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Der österreichische Grafiker Alfred Kubin (1877–1959) besichtigte 1920 die von Prinzhorn zusammengetragene Sammlung. Er verfasste einen leidenschaftlichen Bericht und wünschte sich für die Heidelberger Schätze einen Raum für eine ständige Ausstellung. Dann könne von dieser „Stätte, wo gesammelt wurde, was Geisteskranke schufen, Geistesfrische ausströmen“. Der Künstler publizierte sein engagiertes Plädoyer, kurz nachdem Prinzhorns Bildnerei der Geisteskranken erschienen war, in der Zeitschrift Das Kunstblatt 1922.

Mit rund hundert Werken rekonstruiert unsere Ausstellung Kubins Einschätzung der Künstler, die er in seinem Artikel anonym vorstellte. Durch Berufsangaben sowie Stil- und Werkbeschreibungen lassen sich eindeutige Zuordnungen vornehmen. Unsere Werkauswahl orientiert sich an Kubins Darstellung, geht aber teilweise darüber hinaus und eröffnet so einen umfassenden Blick auf die OEuvres dieser Künstler. Es handelt sich um die erweiterte Fassung einer Ausstellung des Landesmuseums Linz.

Den Maler und Architekten Paul Goesch stellte Kubin als den „uninteressanteste[n] von allen“ den übrigen zwölf „Autodidakten“ voran, die er numerisch auflistete. Den „stärksten Eindruck“ machten auf ihn die „in Ölfarben und Fettkreiden gehaltenen Bilder eines Schlossers aus der Anstalt Emmendingen“ – Franz Karl Bühler. Von Prinzhorn mit van Gogh auf eine Stufe gestellt, sah auch Kubin in Bühler „einen Meister ersten Ranges“. Die kleinen Gemälde Oskar Herzbergs erinnerten Kubin an Paul Klee. Aber nicht nur das: Herzbergs „Zusammenstöße von Weltkörpern“ hatten eine so frappierende Ähnlichkeit mit Kubins eigenem frühen Gemälde „Drohender Zusammenstoß“ (1905), dass er einen ebenbürtigen Tausch vorschlug: Kubins Temperabild und weitere vier Blätter aus seiner Grafik-Sammlung kamen nach Heidelberg. Im Gegenzug bekam Kubin vier Zeichnungen seines Lieblingskünstlers Bühler und ein Aquarell von August Klett, dessen „Friseurtypen und Buffettdamen“ Kubin „höchst anregend“ fand.

Neben der Gegenüberstellung von Kubins und Herzbergs Planetenkollisionen sind auch die aus Kubins Sammlung eingetauschten Blätter zu sehen: eine Irrendarstellung von Max Mayrshofer und drei anonyme Blätter aus der Anstalt Eglfing. Zusätzlich zeigen wir im Eingangskabinett eine kleine Auswahl von Kubins eigenen grafischen Blättern, die um das Thema Wahnsinn kreisen, u. a. “Der wahnsinnige van Gogh“ (um 1910).