press release only in german

Aus einem Gespräch von Matthias Jahn mit Dorothea Baumer

D.B.: Junge Künstler im Dialog mit etablierten, sogar berühmten, gewissermaßen ihrer Vätergeneration: das ist ein ungewöhnliches Ausstellungskonzept. Welche Idee steckt dahinter? M.J.: Die Idee war, daß ich die Generationen zusammenführen wollte; daß ich zeigen wollte, wie sich die junge Generation noch einmal anders auseinandersetzt, aber auch die Parallelen in der Herangehensweise erkennbar machen. Und dabei wollte ich eine ganz persönliche Note mit hineinnehmen, nicht zuletzt die, daß ich mit den alten wie den jungen Künstlern eine sehr emotionale Bindung habe. D.B.: Es geht also um eine Art Dreiecksbeziehung: sich als Galerist zu zeigen, indem man zeigt, welche Künstler für einen selbst prägend waren, und eben die Künstler, die man aus einer so gewonnenen Haltung heraus für relevant erachtet. Welcher Art sind Deine Beziehungen zu Künstlern wie Fred Sandback, Al Taylor oder Georg Baselitz? M.J.: Da gibt es zum einen sehr enge persönliche Verbindungen zu bestimmten Künstlern, und zum anderen die Faszination des künstlerischen Werks. Fred Sandback zum Beispiel war mein Patenonkel und wir hatten, obwohl er in New York lebte, eine recht innige Beziehung. Natürlich hatte ich mit fünf oder sieben Jahren noch nicht viel Ahnung von künstlerischem Arbeiten. Aber es waren eben doch starke persönliche Eindrücke, die dann ein späteres Verständnis erleichterten; wo es dann nicht viele Worte gebraucht hat, um zu verstehen, wieso jetzt nur ein Strich auf dem Papier war, oder wieso er, wie in der Arbeit der Pinakothek, einen Faden diagonal von einem Ende des Raums zum anderen gespannt hat. Es war klar, was er zeigen wollte. Natürlich ist er mir deshalb wichtig. Al Taylor war auf eine andere Weise ein Teil der Familie. Er war einfach ein wahnsinnig witziger Mensch, der immer versucht hat, meinen Bruder und mich zum lachen zu bringen. Er hat hier in der Baaderstraße monatelang gearbeitet. Außerdem ist hier "Lilly Trap" entstanden, angeregt von den kuriosen Bambus-Gitter-Konstruktionen, mit denen meine Mutter ihre Balkonpflanzen vor unserer Katze Lilly schützte, die Al Taylor derart gefielen, daß daraus eine ganze Werkgruppe entstand. Alles das hat in meinem kindlichen Kopf dann doch allerhand Assoziationen in Gang gesetzt. Zuletzt hat mein Vater übrigens, auf mein Drängen hin, diese Arbeit gekauft, die heute zu Taylors wichtigsten Werkgruppen zählt. Anders Baselitz und Richter. Da gab es nie diese menschliche Begegnung. Da war eben das Werk im Vordergrund. Bei Baselitz hat mir vor allem imponiert, wie er mit bestimmten Themen, wie er mit Kunst überhaupt umgegangen ist, einfach sehr kritisch. Und Richter war halt immer der große Künstler. Heinz Butz, Troels Wörsel müßte ich nennen und Kirsten Ortwed, die Bildhauerin, meine Patentante. Und dann natürlich Günther Förg, nach Karl Imhof mein Professor an der Akademie, dem man stundenlang zuhören konnte, wie er versucht hat, seinen Studenten Tips zu geben, wie er sich auf sie eingelassen hat, Auseinandersetzungen angestoßen hat. Und Sigmar Polkes Arbeit ist einfach hochinteressant und wichtig auch für die folgende Generation. D.B.: Es sind sehr verschiedene Positionen, für die diese Künstler