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Die Künstlerfreunde Frantiček Klossner (1960) und Victorine Müller (1961) beschäftigen sich in ihren Werken mit existentiellen Fragen. Beide kommen aus dem Bereich der Performance, in welcher der Einsatz des eigenen Körpers zentral ist. Während Victorine Müller immer noch als Performerin arbeitet und sich mit ihren eindrucksvollen Auftritten einen internationalen Namen geschaffen hat, konzentriert sich Frantiček Klossner heute vor allem auf die Bereiche Skulptur, (Video-)Installation, Zeichnung und Fotografie. Auch Victorine Müller hat sich in den letzten Jahren vermehrt der Skulptur zugewendet. Ihre grossen, transparenten Figuren, in denen sie früher oft aufgetreten ist, sind zusehends zu eigenständigen Skulpturen geworden. Seit einigen Jahren entstehen zudem traumhaft-surreale Zeichnungen, die dem märchenhaft-poetischen Charakter ihrer Performances entsprechen. Sowohl Klossner wie Müller sind durch frühere Aktivitäten mit Solothurn verbunden: Frantiček Klossner hat für die Ausstellung Tapetenwechsel. Zeitgenössische Wandmalerei und Wandzeichnung (2002) die interaktive Video-Installation Appell und Rapport entwickelt; Victorine Müller zeigte in den Jahren 2000 und 2005 Performances. Nun sind ihre Werke in einer Doppelausstellung, die über alle sieben Säle des Parterres verläuft, miteinander verbunden. Zwar sind die beiden Parterre-Flügel den Kunstschaffenden weitgehend einzeln zugeordnet; in den beiden Nordsälen kommt es jedoch zu punktuellen Begegnungen. Die Ausstellung beginnt im Westflügel mit der grossen Video-Installation Brot von Frantiček Klossner. Der erste grosse Saal und seine spezifische Atmosphäre werden für eine Abendmahls-Szene genutzt. Den zwölf Jüngern zur einen Seite setzt Klossner jedoch zwölf Jüngerinnen zur andern Seite gegenüber. Das frontale Gegenüber zwischen Frauen und Männern hat nur vordergründig mit einem Geschlechterkampf zu tun, sprechend sind gleichwohl die eklatanten Unterschiede des Verhaltens: Während die Männer mit Gier und Hast ihre Brote verzehren und daran fast ersticken, warnen uns die Frauen mit Sirenen-Klängen, die sie mit ihren Fingern auf gefüllten Weingläsern erzeugen. Gier, Verführung und Wachsamkeit sind hier in einer duellierenden Situation verbildlicht. Zu Frieden und Befriedigung kommt es nicht; die Männer bleiben durstig, die Frauen hungrig. Warum dies so ist, wird uns klar wenn wir uns den Broten auf der zentralen Tafel in der Raummitte nähern. Aus dem Innern der Brot-Laibe hören wir politische Reden, Streit, Uneinigkeit aber auch hoffnungsvolle Worte. Während die zwölf Männer das politisch aufgeladene Brot herunterwürgen, bleiben die Frauen wachsam und warnen uns mit durchdringenden Sirenen-Klängen vor Gutgläubigkeit: Nicht Jüngerinnen oder Jünger, sondern eigenständig Denkende sind gefragt. In den anschliessenden Sälen zeigt Klossner neue Fotoserien und Zeichnungen sowie eine Installation mit Scherenschnitten. Im Zentrum steht immer der Mensch, das Individuum als Teil der gesellschaftlich-politischen Realität. Bemerkenswert sind die grossformatigen Fotografien, seine Portraitbüsten, die motivisch an seine bekannten Eisbüsten anschliessen: Aus vielen Einzelbildern der Porträtierten komprimiert der Künstler riesige Silhouetten. Das scheinbar statische Gesamtbild löst sich in seine Einzelteile auf – wie einst die schmelzenden Selbstportraits. Die fotografisch umgesetzten Portraitbüsten beinhalten aber auch performative Aspekte und tänzerische Elemente, wie wir sie aus Klossners Theater- und Performance-Inszenierungen kennen.

Klossners Zeichnungen und Fotoserien leiten über zu den Farbstiftzeichnungen von Victorine Müller. Thematisiert Klossner unter anderem das Triebhafte im Menschen, kann in Müllers feinen Fabelwesen das Menschliche im Tier entdeckt werden. Wie ihre transparenten, im Licht der Scheinwerfer schillernden Kunststoff-Figuren faszinieren auch die Zeichnungen durch ihre Leichtigkeit und ihr Leuchten. Ihre Geschöpfe scheinen weniger der Erde als der Luft oder dem Wasser verbunden. Und so verwundert es nicht, dass im anschliessenden Quersaal eine sieben Meter lange PVC-Skulptur durch den Raum gleitet: ein riesiger Calamar, dessen Gestalt an ein männliches Glied erinnert. Im Innern ist, als transparente Form im transparenten Tierkörper, eine Frauenfigur zu entdecken. Sehnsüchte und Fantasien ziehen sich leitmotivisch durch Victorine Müllers Schaffen. Der letzte grosse Saal wird von zwei im Raume hängenden Plexiglas-Konstruktionen bestimmt, auf denen seltsame Figuren lagern. Geburt, Wachstum und Metamorphose werden darin als Themen fassbar. Der Eindruck des steten Wandels wird verstärkt durch die fliessenden organischen Formen und die Bedeutung des Lichtes. Die Besucher fühlen sich im spannungsvollen Hell-Dunkel des Raumes in eine magische Welt versetzt, durch die sie mit staunenden Augen streifen können. Sowohl bei Klossner wie bei Müller spielt das Licht in seiner suggestiven Wirkung eine zentrale Rolle. Gleichwohl bleibt es nie beim Ästhetischen von Schein und Farbe. Mit ihren Werken finden sie zeitgemässe Darstellungen des Menschen. Seine Gefährdung, aber auch sein Hang zu Sinnlichkeit, Traum und Spiritualität sind bei beiden Kunstschaffenden thematisiert.

Zur Ausstellung erscheinen im Verlag für moderne Kunst, Nürnberg zwei den beiden Kunstschaffenden einzeln gewidmete Kataloge.

Christoph Vögele Kunstmuseum Solothurn Juni 2008

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Franticek Klossner / Victorine Müller