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Leihgaben der Robert Havemann Gesellschaft, Archiv Grünes Gedächtnis der Heinrich Böll Stiftung. Design von Maartje Dros, Francois Lombarts.

In ihrem Gastprojekt an der Shedhalle Zürich widmet sich die Faculty of Invisibility dem politischen Ort der Versammlung. Entlang Momenten von Institutionalisierung geht sie der Frage nach, welche Möglichkeiten der Versammlung die zeitgenössische Kunstinstitution selbst vorschlägt und zulässt. Die Faculty of Invisibility folgt dabei Formen der politischen Rede, Verfahren institutioneller Einschreibung und Akten des Inkraftsetzens, mit denen gemeinschaftliche Artikulationen bindend und übertragbar werden. Die Institution markiert die Schwelle, an der sich jene Artikulationen in die Ordnung des Sag- und Sichtbaren einfügen. Es kann also nur darum gehen, die Institution in ihren eigenen sprachlichen Möglichkeiten, in ihrer Fähigkeit des Zeigens und Ausstellens, aufzurufen, um sich heute am Ort ihres politischen Vermögens aufzuhalten.

Für die Dauer ihres Gastprojekts stellt die Faculty of Invisibility in der Shedhalle einen Produktionsraum her, der den politischen Ort der Versammlung in seinem Tätigsein hervortreten lässt. In der Ausstellung finden sich einzelne Settings nebeneinander gestellt, jenen ähnlich, die in institutionellen Räumen Sprecherpositionen und -rollen anordnen. Sie entlehnen sich Akten der Ansprache, der Gründung, des Protokolls, des Delegierens, der Bekanntmachung. Was heißt es, in den sprachlichen Vorrichtungen der Institution sich einzufinden, jenen Orten, die sie bereitstellt und die umgekehrt sie stets aufs Neue hervorbringen? Was kann es heißen, in ihnen zu Wort zu kommen? Wie lässt sich in der Institution selbst ein Raum eröffnen, in dem die Erfahrung des In-der-Sprache-Seins verfügbar wird?

Im Bemühen, Momente jüngster Zeitgeschichte in ihrem Vermögen aufzurufen, versammelt das Ausstellungssetting in der Shedhalle ausgewählte Zitate, Verträge, Aufzeichnungen, Protokolle und Tonspuren aus verschiedenen Archiven politischer Instanzen. Die Frage nach dem Bezug, den zeitgenössisches Schreiben und gegenwärtige künstlerische Produktion zur Wirklichkeit nimmt, kommt auch fort aus den Möglichkeiten und Hoffnungen, die sich in einem Konvolut vergangener Artikulationen, Sprechakte, Statements und Eintragungen ausmachen lassen. So nimmt dieses Setting eine Vielzahl von Stimmen auf.

Dazu zählen Einzelmomente aus den Archiven der Vereinten Nationen, deren Verhandlungsprozesse exemplarisch die Verfahrensweisen und Sprachpositionen der Institution verdeutlichen. In den Protokollen des Zürcher Gemeinderats erscheinen ebenfalls die Mittel, wie Motionen, Postulate und Interpellationen, mit denen auf das Stadtrecht eingewirkt wird. Das Video der Bundesversammlung der westdeutschen Grünen 1984 und Auszüge aus den Wortprotokollen des Gründungsparteitags 1980, ausgeliehen vom Archiv Grünes Gedächtnis der Heinrich Böll Stiftung, dokumentieren nicht nur die Spaltungen und Auseinandersetzungen einer jungen idealistischen Bewegung, sondern markieren auch den Sprachort eines Weltbildes, der heute so nicht mehr verfügbar, nicht mehr betretbar ist. In Ausschnitten des ersten geführten Fernsehinterviews 1992 (Oliver Tolmein, NDR 1992, angefragt) diskutieren und analysieren vier weibliche RAF-Häftlinge – nach mehrjähriger Haft im Gefängnis ihren direkten gesellschaftlichen Bezügen benommen – die veränderte gesellschaftliche und politische Situation nach dem Fall der Mauer, aber auch Fragen des sinnlichen Erlebens und der Gemeinschaft der Inhaftierten. Im Video Staging Cities / Cuidades en Escena entwirft die Architektengruppe M7red (Mauricio Corberlan, Pio Torroja, Argentinien 2009) einen Verhandlungsraum für Menschen und nichtmenschliche Akteure. Dem Robert Havemann Archiv entliehen sind, ebenso wie die Videos des Zentralen Runden Tisches der DDR, sieben persönliche Friedensverträge, die FriedensaktivistInnen der DDR vor dem Fall der Mauer postalisch mit Bürgern anderer Länder schlossen.

Aus den Archiven der Shedhalle selbst stammen Protokollseiten, in denen ihre programmatische und politische Ausrichtung neu verhandelt und mittels derer die Shedhalle exemplarisch als ein Gefüge von Diskursen, Arbeitsmodellen und politischen Möglichkeiten lesbar wird. Insofern befasst sich die Produktion der Faculty of Invisibility inmitten der heutigen Programmierung der Shedhalle auch mit der Frage, welche politischen Stränge des Handelns in ihr eine Fortführung oder eine Neulesung erfahren können.

Das Ausstellungsprojekt wird realisiert mit Unterstützung von Präsidialdepartement der Stadt Zürich, Bundesamt für Kultur, Migros Kulturprozent, Appenzeller Bier, Mineralquelle Gontenbad, Delinat, Het Blauwe Huis.

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Faculty of Invisibility: Versammlung
Kuratoren: Sönke Hallmann, Inga Zimprich

Künstler: Benjamin Cölle, Laurie Cohen, Maaike Engelen, Clemence Freschard, Jeanne van Heeswijk, Ingela Johansson, Achim Lengerer, m7red (Mauricio Corberlan, Pio Torroja), proxy , Dagmar Reichert, Darren Rhymes, Jan Rolletschek, Elske Rosenfeld, Simone Schardt, Johan Siebers, Tanja Widmann,...