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FIELDS OF EMOTIONAL HABITS
Albrecht Schäfer – Radenko Milak
05.04.2019 - 23.08.2019

Die Doppelausstellung bei PRISKA PASQUER präsentiert zwei Künstler, die sich der Welt mit klassischen malerischen Mitteln annähern. Die kleinformatigen Ölbilder und Monotypien von ALBRECHT SCHÄFER (1967, Stuttgart) entstehen aus der Betrachtung realer Objekte im Raum, die schwarz-weißen Aquarelle von RADENKO MILAK (1980, Travnik, Bosnien) basieren auf zeitgenössischen und kunsthistorischen Bildquellen.
Die parallele Präsentation dieser beiden Positionen führt exemplarisch das Potenzial zeitgenössischer Bildproduktion vor Augen. Während sich ALBRECHT SCHÄFER zurückgezogen im geschlossenen Kosmos seines Ateliers auf kleine analoge Gegenstände wie Steine oder ein architektonisches Modell konzentriert, filtert RADENKO MILAK aus der Masse vorhandener Bilder signifikante Motive heraus und interpretiert diese neu. Speziell für die Ausstellung hat er ein monumentales, 2 x 6 Meter messendes Aquarell geschaffen, das einen Gegenpol bildet zu SCHÄFERs kleinen Ölbildern.
Doch so verschieden künstlerischer Ansatz, Entstehungsprozess, Technik, Formate und Motive auch sind – letztendlich kreisen die Werke beider Künstler um das Kleine im Großen und das Große im Kleinen, die zusammen genommen das große Ganze ergeben.

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ALBRECHT SCHÄFER

Mir reicht das Licht, das an einer Wand entlang streicht. (Albrecht Schäfer)

ALBRECHT SCHÄFER ist bekannt für seine konzeptuellen Skulpturen und Interventionen im architektonischen Raum. Der Künstler, der an der Weißensee Kunsthochschule Berlin eine Professur für Bildhauerei innehat, stellte seine skulpturalen Werke unter anderem in der Kunsthalle Mannheim, im KW Institute for Contemporary Art, Berlin, sowie im Leverkusener Museum Morsbroich aus. Daher war die Überraschung groß, als er vor drei Jahren erstmals kleinformatige, in Öl gemalte „Interieurs“ präsentierte. Vorangegangen war ein radikaler Rückzug aus dem Ausstellungsbetrieb. Eine intensive Phase der Neubesinnung, die ihn zu einer kompletten Änderung seiner Arbeitspraxis führte.

Statt raumgreifender Konstruktionen und skulpturaler Arrangements entstehen nun zweidimensionale Bilder. Impulsgeber für diese Werke sind nicht mehr konkrete Ausstellungsprojekte, besondere Räumlichkeiten und spezifische Konstellationen. Anstatt sich an immer neuen Architekturen „abzuarbeiten“, konzentriert sich der SCHÄFER jetzt ausschließlich auf seinen Atelierraum. Auch die verschiedenen Alltagsgegenstände wie Zeitung, Dachlatte, Jalousie oder Lampe, die zuvor sein Werk geprägt haben, sind verschwunden. An ihre Stelle getreten sind Steine, seit neuestem auch einzelne Laubblätter.

Das Atelier ist Entstehungsort und zugleich Motiv von SCHÄFERS neuer Malerei. Der schlichte, kleine Raum ist für ihn weniger ein Ort physischer Interaktion, als vielmehr Gegenstand der Kontemplation. Anschauungsobjekt ist ein kleines Modell, das SCHÄFER als „Interieur“ in Öl malt. Wechselnde Perspektiven, Lichtverhältnisse und Möblierungen sind ihm Anlass genug für immer neue Interpretationen des Sujets. Die Palette seiner kleinformatigen Gemälde ist gedämpft. Es überwiegen beige, erdige, rosa und graue Töne.

In ähnlichen Farben gehalten ist auch die Serie der „Steine“. SCHÄFER malt Allerweltssteine: Kieselsteine und Backsteine, runde und kantige Steine, Reste aus Kernbohrungen, Fundstücke von Baustellen. Nichts an diesen Steinen ist besonders. Es sind autarke Objekte, und SCHÄFER schaut sie in ihrem So-Sein an. Er betrachtet ihre Form, ihre Farbigkeit, die Struktur ihrer Oberfläche. Auf seinen Gemälden und Monotypien sind die Steine zu lockeren Gruppen arrangiert, manchmal auf indifferentem Grund, manchmal auch auf Sockeln.

