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Eröffnung: 11.04.2008, 18.00-20.00

Pressetext:

"Was ist Malerei? Ich gebe nichts wieder, ich ahme nichts nach; ich gliedere die Materie unmittelbar ein; ich hebe die Relation zwischen plastischem Subjekt und Prädikat auf – zwischen der Fläche und dem Träger. Ich zerstöre, zerkritzle, zerquetsche, zerknittere, verdrehe, nagle fest. Eine Nummer. Ein Klecks […] Diskussion und Krise, Ende der Ontologie."

Severo Sarduy

In Ritorno in Patagonia behauptet Paul Theroux: "Wenn ich daran denke, irgendwohin zu gehen, dann denke ich an den Süden. Ich verbinde das Wort Süden mit Freiheit."

Gabriel Kondratiuk stammt aus diesem äußersten Süden, aus Patagonien, aus einer "Erfahrung", die nach William Henry Hudson "eine Reise zu einer höheren Ebene der Existenz ist, zu jener Form von Harmonie mit der Natur, welche die Abwesenheit des Denkens ist […]"

Seit seinem ersten Lebensjahr erlebt Gabriel Kondratiuk die zeitlose Schönheit der "zwei Patagonien": das westliche Patagonien, sein Geburtsort, mit seiner üppigen Pflanzenwelt, reinen Hängen, prachtvollen Bergen, grünen und blauen Seen, Gletschern und Tälern, die sich bis zu den Mesetas erstrecken; das östliche Patagonien, das absolute Nichts, die Wüstenlandschaft, von dürren Steppen bedeckt, die vom Wind gefegt werden und "wie riesige Stufen" auf der Suche nach dem Meeresspiegel hinabsteigen.

Die Arbeit von Kondratiuk ist eine Antwort auf jeden "Tag, der stets der erste Tag der Welt zu sein scheint" , auf diese einzigartige und ursprüngliche Landschaft, auf den weiten Himmel, die hohen Berge und den unbezähmbaren Wind. Sie ist aber auch eine Antwort auf lebendige oder erahnte Erinnerungen an die Karpaten seiner Vorfahren oder an die Alpen seiner jetzigen Heimat.

Mit einem Pinselstrich, der wie die graphischen Linienführungen die Konturen oder Details der Figuren unterstreicht, erschafft Gabriel Kondratiuk einen zarten Dialog zwischen Formen und Textur, Rhythmen und Tiefen, chromatischer Qualität und gelungener Musikalität, und setzt die Landschaft in eine Dimension frei, die über die bloße Naturdarstellung hinaus schlummernde Kräfte und geisterhafte Wesen entstehen lässt. Diese Landschaften geben dem Zuschauer ihre schöpferische Spontaneität zurück und verströmen aus ihrer Betrachtung heraus ein Gefühl der Offenheit und Freiheit. Dadurch, dass sie mit einer sensiblen, nuancierten, pastosen Ausführung realisiert werden, wo die Farbflecken, die graphischen Pinselstriche und die Kraft des Pinselduktus eine vorrangige Rolle spielen, entstehen sie aus einer graduellen Abstraktion von Vorbildern aus der Natur (Bäume, fleischige Pflanzen, Landschaften mit dominierenden runden Formen, ins Unendliche vervielfältigte Monde). Es handelt sich dabei um einen Bildaufbau, der dank einer inneren Dynamik und durch unkonventionelle Farbspiele (Rosa und Schwarz, Gelb, Grün und Schwarz, ein tiefes Blau, ein helleres, das mit dem Grün der Seen vermischt wird?) das höchste Ausmaß an Freiheit erreicht. Diese Landschaften enthalten Primärformen, die auf uns wie ersehnte oder erahnte Bilder wirken, wie Erscheinungen von Bergen, von Blumenlandschaften, von Zelten, in denen der Künstler so oft übernachten musste, wie ein naher Himmel, wie greifbare Monde. Die Variation und das Verhältnis von den verschiedenen Abschnitten der Bilder zu den nächsten bewirken, dass die Formen – bogen- und eiförmig, bar jeder Härte und wie bei Lebewesen stets aufeinander bezogen – miteinander interagieren und immer eine Verbindung mit dem Organischen bewahren. Es sind Formen, die uns so erscheinen, als ob sie aus der Erde sprossten, und auf sinnliche Weise die taktile, körperliche, objekthafte Empfindsamkeit heraufbeschwören.

Angesichts vieler von Gabriel Kondratiuks Werken möchte ich auf das Traktat über die Landschaftsmalerei von Shí Tāo hinweisen: "In den Bergen offenbaren sich die Qualitäten des Himmels auf unendliche Weise: die Würde, durch die der Berg seine Masse erhält; der Geist, durch den der Berg seine Seele zeigt, die Kreativität, durch die der Berg seine wechselhaften Luftspiegelungen bewerkstelligt, die Tugend, die die Disziplin des Berges formt; die Bewegung, die die kontrastvollen Linien des Berges zum Leben erweckt; die Stille, die der Berg in seinem Inneren bewahrt; […] die Harmonie, welche der Berg in seinen Drehungen und Biegungen hervorbringt; […] die Feinheit, die sich in der reinen Anmut des Berges offenbart; die Verwegenheit, die der Berg in seinen Falten und Höhenunterschieden zum Ausdruck bringt, […]"

Irma Arestizábal

Meines Erachtens sollte diesbezüglich Ivo Mesquita zitiert werden (Cartographies, Winnipeg Art Gallery, 1993): "Wenn wir berücksichtigen, dass die Arbeiten der Künstler Projektionen des eigenen Geistes, imaginäre Landkarten, Realisierungen eines Wunsches, der ursprüngliche, vor jeder Form entstehende Drang sind, wird hier der Geist wie eine weite Prärie dargestellt, aus der die Werke wie Demarkationen eines Gebiets in ständiger Änderung auftauchen."

Shí Tāo (1641-1707), Qīng-Dynastie, Asumir sus cualidades (Kap. XVIII).

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Gabriel Kondratiuk
Kurator: Irma Arestizabal