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Ob in Moskau, Belgrad, Berlin oder Kairo – kaum eine Stadt oder eine Nation, die sich als fortschrittlich darstellen wollte, konnte auf den demonstrativen Bau eines Fernsehturms verzichten.„Die Fernsehtürme, die seit 1950 die der Städte überragen, sind fast immer Symbole für gesellschaftlichen Wandel bzw. politische oder wirtschaftliche Macht“, so die Ausstellungskuratoren Friedrich von Borries, Matthias Böttger und Florian Heilmeyer (raumtaktik, Berlin). „Kein anderer Gebäudetyp war in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts politisch so aufgeladen wie der Typus der Fernsehtürme.“

Wie sich am Berliner Fernsehturm zeigen lässt - am 3. Oktober 2009 ist der 40. Jahrestag seiner Einweihung - sollte mit dem Bauwerk nicht nur jeder Turm im Westen Deutschlands in den Schatten gestellt werden, sondern zugleich ein Höhepunkt für die Umgestaltung des Ostberliner Zentrums geschaffen werden.

Auch heute noch werden Fernsehtürme errichtet; derzeitig laufen zwei Projekte in Japan und China, die beide mit 610 Meter hohen Türmen den CN Tower in Toronto als höchsten Fernsehturm der Welt ablösen wollen.

Die Ausstellung zeigt 25 realisierte oder geplante Fernsehtürme in Ashgabat, Auckland, Barcelona, Baghdad, Belgrad, Berlin, Brasilia, Guangzhou, Jakarta, Jekaterinburg, Johannesburg, Kairo, Las Vegas, Liberec, Moskau, Prag, Riga, Shanghai, Stuttgart, Taschkent, Teheran, Tokio (2x), Toronto und Vilnius. Noch nie zuvor waren so viele Fernsehtürme in einer Ausstellung versammelt.

Die weltweite Verbreitung der Türme, die 1956 mit der Einweihung des Stuttgarter Fernsehturms ihren Anfang nahm, zeichnet die politische Geschichte des 20. Jahrhunderts nach: Auf die Systemkonkurrenz zwischen Ost und West folgte das Ringen der Global Cities um touristische und ökonomische Anziehungskraft. Die ersten Fernsehtürme entstanden vor allem in Europa, Neubauten entstehen derzeitig fast ausschließlich in den aufstrebenden Staaten Asiens und im Nahen Osten.

Die meisten Fernsehtürme sind durch die politischen Zeitumstände ihrer Errichtung geprägt. Sie sind zugleich ingenieurtechnisches Wagnis und Zeichen des gesellschaftlichen Fortschritts. Die meisten von ihnen haben deshalb einen festen Platz in der Populärkultur ihrer jeweiligen Städte und Länder; werden geliebt oder gehasst, in Form von Souvenirs an Touristen verkauft und auf Postkarten gedruckt. Mehr als bei allen anderen Arten von Gebäuden geht es bei den TV-Türmen buchstäblich um die Signalwirkung der Architektur.

Anders als in vielen Architekturausstellungen werden die Besucher im DAM keine Architekturmodelle, Renderings oder Konstruktionszeichnungen finden, sondern eine Objektsammlung der Alltagskultur: Briefmarken und Postkarten, Cocktailmixer und Käsespieße, Nachttischlampen und Schnapsflaschen, Stifte, Schneekugeln, Puzzle und Kerzen. Das DAM wird zum Souvenirladen, der die Vielfalt der individuellen Aneignung der (Staats-) Architekturen dokumentiert.

In mehreren Erzählsträngen werden Entwicklungen in verschienen Ländern einander gegenübergestellt, so bespielweise zu den Themen Propaganda, Marketing und Zerstörung.

Eine Ausstellung von raumtaktik, Berlin. Die Ausstellung wird kuratiert von Friedrich von Borries, Matthias Böttger und Florian Heilmeyer. Das gleichnamige Katalogbuch erscheint bei Liaoning Publishers / Jovis Verlag.

Ausstellungsarchitektur: raumtaktik in Zusammenarbeit mit dem Seminar Raum-Modelle, Prof. Wilfried Kühn, Hochschule für Gestaltung, Karlsruhe

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FERNSEHTÜRME
8.559 Meter Politik und Architektur
Kuratoren: Friedrich von Borries, Matthias Böttger, Florian Heilmeyer