wolfsburg auf das Wiedererstarken der britischen Kunst und einen seiner Hauptakteure. Der Glaskörper und seine Aufteilung erinnert an einen Versuchsaufbau, in welchem Fliegen unterschiedlichen Lebensbedingungen ausgesetzt sind und in den zwei Hälften des Gehäuses Nahrung, Schutz oder den Tod finden.

Franz Ackermann gehört international zu den exponiertesten Vertretern der zeitgenössischen Malerei. In großformatigen, teilweise raumgreifenden Gemälden operiert er suggestiv mit der Wahrnehmung der Außenwelt, ihren assoziationsgeladenen Strukturen, Farben, Formen, Illusionen und Klischees. Das zentrale Erfahrungsmoment in Ackermanns Werk ist das Reisen, welches er in seiner Werkgruppe der so genannten "Mental Maps" behandelt.

Torben Giehler (geb. 1973), der jüngste Künstler in der Sammlung, ist mit zwei großformatigen Acrylgemälden vertreten. Er lotet die neuen bildnerischen Möglichkeiten zwischen Malerei und digitaler Codierung aus, indem er Freihandzeichnungen von Landschaften oder urbanen Zentren anfertigt, die er anschließend einscannt und mit Hilfe von Bildbearbeitungsprogrammen am Computer umgestaltet.

Von Richard Billingham folgt eine Serie seiner dokumentarisch anmutenden Familienporträts und Interieurs, die in schonungsloser Offenheit die Tristesse der Lebensumstände seiner Familie darlegen.

Ausgehend von einer Zeitungsmeldung, dass die Scheidungsquote in Wolfsburg nach einer Reduzierung der Arbeitszeit durch ein neues Schichtmodell bei Volkswagen in die Höhe geschnellt sei, begann Christian Jankowski vor Ort eine Recherche. Paare, die sich getrennt hatten, sollten in einer Spielsituation zunächst nach Drehbuch und dann völlig improvisiert, streiten. Pikantes Setting für den partnerschaftlichen Disput in "Create Problems" (1999) war die artifizielle Ausstattung eines Pornostudios. Ergänzt wird diese Arbeit aus der Sammlung durch das humorvolle Video "Zöllner singen" aus dem Jahr 1999, in welchem uniformierte Zöllner aus Italien, Deutschland, Österreich und der Schweiz die Nationalhymnen der jeweiligen Länder singen.

Seit Anfang der 90er Jahre waren in verschiedenen Berliner Clubs und Bars (z.B. Elektro, WMF, Panasonic) Videotapes von Daniel Pflumm (geb. 1968) zu sehen, deren Bilder sich aus dem Motivspeicher der Informationsgesellschaft speisen. Als Vorlage dienen ihm medienvermittelte Bilder (im Fernsehen) oder selbst gemachte Fotografien sowie Logos aus dem Bereich des alltäglichen Konsums. Als Neuzugang der Sammlung zeigt das Museum die Arbeit "Ohne Titel", die mit dem Text "Come down to earth, please" und der von Produkten bekannten Typografie im Gewand eines Werbeslogans daherkommt. Die Werkgruppe des Kunstmuseum Wolfsburg wird auch hier durch eine Reihe von Leihgaben ergänzt.

"Mint White Door VI" aus dem Jahr 1988/89 von Gary Hume (geb. 1962) verweist auf eine Schaffensphase des Künstlers, die eine inhaltliche und formale Nachbarschaft zur Minimal Art und zur Concept Art der Sechziger und Siebziger Jahre offenbart. Das Kunstmuseum Wolfsburg besitzt gleich zwei Werke aus der Serie der "Garden Paintings". Als Motive dienten dem Künstler Abbildungen in Illustrierten, Büchern und eigene Fotografien. Hume zeichnet zunächst die Konturen der Motive auf Acetatfolie nach und projiziert sie mit Hilfe eines Tageslichtprojektors auf die Bildfläche, wo er sie mittels Bleistift fixiert. Auch bei dieser Serie sind die spiegelnden Lackoberflächen, in denen man nur noch vage Spuren der Pinselführung ausmachen kann, wesentliches Charakteristikum seines malerischen Konzeptes.

In die bestehende Ausstellung "Generation X: Junge Kunst aus der Sammlung" wird ab dem 5. November 2005 eine Sonderausstellung von Eberhard Havekost integriert, dessen Werke zur bestehenden und umgebenden Sammlung in Beziehung gesetzt werden.

Die Ausstellung "Generation X" zeigt annähernd 70 Werke von insgesamt 14 Künstlern aus einer Zeitspanne zwischen 1988 bis 2004.

Zur Sammlungsausstellung im Jahr 1999 erschien der vom Kustos der Sammlung, Dr. Holger Broeker, bearbeitete Katalog Gesammelte Werke 1. Zeitgenössische Kunst seit 1968. Erwerbungen 1993 bis 1999 im Hatje Cantz Verlag.

Pressetext

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Generation X: Junge Kunst aus der Sammlung

mit Franz Ackermann, Richard Billingham, Torben Giehler, Eberhard Havekost, Damien Hirst, Gary Hume, Christian Jankowski, Michel Majerus, Sarah Morris, Manfred Pernice, Elizabeth Peyton, Daniel Pflumm,
Neo Rauch, Tobias Rehberger