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Die Ausstellung FLUIDITY betrachtet das Fluide als prägendes Merkmal heutiger gesellschaftlicher Realitäten erstmals vor dem Hintergrund einer kunsthistorischen Diskussion des Phänomens der Dematerialisierung. Ausgehend von dem kunsthistorisch bedeutenden Publikationsprojekt „Six Years – The dematerialization of the art object from 1966 to 1972“ von Lucy R. Lippard (1973) zielt die Gruppenausstellung FLUIDITY darauf ab, eine Aktualisierung internationaler konzeptueller Strategien vorzunehmen.

Mit der Konzeptkunst veränderte sich in den 1970er Jahren der Kunstbegriff radikal, indem die repräsentative Funktion des materiellen Objekts in Frage gestellt wurde – Ideen und Konzepte wurden zu künstlerischen Formaten und Trägern von Raum, Zeit sowie nicht darstellbaren Strukturen. Grundlage der Dematerialisierung als Form der Konzeptkunst war aber auch die künstlerische Auseinandersetzung mit herrschenden Machtverhältnissen, Marktmechanismen und Warenformen. Diese Konzepte sollen unter den aktuellen politischen, sozialen und ökonomischen Vorzeichen einer fluiden, hochtechnisierten und digital vernetzten Welt jetzt auf ihre Relevanz überprüft werden.

Die Konzeptkunst, die sich in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren im urbanen Raum Nordamerikas entwickelt hat, verstand sich nicht als Bewegung, etablierte Strömung oder Gegenkultur: Vielmehr wurden spezifische Verhältnisse reflektiert, um den künstlerischen Rahmen zu erweitern, in dem das Kunstobjekt nicht mehr als Resultat begriffen wird, sondern „dematerialisiert“ als Idee Voraussetzung für einen dynamischen, gesellschaftlich relevanten Diskurs ist. Heute haben sich die Kontexte verschoben: Mitte der 1990er Jahre bereits bemerkte Liam Gillick, dass die Konzeptkunst eine Form von Kunst ist, die nach den 1960er und 1970er Jahren im Grunde nicht mehr existent ist. Zugleich entstammen die Schlagworte des Politischen noch immer den 1960er Jahren und finden gegenwärtig weder Ausdruck noch Übersetzung, während der globale Kapitalismus das Kunstfeld längst inkorporiert hat.

Momentan zeigt sich ein aktuelles Interesse der bildenden Kunst am Ephemeren, an künstlerischen Strategien, die situationsbedingt argumentieren oder auf Flüchtigkeit und Erfahrung setzen. Dies scheint symptomatisch zu sein für neue Allianzen und Perspektivwechsel in einer Gegenwartskunst, in der nicht mehr die Dematerialisierung von Kunstobjekten als “Reaktion” auf politische Probleme erfolgt, sondern Dematerialisierungstendenzen als Phänomene in der Gesellschaft von Künstlern reflektiert werden. Verbunden mit der Frage, was Dematerialisierung für die Kunstproduktion und die damit verbundene Auseinandersetzung mit dem zeitgenössischen Kunstfeld und dem gesellschaftlich verankerten Kunstverständnis bedeuten kann, geht es um eine Bestandsaufnahme konzeptueller Praktiken und ihres Verhältnisses zur Materialität. Im Gegensatz zu der derzeit intensiv geführten Materialitätsdebatte untersucht FLUIDITY jedoch die Dematerialisierung in der Konzeptkunst und ihre Konsequenzen. Wie bereits bei Lippard deutlich wurde, ist die Konzeptkunst nicht ohne die politischen Fragestellungen ihrer Zeit denkbar.

Das Ausstellungsprojekt wird kuratiert von Bettina Steinbrügge (Kunstverein in Hamburg), Nina Möntmann (Royal Institute of Art, Stockholm) und Vanessa Joan Müller (Kunsthalle Wien). Zur Ausstellung erscheint ein Reader.

Mit freundlicher Unterstützung der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg.