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„In Roquebrune, Cap Martin thront ein modernes weißes Haus an einem abgelegenen Ort, ungefähr hundert Meter über dem Mittelmeer. Dieser Ort ist nicht zugänglich (...) Kein Strasse führt zu diesem Haus. Entworfen und gebaut wurde es zwischen 1928 und 1929 von Eileen Gray für Jean Badovici und sich selbst. Sie nannte das Haus E.1027: „E“ für Eileen, „10“ für J (der zehnte Buchstabe des Alphabets), „2“ für B und „7“ für G. Beide wohnten dort bis Gray 1934 ihr eigenes Haus in Castellar baute.“ (Beatriz Colomina „Battle Lines: E.1027“)

Mit Measuring E1027 untersucht Fernanda Fragateiro erneut Grays modernistisches Haus, indem sie eine subtile visuelle Erzählung von Vergessen und Wiedererlangung entfaltet, die zentral für die Geschichte des Gebäudes ist. Diese Wiedererlangung verbindet sich nicht nur mit einem physischen Akt des Wiederaufbaus, sondern auch mit einem Akt der „Wiederzuschreibung“ an Gray als Entwerferin und ehemalige Besitzerin des Hauses. Während der Nachkriegsjahre wurde E1027 fälschlicherweise Le Corbusier zugeschrieben und erst nachdem Emmanuelle und Jean-Paul Rayon die Villa 1969 untersucht hatten, wurde die Autorschaft des Hauses wieder Gray zuerkannt. Was zunächst wie drei Reihen von kleinen schwarzen Bildern erscheint, erweist sich bei genauerem Hinsehen als 21 handgemachte schwarze Bücher mit eingefügten Seiten aus der Neuauflage des Portfolios von „E.1027 Maison en bord de mer“. Ähnlich wie Grays Architektur ermöglicht auch Fragateiros Installation als eine an der Wand präsentierte Reihe von Tableaus dem Betrachter unzählige Perspektiven, die ihn zu einem kinetischen Erlebnis führen.

„Die schwarzen Bücher“ so Fragateiro, „erinnern mich an Reinhardt’s schwarze Bilder, die mich wiederum an seine Arbeit Line Right and wrong, wrong color, makes-no-difference? denken lassen. Ich nehme seine Arbeit Wrong Color Makes No Difference? als Ausgangspunkt für eine Untersuchung über die „Unschuld“ der Farbe. Es gibt nichts Unschuldiges in Le Corbusiers „unrechtmässiger Aneignung“ von Grays Haus. Als Le Corbusier acht Innen- und Aussenmauern der Villa ohne Erlaubnis von Gray mit Farbe bemalte, verurteilte sie sein Vorgehen als Vandalenakt.“

Während in Measuring E1027 die Fotografien von Grays Villa teilweise verhüllt sind von den schwarzen Buchdeckeln, offenbart sich in Fragateiros Bodeninstallation Le Corbusier Color Keyboards die Präsenz von Le Corbusiers berühmter Farbklaviatur nur über ihre Reflektion auf dem Boden. Die Künstlerin verwendete für diese Arbeit 43 kolorierte Tapetenstücke, die sie verborgen unter 43 rechteckigen Modulen aus weisslackiertem Stahl montierte. Diese Module wiederum ordnete Fragateiro in einem für die Malerei der Moderne emblematischen Raster an.

Fragateiros Double Rainbow steht in Kontrast zu der monochromen Strenge der Arbeiten Measuring E1027 und Le Corbusier Color Keyboards. Der drei Meter hohe farbige Turm aus Büchern, der teilweise von einem Edelstahl-Gestell umkleidet wird, ist eine Fortsetzung von Fragateiros im Jahr 2009 begonnenen Auseinandersetzung mit dem vom Suhrkamp Verlag veröffentlichtem Material.

In ihrem Text 'Keine Lektüre der Moderne' erläutert Anna Altman zu (Not) Reading Rainbow Colors, After Willy Fleckhaus, Suhrkamp Catalogue 1963, einer früheren Arbeit Fragateiros, welche ebenso die Suhrkamp Edition zum Gegenstand hat und welche “eine ähnliche graphische Gestaltung, sowie ein breites Spektrum starkfarbiger Bucheinbände” hat. (...) Seit 1963 veröffentlichte der angesehene Suhrkamp Verlag in der Edition Suhrkamp Taschenbücherhervorragende theoretische und literarische Texte. Die anfänglich für drei D-Mark verkauften Bücher der Edition Suhrkamp erschienen in einem inzwischen zur Erkennungsmarke gewordenen Design von Willy Fleckhaus. (...) Die Gestaltung der Bücher, insbesondere der immer noch existierenden Edition Suhrkamp wurde zum Symbol für die 68er Generation.”

Zwei weitere skulpturale Arbeiten, No Color #1 und #2, bestehen jeweils aus einer Sequenz von fünf Büchern. Die Bücher gehören ebenso zur Edition Suhrkamp, die von Willy Fleckhaus gestaltet wurde. Diese 13 Bücher haben einen besonderen Buchumschlag, den es nur für eine kurze Zeit während den 1970er Jahren gab. “Diese Besonderheit“ sagt die Künstlerin, „erlaubte es mir, den Umschlag zu entfalten und das Buch wie ein dreidimensionales Gemälde aufzuhängen. Ich male nicht, aber ich suche Bilder, die bereits existieren. Ich benutze Bücher mit politisch und kulturell relevanten Inhalten, die aber nicht zugänglich sind. Ich betrachte sie als Gemälde, die aus mehreren Schichten mit tiefgreifenden Inhalten bestehen, die jedoch nur als abstrakte monochrome Oberflächen erscheinen. ‘Tiefe ist verborgen. Wo? Auf der Oberfläche.’ Hofmannsthal.”

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Fernanda Fragateiro
Wrong Color Makes No Difference?