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FRITZ WINTER. Frühe Werke - Das Bauhaus und Ernst Ludwig Kirchner
24.05.2019 - 21.09.2019

Fritz Winter wurde am 22. September 1905 als erstes von acht Kindern von Friedrich und Berta Winter in Altenbögge (ehemals Kreis Hamm) im Ruhrgebiet geboren. Nach dem Volksschulabschluss begann er eine Lehre als Elektromonteur bei der Grube Westfalen, wo er 1924 als Geselle übernommen wurde. Zwischen 1925 und 1927 arbeitete er dann unter Tage als Bergarbeiter. Winter unternahm zu dieser Zeit Reisen nach Holland und Belgien, wo er mit Werken von van Gogh in Berührung kam, die er nachahmte. Gegen die Überzeugung der Eltern, für die ein Kunststudium bedeutete, dass der Vater nicht nur weiterhin die Grossfamilie ernähren, sondern auch das Studium des Sohnes finanzieren musste, und die solch ein Studium für perspektiv- und brotlos hielten, schrieb Winter sich am Bauhaus ein, das eine handwerkliche Ausbildung mit Abschlussdiplom in Aussicht stellte. Trotz finanzieller Einschränkungen malte Winter ausgiebig in Öl und Mischtechniken während seiner ersten beiden Bauhausjahre, die für ihn eine Zeit der Erfahrungen neuer Möglichkeiten bedeuteten, nicht nur im Unterricht der Vorkurse zum Diplom, sondern auch in Begleitveranstaltungen.

Fritz Winters Werke der Bauhaus-Zeit zeugen von freiem, fröhlichem Experimentieren, bereits in sehr eigenständigem Stil, losgelöst von der Anregung seiner Lehrer. Im ersten Semester besuchte Winter den Vorkurs bei Joseph Albers und Wassily Kandinsky und nahm schon im zweiten Semester an der freien Malklasse von Paul Klee und an den Akt- und Figurenzeichnen- sowie Bühnenkursen von Oskar Schlemmer teil und dann auch am Kurs „Der Mensch“ von Schlemmer, der in drei Teile gegliedert war: „dem formalen, dem biologischen und dem philosophischen“, die - sich gegenseitig ergänzend - letztlich zum Begriff Mensch vereinten. Winters bevorzugtes Thema blieb in seinen ersten Bauhaus-Jahren der Mensch und das Selbstbildnis, das in raschen Linien, eher abstrakt in Umriss- und wenig Binnenzeichnung ausgeführt wurde. Proportionsgesetze und Körperlichkeit wurden vernachlässigt. Ab 1929 wirkte sich der Einfluss von Paul Klee auf das Werk von Winter stärker aus und es entstanden Ölfarbzeichnungen und Monotypien von Figuren aber auch von Landschaften und Architekturen, abstrahiert und flächig dargestellt. Technisch folgte Winter den Methoden von Klee und schuf nass-in-nass Aquarelle sowie Ölfarbzeichnungen im Durchdruck- und Abklatsch-Verfahren. Der Einsatz von Schablonen, die Bearbeitung mit unterschiedlichen Geräten wie Spachtel, Schaber und Griffel oder kammartigen Utensilien stammte auch von Klee. Es überwogen aber doch die Unterscheide zwischen Schüler und Lehrer in der Umsetzung, in den Motiven, die bei Winter weniger die Natur nachahmten, also geringere Mimesis aufwiesen. Die Linienführung von Winter wirkte ornamental und rhythmisierend, sie war kaum körper- und tiefen-bildend. Die Auffassung von Paul Klee, dass der Künstler bei der Entstehung der Linie die Schöpfung der Natur nachbilden und so zur freien Gestaltung von abstrakten Gebilden gelangen solle, inspirierte auch Winter, wobei er diese Parallellinien zur Steigerung des Umrisses verwendete, nicht zur Bildung von Raum. Es wurden additiv geometrische Figuren aneinandergefügt. Die in dieser Zeit entstandenen Monotypien sind charakteristisch für das frühe Werk Fritz Winters, die Technik übernahm er ebenfalls von Paul Klee. Dafür trug er Ölfarbe auf ein Blatt auf, legte diese gefärbte Seite auf ein weisses Blatt und bearbeitete die obere weisse Fläche mit einem harten Gegenstand, sodass die Farbe durchgedrückt wurde. Ebenfalls typisch für die frühen Bauhaus-Jahre war die Ritzzeichnung in Ölfarbe. Dafür wurden farbige Schichten auf den Bildträger aufgebracht und mit dunkler Farbe abgedeckt. Mit einem harten Gegenstand ritzte dann Winter das Motiv so ein, dass durch die dunkle obere Schicht die Farbe darunter freigelegt wurde und die Darstellung einem Relief ähnlich wurde. Das Bestreben des Bauhauses aber, Kunst einem bestimmten Zweck und Gebrauch unterzuordnen, konnte Winter nicht nachvollziehen, so entfremdete sich der Künstler immer mehr von der dortigen Lehre.

