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Sabeth Buchmann: zur Ausstellung "Figures of Affect"

Wenn in den vergangenen Jahren von einer nie da gewesenen Macht des Affekts die Rede war, die sich ihren Weg in die Gefühlswelt jedes/jeder Einzelnen durch die Konsum- und Stimulanzindustrie gebahnt hat, so muss dies historisch betrachtet relativiert werden: Bereits im 19. Jahrhundert verstanden es Künstler/innen, durch die Erzeugung optisch-somatischer Sensationen die Funktionsweise der damals im Entstehen begriffenen visuellen Massenkultur affirmativ und/oder kritisch zu bedienen – dies auch deswegen, weil sie begriffen hatten, dass die vorherrschende Form des Tauschs eine symbolische ist, die einer nicht unmittelbar greifbaren Ökonomie des Affekts unterliegt. Genau dieser suchten sie, ob bewusst und/oder unbewusst, ästhetisch intelligible Produktions- und Wahrnehmungsformen des Affekts abzuringen. In diesem Sinne lässt sich das der modernen Kunst angeheftete Sinnlichkeitsprimat, das gemeinhin gegen die Vormachtstellung des wissenschaftlichen Rationalismus in Stellung gebracht wird, auch gegen den Strich, nämlich als Ausdruck eines ökonomisch kalkulierten Ästhetikbegriffs betrachten. Genau an solchen Ambivalenzen des Affekts in seiner Doppelrolle als Katalysator kommerzieller Konsumtionsformen sowie kritisch-emanzipativer Werkentwürfe setzen die Arbeiten von Friederike Hamann und Pola Sieverding an: Hier sind es die Klischees der modernen Pop- und Medienkultur in ihren je spezifischen Querverbindungen mit dem Hollywood-Kino der 50er und 60er Jahre oder auch die der Club- und Partykultur der 90er und 00er Jahre sowie die der Kunstwelt an sich, aus denen die beiden Künstlerinnen ihre Sujets schöpfen: Allerdings nicht, um zum wiederholten Mal die kulturelle Vorherrschaft des ‚Images’ zu beschwören, sondern um die sich in ihnen manifestierenden (Selbst-) Darstellungsexzesse des Affekts lesbar zu machen und umzudeuten: Genau dort, wo längst ausgereizt scheinende Images und Ästhetiken moderner Kunst-, Medien- Pop- und Jugendkultur die Macht des Affekts durch deren pure Reproduktion aufrechtzuerhalten suchen, treiben die beiden Künstlerinnen deren Selbstkonsumtion voran: Wenn sich Hamann in „Eat me“ in die Rolle der kleinen Schwester Warhols begibt, dessen teilnahmsloser Fast Food-Verzehr die Verschränkung von Kunst, Pop und Werbung ebenso zu zelebrieren wie ihres affektökonomischen Mehrwerts zu berauben scheint, dann stellt genau dies einen allgegenwärtigen Resonanzraum für ihre gender-parodistischen Repliken auf jene Werkformen dar, die keinem anderen Zweck als dem der umstandslosen Verfügbarmachung des ästhetischen Affekts zu dienen scheinen: ob in der installativen Videoperformance „Super Sugimoto“ / „Lucky Strike“ ein fiktiver Filmstar versucht den - von Sugimoto in der Serie „Theaters“ quasi fotografisch durch die Summe seines eigenen Lichts ausgelöschten - Film auf der Leinwand wieder zum Leben zu erwecken oder in „Be Wilder“ die obligatorische und universell einsetzbare Kunstbanane Gegenstand der Begierde wird: Der scheinbar unverwüstliche Sexappeal der Monroe wird auch in Pola Sieverdings Arbeit „After MM – Marylin Monroe and/or Mario Montez“ zu einem aus seiner filmischen Realität herausgelösten Zeichen, das gerade durch sein schier endloses ‚Reenactment’ (etwa in Gestalt von Werbeimages) die Selbstkonsumtion des kalkulierten Affekts vorzuführen vermag. Der Verweis auf Montez legt das der (Re-)Präsentation eingeschriebene Moment des Begehrens noch im Moment der Bildproduktion offen.

In der in Palästina gedrehten Videoarbeit „Nocturne Arabesque“ ist es die serielle Ekstase männlicher Tänzer, die in Sieverdings Arbeit Warhols filmisches Verfahren der ‚Exposure’ als einen Normalititäts-Exzess performativer Körper ansichtig werden lässt. Unterlegt mit der von Natasha Atlas gecoverten Textzeile „This is a man's world, this is a man's world. But it wouldn't be nothing, nothing without a woman or a girl“, die als hörbarer Video-Sound-Subtext über der Ausstellung liegt, erscheinen die Aufnahmen tanzender Männer keineswegs als medial normalisierter Ausdruck einer durch die Popkultur vorangetriebenen Entdifferenzierung von Körpern und Images. So ist es die Gewahrwerdung sozio-kultureller Differenzen, die eine Vorstellung davon vermittelt, dass es in Abgrenzung zu kulturkritischen und/oder -affirmativen Kurzschlüssen von Sehen und Konsumieren der Rückaneignung und Recodierung ästhetischer Affekte bedarf.

Wenn sich die Künstlerinnen oder ihre Protagonisten so in modelhaften Posen präsentieren, könnte das ebenfalls als Ausdruck einer von der Fashion- und Kunstindustrie vorangetriebenen Durchdringung von Körpern und Images aufgefasst werden: Doch genau diese Entführung vermittelt eine Vorstellung davon, dass die potentiellen Träger/innen sozialer Bewegungen ästhetische Affekte produzieren (müssen), um der Logistik der Imagekultur standhalten zu können. Der Rede vom ‚affective turn‘ setzen Friederike Hamann und Pola Sieverding keinen Kurzschluss von Sehen/Fühlen und Konsum/Ökonomie, sondern ein ästhetisch und politisch umrissenes Feld von differentiellen Sensationen entgegen.

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"Figures of Affect"
Friederike Hamann, Pola Sieverding