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Europa: Antike Zukunft
Jimmie Durham, Haris Epaminonda, Ira Goryainova, Renée Green, Franz Kapfer, Barbara Kapusta, Jutta Koether, Oliver Laric, Shahryar Nashat, Steven Parrino, Franco Vaccari, James Welling, Franz West

23.04.2021 – 15.08.2021
Eröffnung: 22.4.2021

Alle sprechen über (und viel zu oft gegen) Europa, und auch ein gemeinsames Europa kommt nur langsam in Gang. Zu tief sitzen die partikularen Interessen von Nationalstaaten, Bürokratie und Wirtschaft, worin sich auch die Verbundenheit Vieler mit dem unmittelbar Vertrauten spiegelt. Die Zukunft kann aber nur in einem offenen, kosmopolitischen Zugang liegen, der in einem guten Verhältnis jedes Einzelnen zur lokalen wie internationalen Gemeinschaft steht. Die Suche nach einer kritischen Balance von Individuum zur Gruppe zeichnete bereits die griechische Antike aus, um auf Basis individueller wie allgemeiner Freiheiten und Verantwortungen die Demokratie zu stärken. Das umfangreiche Projekt Europa: Antike Zukunft formuliert aktuelle Beiträge zu einer dringend nötigen Diskussion, um aus einer in die Zukunft gedachten Geschichte ein kulturell und darin politisch gedachtes Europa im Sinne einer Gleichheit in Differenz voranzubringen.

Terminologisch ist Europa zurückzuführen auf das altgriechische Eurṓpē, ​„die mit der weiten Sicht“, was sich aus den Wortstämmen ​„weit, breit“ und ​„Sicht, Gesicht“ ableiten lässt. In der griechischen Mythologie ist auch die Ent- und Verführung einer gleichnamigen phönizischen Prinzessin durch Zeus bekannt. Der Begriff ist heute stark mit der Europäischen Union verbunden, die vornehmlich als wirtschaftspolitischer Verbund von Nationalstaaten gesehen wird.

Schon lange werden in dessen Konzept Defizite im Bereich Demokratie, Rechtstaatlichkeit und unzureichende Transparenz in Bezug auf grundlegende Machtfragen beklagt. Was aber zunehmend außer Acht gelassen wird, ist die eigentliche Idee von Europa, deren Herkunft und Potentiale gerade im Feld der Kultur liegen. Dies erscheint in Zeiten eines wieder erstarkten Nationalismus und Populismus, der die Europäische Union aus den einzelnen Mitgliedsstaaten heraus unter Druck setzt, um so wichtiger.

Daher stellt die HALLE FÜR KUNST Steiermark anlässlich ihres institutionellen Auftakts Europa ins Zentrum ihrer Betrachtung. Das Projekt Europa: Antike Zukunft vereint ausgewählte Ideen zum Konzept Europa und beleuchtet sie abseits gängiger pragmatischer Kriterien multiperspektivisch. Im Fokus der künstlerischen Projekte stehen die Ideengeschichte, Mythen, Werte und Brüche eines – aktuell eher zurückhaltend – vereinten Europas, das jenseits seiner ökonomischen und politischen Entwicklungen als ein heiß diskutiertes kulturhistorisches Projekt mit utopischem Potential untersucht wird. Die Ausstellung forciert dabei abseits einer eurozentrischen Rezeption eine Thematisierung und Erweiterung des üblichen, oftmals verengten Blickes, um wieder verstärkt und mit durchaus kritischer Emphase für Europa ins Gespräch zu kommen.

In der Auseinandersetzung mit den philosophischen Grundpfeilern der europäischen Idee gibt das umfangreiche Werk des griechischen Universalgelehrten Aristoteles einen wichtigen Impuls. Sein auf Gleichheit und Freiheit aufbauender Zugang zur Gesellschaft, der das Individuum in einem guten Verhältnis zur Gemeinschaft und ihrer Polis sieht, erfährt jüngst neue Aufmerksamkeit: In ihrer auf den Begriff der herrschaftsfreien Egalität aufbauenden Rezeption Politische Gleichheit (2020) fordert die Politikwissenschaftlerin Danielle Allen eine aktualisierte Fassung von Demokratie, ein ausgeglichenes Zusammenleben von Individuen in einer Gesellschaft jenseits eines nationalstaatlichen Denkens. Zudem weisen die Anfänge einer Idee von Europa auf die frühen Demokratien der griechischen Antike und ihre Folgewirkungen zurück.

Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich das Ausstellungsprojekt mit den Utopien der Vergangenheit, entwirft im Rückgriff auf antike, teils mythologische Ideen zum Verständnis von Europa eine mögliche Perfect Futur – eine Utopie, die vermutlich keinen per se progressiven Bestand haben wird, vielmehr immer schon auf ihre Vergangenheit und damit ihre Vergänglichkeit verweist.

Europa: Antike Zukunft ist somit als Gedankenexperiment zum transnationalen gemeinschaftlichen Leben im europäischen Raum gedacht und möchte eine attraktive weitere Idee eines vereinten Europas in kultureller Vielfalt, das im Sinne seiner ursprünglichen Bedeutung ​„auf weite Sicht“ zuversichtlich und überlegt vorausblickt, entwickeln.

Das Ausstellungsprojekt Europa: Antike Zukunft wird durch ein wöchentliches Rahmen- und Vermittlungsprogramm und eine umfangreiche Publikation ergänzt.

Kuratiert von Sandro Droschl

Programm

29 Do
Im Dialog mit der Antike: Modelle des
Zusammenlebens im Europa der Zukunft
Eveline Krummen
29.4.2021 18:00–19:00 Uhr

Vortrag
6 Do
The Leaking Bodies
Rana Farahani, Barbara Kapusta
6.5.2021 18:00–19:00 Uhr

Performance
20 Do
Medusa – Frauenfiguren der Mythologie
und ihre zeitgenössische Rezeption
Linda Nolan
20.5.2021 18:00–19:00 Uhr

Vortrag
27 Do
Mimesis und die Mythen von Europa
Annetta Alexandridis & Verity Platt
27.5.2021 18:00–19:00 Uhr

Vortrag
2 Mi
Another Europe
Sangam Sharma
2.6.2021 18:00–19:00 Uhr

Filmscreening
10 Do
Im Rücken die Ruinen von Europa
Franz Kapfer
10.6.2021 18:00–19:00 Uhr

Performance
17 Do
Politik und/oder Kultur – Was formt Europa?
Markus Prutsch
17.6.2021 18:00–19:00 Uhr

Vortrag
1 Do
Kunst in Europa / Europäische Kunst?
Constanze Itzel
1.7.2021 18:00–19:00 Uhr

Vortrag
8 Do
Was bleibt
Cevdet Erek
8.7.2021 18:00–19:00 Uhr

Vortrag
14 Mi
Europäische Visionen
Film ab: Der Kinoabend
14.7.2021 18:00–20:00 Uhr

Filmscreening
29 Do
Ethik & Politik: Aristoteles
Dramatische Lektüre
29.7.2021 18:00–19:00 Uhr

Lesung
5 Do
In der Schwebe: Museumsballett
5.8.2021 18:00–19:00 Uhr

Performance
12 Do
Behind the Scenes
Kuratorenführung
12.8.2021 18:00–19:00 Uhr
Führung