Im 5. Semester liess sich Winter beurlauben, um einer Einladung von Naum Gabo nach Berlin Folge zu leisten sowie in Davos Ernst Ludwig und Erna Kirchner zu besuchen. Inwiefern Gabo und Kirchner das Werk Winters beeinflussten, ist schwer zu beurteilen, da nicht genau festgestellt werden kann, welche seiner Werke in Berlin oder in Davos entstanden. Wahrscheinlich beeinflussten Gabos Konstruktionen Winters Vorstellungen abstrahierender Arbeiten, sodass Winter den Menschen als Motiv hinter sich liess und sich von da an komplett der Abstraktion widmete. Vor Allem die Licht- und Bewegungseffekte in Gabos Konstruktionen könnten Winter zu einer Auseinandersetzung mit diesen gebracht haben. Das Lehrer-Schüler Verhältnis zwischen Kirchner und dem jungen Bauhaus-Künstler kann wiederum als sehr emanzipiert charakterisiert werden, ein reger Austausch mit durchaus wechselseitigen Anregungen. Beiden gemein war die Ansicht, in der Kunst die „innere Vision“ auszudrücken. Es entstanden nun von Farbe ausgefüllte geometrisierende, nebeneinander gesetzte Formen, von breiten schwarzen Linien abgegrenzt. Dies meist in zwei bis drei kontraststarken Nuancierungen. Die Gestaltung erreichte nun die Bildträger-Grenzen, es wurde die gesamte zur Verfügung stehende Fläche genutzt und ausgemalt. Es ist genau in diesem Gerüst aus von geschwungenen Linien eingefassten Formen, in dem wir die grösste Ähnlichkeit zwischen Kirchner und Winter erkennen. Kirchner verhaftete dabei der Gegenständlichkeit und der expressiven Farbigkeit, was die Werke der beiden Künstler voneinander unterscheidet. Aber die breiten, dunklen, abgerundeten, in sich geschlossenen Linien lassen in dieser Zeit bei beiden Künstlern das formale Gerüst entstehen, dies insbesondere bei den Gemälden und Holzschnitten im sogenannten „Neuen Stil“ des expressionistischen Meisters.

Nach dem Bauhaus-Diplom 1931 zog Winter nach Halle, um an der Pädagogischen Akademie eine Lehrstelle anzunehmen. Dies bedeutete leider keine finanzielle Unabhängigkeit und es war seine Gefährtin Margarete Schreiber-Rüffer, die ihn unterstützte. Durch die Machtergreifung 1933 konnte Winter nicht mehr lehren und ausstellen. Dieser Einkommens-Verlust führte zur Umsiedlung ins bayrische Karlsfeld-Allach, wodurch er den direkten Auswirkungen des Nationalsozialismus und der wirtschaftlichen Depression entkam. Er flüchtete in ein inneres Exil, lebte mit seiner Familie zurückgezogen mitten in der Natur und schuf für sein „Lager“. Es waren schwere Jahre ohne künstlerische und wirtschaftliche Anerkennung. Er blieb der abstrakten Formsprache treu, passte sich nicht dem nationalsozialistischen Zeitstil an. Fritz Winter wählte die innere Emigration bis ihn 1937 das Malverbot ereilte und er offiziell weder Farbe noch Leinwand erwerben konnte, an keinen Ausstellungen mehr teilnehmen durfte und immer unter strenger Kontrolle stand. In dieser Zeit erweiterte sich die Formensprache des Künstlers und es gesellten sich neuartige Konstruktionen zu den oben erwähnten additiven Werken. Winter begann breite Liniengerüste übereinander zu staffeln, Ovale, Rechtecke und freiere geometrische Umrisse wurden über andere, geometrisch angeordnete Flächen gesetzt, sodass eine gewisse Tiefe in den Bildern entstand. Zum Teil verselbständigte sich die schwarze Linie zu kalligraphischen Zeichen.

Die meisten in dieser frühen Zeit entstandenen Werke von Fritz Winter sind bewusst nicht oder nur sehr generell betitelt, durch Nennung einer prominenten Farbe oder einer dominanten Form. Der Künstler wollte sich im Motiv nicht festlegen, um einer möglichen Mehrdeutigkeit nicht entgegenzuwirken. Dem Betrachter liess er volle Freiheit der Deutung. Die künstlerische Freiheit, die Winter auch während der Ausbildung am Bauhaus charakterisierte, wurde von seinen Lehrern erkannt und gewürdigt. Dass Winter nicht seinen Lehrern blind folgte, wurde hervorgehoben und gelobt. Winter löste sich früh von den Richtlinien des Bauhauses und arbeitete nicht im Sinne der offiziellen Bauhaus-Lehre, die reine Malerei verpönte, diese lediglich anwenden wollte als Bühnenbild, als Raumgestaltung im Dienste der Architektur. Dennoch entstanden am Bauhaus freie Malklassen, in denen das reine Malen gefördert wurde, ohne dass es sich technischen Errungenschaften, einer Zweckmässigkeit und Konstruktionsbestimmtheit unterordnen musste, was Winter sehr zuträglich war. Winter drückte sich verhalten im Kolorit aus: Braun, Schwarz und Grauabstufungen dominierten in dieser frühen Zeit. Dies widerspiegelt die Welt der Kohlegruben, die ihn umgaben, könnte aber auch den zunehmenden dunklen Umständen der Zeit geschuldet sein. Er arbeitete vorwiegend auf Papier, sehr oft auch in Öl, weil er sich für seine zahlreichen Variationen keine Leinwände leisten konnte. Erst später, nach dem II Weltkrieg und der Rückkehr aus der Russischen Kriegsgefangenschaft, zog er diese Werke auf Leinwand auf.

Alexandra Henze Triebold