Licht und Schatten, Raum und Zeit sind die Konstanten im Werk von ALBRECHT SCHÄFER. Ebenso die Arbeit mit einfachen Dingen und schlichten Materialien. Dies gilt auch für seine neuen Arbeiten, die auf der Basis radikaler Reduktion und Konzentration entstehen. Es ist sicher kein Zufall, dass SCHÄFER auf diesem Weg zu traditionellen Techniken und Genres gefunden hat. In der Zurückgezogenheit seines Ateliers stellt er sich den Herausforderungen seines Gegenübers und überführt Objekte und räumliche Situationen Pinselstrich für Pinselstrich in moderne Malerei.

PRISKA PASQUER zeigt Ölbilder und Monotypien von ALRBRECHT SCHÄFER aus den Jahren 2015-2019.

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RADENKO MILAK

Meine Malerei ist eine Reaktion auf die Bedrängnis durch all die Bilder, die uns umgeben. Dies ist der eigentliche Bereich meiner emotionalen Gewohnheiten, auf den ich oft zurückkomme. (Radenko Milak)

Im digitalen Zeitalter hat sich ein dramatischer Wandel vollzogen. Von einer Zivilisation, in welcher der Text dominierte, sind wir in die Epoche des Bildes übergegangen. Wenn wir die heutige Welt betrachten, können wir die Intensität der Bilder in unserem Alltag beobachten. RADENKO MILAK analysiert die Rolle der zeitgenössischen Bildproduktion für die Herausbildung unseres historischen und kulturellen Gedächtnisses. Dabei rekurriert er nicht nur auf moderne Bilder, sondern auch auf Werke der Kunstgeschichte und des Kinos. Ausgangspunkt seines monumentalen Aquarells „When I Was A Glacier“ sind dokumentarische Aufnahmen des vom Klimawandel bedrohten Rhonegletschers in den Schweizer Zentralalpen. Hier versuchen Umweltaktivisten, die fortschreitende Eisschmelze zu verlangsamen, indem sie den Gletscher im Sommer mit weißem Vlies abdecken.

RADENKO MILAK zeigt den durch die alpinen Felsformationen fließenden Gletscher aus der Vogelperspektive. Große Partien des Firns sind mit Planen bedeckt, die sich wie gigantische Hussen über die gefährdeten Eismassen legen. Links im Bild sind zehn Personen zu erkennen. Sie haben dem Berg den Rücken zugekehrt und steigen hinab ins Tal. Vor der imposanten Bergkulisse wirken diese Menschen so winzig und verloren, dass man fast nicht glauben mag, dass der Mensch der Verursacher der globalen Erderwärmung ist, der die eiszeitlichen Gletscher zum Opfer fallen

In seinem malerischen Werk befasst sich RADENKO MILAK immer wieder mit Bildern von Katastrophen. Bereits sein erstes großes, 365 Aquarelle zu Ereignissen des 20. Jahrhunderts umfassendes Projekt „365“ (2014) enthielt überraschend viele Darstellungen von Unglücken. 2017 entwickelte MILAK für seine Einzelausstellung im Pavillon von Bosnien und Herzegowina auf der 57. Biennale Venedig das multidisziplinär angelegte Projekt „University of Disaster“. Im Zentrum standen vier großformatige, komplex komponierte Aquarelle zu verschiedenen, von Menschen herbeigeführten Desastern.

An diese Arbeiten knüpft das monumentale, speziell für die Ausstellung bei PRISKA PASQUER entstandene Panel an. In dem 2 x 6 Meter messenden Aquarell lädt MILAK die dokumentarischen Fotovorlagen mit weiteren bildnerischen Referenzen auf, darunter Pieter Bruegels Gemälde „Jäger im Schnee“ (1565) sowie Filme des deutschen Regisseurs Arnold Fanck aus den 1920er-Jahren. „When I Was A Glacier“ ist ein hochaktuelles Sinnbild für das dramatisch aus dem Gleichgewicht geratene Verhältnis von Mensch und Natur. Zugleich ist es eine moderne Interpretation des Berges als religiöses und spirituelles Symbol.

Ergänzend werden in der Ausstellung weitere Aquarelle von RADENKO MILAK präsentiert, die sich mit Katastrophen, moderner Wissenschaft und dem Blick des Menschen auf die Welt befassen. Ausgangspunkt der Werkserien sind mikroskopische Aufnahmen von Nanostrukturen („Mikro“) sowie Fotografien, die mit dem Hubble Weltraumteleskops aufgenommen wurden („Makro“).