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Unter dem Titel »Hot Touch« präsentiert der Kunstverein Hannover vom 19. November 2011 bis 29. Januar 2012 neue Arbeiten der irischen Künstlerin Eva Rothschild (*1972, lebt und arbeitet in London), die sich mit formalen Aspekten der Skulptur und Plastik auseinandersetzt, in einer ersten deutschen Einzelausstellung.

Rothschild wurde bereits international gezeigt und gilt als bedeutende Vertreterin einer jungen Generation von Künstlerinnen und Künstlern, die sich skulptural mit dem klassischen Umgang von Abstraktion beschäftigen. Mittels Rückgriffen auf die minimalistische Formensprache der 1960er und 1970er Jahre und durch den Einsatz unterschiedlichster Materialien erzeugt Rothschild in ihren Skulpturen eine spannungsvolle Verbindung von Form und Material.

Die fragile und lineare Formensprache von Eva Rothschilds Skulpturen und Objekten überzeugt durch eine kompositorische Klarheit und Strenge, die den Eindruck dreidimensionaler Zeichnung im Raum entstehen lässt. Kontraste geometrischer und organischer bzw. abstrakter und figürlich anmutender Formen mit natürlichen und industriell gefertigten Materialien ergeben ein faszinierendes Zusammenspiel.

Rothschilds Arbeitsweise ist geprägt von einem stetigen Experimentieren mit neuen Formen, Materialien und Techniken, hierbei hat die Künstlerin eine Begeisterung für den Prozess rund um die Herstellung entwickelt. Sie verwendet unterschiedliche Materialkombinationen aus Leder, Papier, Plexiglas, Ton, Holz oder Metall und kombiniert auf diese Weise klassische Handwerkstechniken wie Weben und Töpfern mit typischen bildhauerischen Methoden des Schweißens und Gießens.

Kühler Stahl und Leder stehen sich beispielsweise in »Natural Beauty« (2009) gegenüber. Eine freistehende T-Form erscheint als architektonisches Raumelement; schwarze Lederseile und Tampen mit lose hängenden Enden schlängeln sich in einem netzartigen Gewebe geometrischer Polygone aus Aluminium.

Die Assoziation mit Schlangen wird in einem weiteren Ausstellungsraum figurativ bestätigt: In einer Serie mittelformatiger SW-Fotografien sind Personen aus Hannover porträtiert, die einzeln oder zu mehreren mit Schlange(n) posieren. Für die Serie »People with Snakes« (2011) hatte Eva Rothschild im Vorfeld der Ausstellung eigens ein Fotoshooting im Kunstverein Hannover initiiert, das den Beteiligten wahlweise einen Königspython, eine Kornnatter, Boa oder Milchschlange zur Seite stellte. Die in Anwesenheit von Rothschild entstandenen Fotografien changieren – verkörpert durch die Schlange als biblischem Symbol der Verführung und als Verkörperung von lautloser, schillernder Anmut – zwischen verführerischer Ästhetik und einem Gefühl von Gefahr und Unbehagen.

In Rothschilds Objektwelten trifft die Geschichte der abstrakten Kunst und damit die Tradition geometrischer Formen auf eine oftmals rätselhafte Aura des Materials. Rationaler Minimalismus begegnet emotionaler Mystik. Indem sie mit Illusion spielt und physikalische Gesetze vermeintlich außer Kraft setzt, gelingt es Rothschild, den Betrachter zu irritieren, so beispielsweise mit »Sunrise« (2011), einem vertikal platzierten Reifen mit frei fallenden Lederbändern, der im Raum zu schweben scheint.

In Anlehnung an frühere Arbeiten wie »Second Sun« (2004) ließ die Künstlerin einen semitransparenten Kunststoffvorhang für Hannover produzieren, der für eine räumliche Trennung im Ausstellungsraum sorgt. Auf den gleichmäßigen Fransen lassen sich grafische Sonnenstrahlen und Blätter erkennen, die der Rauminszenierung wiederum einen mystischen, romantischen Touch verleihen.

Kennzeichnend für Eva Rothschild ist ihr Umgang mit Wortbildern und -spielen, der sich in der humorvollen oder bisweilen narrativen Titelgebung ihrer Werke niederschlägt. Durch ihren Sprachgebrauch erzeugt sie eine Ambivalenz, die einmal mehr Verwirrung beim Betrachter stiftet und zugleich eigene Assoziationen auslöst. Hinter dem Titel der Skulptur »Wandering Palm« (2011), die aus Alltagsgegenständen hergestellt ist mit einem Palmenstamm aus schwarz-überzogenen Klebebandrollen, verbirgt sich eine Paronomesie: Das englische Wort »wandering« – zu deutsch »wandernd, umherstreifend« – hat phonetisch große Nähe zu »wondering« (im Deutschen: staunend, wundernd).

Mit dem Titel der Ausstellung »Hot Touch« werden vor allem Berührung und Aufeinandertreffen angesprochen und damit die Beziehungen zwischen den verschiedenen charakteristischen Merkmalen in Rothschilds Kunst. Die Verbindung sowohl unterschiedlicher Materialien als auch Formen weist in Rothschilds Werken ähnlich der Schlange-Mensch-Begegnung eine Dualität auf und geht zugleich ungewöhnliche Allianzen ein. Insignien der Moderne unterwandert Eva Rothschild mit Irrationalität, Emotionalität und inhaltlicher Irritation, was den Arbeiten eine eigenartige Melancholie verleiht und sie zwischen visionärem Fortschritt und reaktionärem Rückzug in der Schwebe hält.