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Die Sammlung Oskar Reinhart «Am Römerholz», Winterthur, setzt die 2005 begonnene Reihe ihrer Studienausstellungen mit einer kleinen, doch höchst erlesenen Werkschau des französischen Künstlers Eugène Delacroix (1798–1863) fort. Als letzte Sonderausstellung vor der zweiten Umbauphase des Museums (15. Dezember 2008 – Mitte 2010) öffnet sie mit ihrem künstlerischen Reichtum und ihrer Intensität den Blick auf die Zukunft unseres Hauses. Ausgangspunkt der Präsentation ist das kleine Juwel der wunderbaren Werkgruppe Delacroix’ im Römerholz: Tasso im Irrenhaus aus dem Jahre 1839. Zum ersten Mal nach über 140 Jahren wird Delacroix’ Gemälde zusammen mit der früheren Version von 1824 gezeigt, die sich heute in Privatbesitz befindet. Der Vergleich der beiden Bilder und die Zusammenschau mit weiteren 26 exklusiven Arbeiten des französischen Künstlers erlauben eine neue Sicht auf dieses Schlüsselwerk der Kunstgeschichte aus unserem Bestand. Darüber hinaus beleuchtet die thematische Vielfalt der Ausstellung den Selbstentwurf eines grossartigen Künstlers an der Schwelle zur Moderne.

Tasso war seit 1565 als Schriftsteller am Hof des Herzogs Alfonso II. d’Este von Ferrara tätig, wo er sein Hauptwerk «Das befreite Jerusalem » schrieb. 1579 liess der Herzog den als Mensch und Künstler nie gefestigten Dichter in die Irrenanstalt von St. Anna in Ferrara einsperren. Delacroix war weniger vom literarischen Werk Tassos als von seinem tragischen Schicksal fasziniert, um das sich schon sehr früh ein Kranz von Legenden wob. Er fand in dem verkannten Genie einen Spiegel für das eigene Ringen um eine Selbstdefinition als Künstler, zu dem ihn die gesellschaftlichen Auswirkungen von Aufklärung, Revolution und Restauration zwangen. Die Ausstellung gruppiert um die beiden Tasso-Bilder eine Auswahl von Gemälden, Druckgraphiken und Zeichnungen Delacroix’ aus der Zeit von um 1824 bis 1861/62, die gleichfalls zu den Arbeiten des Künstlers in mittlerem bis kleinerem Format gehören. Mehr als in den heute bekannteren Galeriebildern konnte Delacroix hier seinem privaten Anliegen nachgehen: der Suche nach grossen Vorbildern, die ihm wie in einem Spiegel seine vielfach gefährdete Künstleridentität bestätigten. Im Vordergrund stehen dabei bedeutende Figuren der Literatur und der bildenden Künste wie Goethes Faust, Shakespeares Hamlet oder der Melancholiker Michelangelo, die, ähnlich wie Tasso und Delacroix selbst, tragisch gebrochene Formen geistigen Schaffens repräsentieren. Die Anverwandlung dieser Gestalten liess Delacroix ein neues entsprechend individuelles Verständnis von Mythologie, Geschichte, Religion und Natur entwickeln. Die Ausstellung veranschaulicht diese Spiegelungen und legt mit dieser neuen Sicht überraschende Aspekte der gestalterischen Strategie des Künstlers frei: Delacroix griff immer wieder auf eigene oder auch wesensverwandte Kunstwerke zurück und überlagerte oder umschrieb sie auch über erhebliche Zeiträume hinweg in immer neuen Anläufen. So ist sein Œuvre bei allen thematischen und formalen Variationen durch Konstanten stark in sich vernetzt und gibt damit Zeugnis einer nie überwundenen existentiellen Gefährdung und Tragik. Die Enthüllung dieses Geflechts der Motive und der persönlichen Schicksale sind Frau Prof. Dr. Margret Stuffmann, der ehemaligen Leiterin der Graphischen Sammlung im Städel Museum, Frankfurt a. M., und ihrer langjährigen Auseinandersetzung mit der französischen Kunst des 19. Jh. zu verdanken. Im Katalogbuch zur Ausstellung werden die malerischen Dialoge des Eugène Delacroix durch qualitätvolles Bildmaterial anschaulich gemacht und mit Beiträgen renommierter Wissenschaftler in ihrer gedanklichen Tragweite ausführlich dargestellt.

Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr, Mittwoch 10 bis 20 Uhr Montag geschlossen

Bundesamt für Kultur Sammlung Oskar Reinhart «Am Römerholz» Haldenstrasse 95 CH-8400 Winterthur HYPERLINK "http://www.roemerholz.ch" www.roemerholz.ch Telephon: + 41 52 269 27 40 Fax: + 41 52 269 27 44

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Eugène Delacroix
SPIEGELUNGEN
Tasso im Irrenhaus