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Mit der Leichtigkeit der Malerei... Gitterartige Strukturen scheinen - wie von einem sanften Windstoss bewegt - über die schneeweisse Bildfläche zu gleiten und dabei die Malerei in einen Zustand permanenter Schwerelosigkeit zu versetzen.Die netzartig sich verzweigenden Linien in lasierendem Blau und Violett überschneiden und verknoten sich in leicht wallenden Bewegungen, sachte Räumlichkeit andeutend. Von transparentem Weiss gedämpft, verdichten sie sich an den Schnittstellen zu verhaltenen Farbakzenten. Scheinbar endlos öffnet sich der gleissende Bildraum und überstrahlt das Bildgeviert. Einzig Spuren roter Untermalungen blitzen rosa-vibrierend durch. Schichten von Malerei suggerieren haltlos Tiefe, während ihre Leuchtkraft vehement dem Blick des Betrachters entgegen drängt: schneeblind blendend und schwerelos zugleich. Einzig an der unteren Bildkante baut sich in parallel gesetzten, breiten Pinselstrichen eine hellgrüne Form auf. Als ob sie - diese ins Bild gesetzte Schwerkraft - die Leichtigkeit der Malerei in der rechteckigen Bildtafel für immer verorten wolle. Allein, ihre Festigkeit bleibt reine Illusion der Malerei. Feinste Verläufe im dünnflüssigen Farbauftrag deuten Bewegungen an, die die blockhafte Tektonik jener Form entschieden auflösen und ihr jeden starren Charakter rauben. Und selbst diese nur scheinbar feste Struktur wird von einem netzartigen Gewebe überlagert und in ihrem ohnehin prekären Charakter weiter destabilisiert.

"Ohne Titel" bezeichnet die Künstlerin Frances Scholz ihre Bilder, so auch das vorliegende aus dem Jahr 2002. Die Konvention der Titelgebung ist indes mit Bedacht gewählt. Anfang der neunziger Jahre setzte ihr Schaffen mit Werken ein, die, an die Traditionen radikaler Malerei anknüpfend, die Untersuchungen von Farbe und Form konsequent weiterführten. Diesen analytischen, die Autonomie des Bildes betonenden Ansatz hat die Künstlerin in den letzten Jahren erweitert und ihr Oeuvre dabei in unterschiedlichste Richtungen geöffnet. Das wird in diesem Gemälde evident, wie die Bildlektüre verdeutlicht. Genauso wie die sich kreuzenden Linien und Rahmenformen früherer Arbeiten als Fenster, als Blick aus der abstrakten Bildstruktur in einen fiktiven Bildraum zu interpretieren sind, so lassen sich hier die schwebenden Strukturen als textile Gewebe lesen und deuten bildhaft an, was als mögliche Sinnschicht dem Werk zugrunde liegt. Gemeint ist vielleicht jenes vielschichtige Geflecht von Verweisen und Referenzen, nicht nur auf die Traditionen abstrakter Malerei, sondern auf die reale Welt jenseits der weissen Zelle der Kunst.1)

Frances Scholz versteht sich nicht ausschliesslich als Malerin, sie produziert auch Videoarbeiten. Während dem technischen Medium trotz digitaler Nachbearbeitung ein offensichtlicher Wirklichkeitsbezug zu eigen ist, erscheint die traditionelle Gattung Malerei durch die Moderne von den Zwängen des Mimetischen befreit. Und dennoch schleichen sich im Prozess des Wahrnehmens Muster des permanenten Referierens auf die Welt ein, welche die Künstlerin durchaus gezielt in ihre Bilder einfliessen bzw. in subtiler Weise als bildnerisches Potenzial zulässt. Dabei entstehen Gemälde von ausserordentlicher Leuchtkraft, die mit unvergleichlicher Leichtigkeit die malerischen Möglichkeiten ausloten und sich zugleich schwerelos der Dingwelt zuwenden.

1) Beim Gewebe handelt es sich um ein in Palästina weitverbreitetes Tuch. Die Bildvorlagen - oft Zeitungsausschnitte - entstammen dem Archiv der Künstlerin, das ihr als Grundlage für ihre Arbeiten dient.

Konrad Bitterli Pressetext

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Frances Scholz, Malerei