stehen - figürlich expressive Malerei, ein eher konzeptuelles Vorgehen, Minimalismus in der Skulptur-, was ist es, was sie dennoch verbindet? Ist es ihre Haltung? Der Ernst ihres Tuns? Die Kraft ihres Werks? M.J.: Ganz pragmatisch gesehen, verbindet sie, daß ich sie alle durch die Galerie meines Vaters kenne. Gemeinsam ist ihnen sicher die existentielle Auseinandersetzung mit Gesellschaft oder Vergangenheit, ist dieser unbedingte Wille, diese vollkommene Hingabe an die Kunst, auch ihre Kraft, durchzuhalten. Diese Künstler waren ja nicht immer schon erfolgreich. Al Taylor zum Beispiel ist relativ unbekannt geblieben, seine Karriere begann erst nach seinem Tod. D.B.: Du hast Deine erste Ausstellung aus einem sehr nahen Kontakt heraus mit Michael Biber, Ioan Grosu und Matthias Lehrberger gemacht. Jetzt stehen diese exemplarisch unter Karl Valentins Diktum "Es ist schon alles gesagt....", Beckett hat diesen Gedanken übrigens ganz ähnlich ausgesprochen, wie haben die Künstler reagiert? M.J.: Natürlich ist das auch provokativ. Ganz sicher nicht sagen wollte ich: da kommt nichts Neues, da passiert nicht mehr viel. Richtig ist vielmehr, daß so vieles -Minimalismus, Farbflächenmalerei, Formen des Figurativen, der Abstraktion- in der Vergangenheit erforscht wurde, daß man nicht mehr viel neu erfinden kann. Wahnsinnig spannend ist aber doch, wie diese meine Künstler das in der Generation davor Gemachte lesen können und mit ihren Mitteln neu interpretieren und dadurch Neues schaffen. Das wollte ich mit diesem Titel sagen. Außerdem darf man schmunzeln. D.B.: Siehst Du konkrete Bezüge zu den Künstlern der älteren Generation? M.J.: Matthias Lehrberger zum Beispiel verbinde ich schon eng mit Heinz Butz oder Fred Sandback. Nicht so sehr ähnlicher Formen wegen. Parallelen sehe ich eher in der Denkweise oder auch in der Herangehensweise. Aber da sind eben auch noch andere Aspekte. D.B.: Wenn dieser Dialog Alt-Jung gelingt, welche Erfahrungen könnte der Ausstellungsbesucher machen? M.J.: Die Schwierigkeit einer solchen Ausstellung besteht sicher darin, wie man das präsentiert, wie man das richtige künstlerische Gleichgewicht findet, im Gegenüber beispielsweise eines Biber zu Polke, eines Grosu zu Baselitz, einer Eberle zu Kirkeby. Die Balance, daß jeder zu seinem Recht kommt, daß sowohl jede einzelne Position ihre Bedeutung gewinnt, wie auch im Kollektiv. Was ich mit dieser Ausstellung zeigen will, ist, daß es in der älteren Generation die gleichen Anforderungen, Kriterien gab wie für die Künstler, mit denen ich mich heute auseinandersetze. Eigentlich will ich nur sagen: gute Kunst hat kein Alter. In den sechziger, siebziger Jahren wurden viele Freiheiten erkämpft. Jetzt, glaube ich, ist eine neue Zeit angebrochen, eine Generation am Werk, die sich von der älteren zwar abgrenzt, die Bezüge zur Tradition aber in sich weiß. Was die Ausstellung zeigen will, ist eine Gleichwertigkeit; in der Auseinandersetzung, in der Relevanz, sich auf die Leinwand zu bringen. D.B.: Könnte der Gewinn nicht ein zweifacher sein: Vertrautes im Neuen zu entdecken, aber auch dem Bekannten eine neue Seite abzugewinnen? M.J.: Es könnte durchaus sein, daß die Alten durch die Jungen eine ganz neue Frische bekommen. D.B.: Vor kurzem war in der Frankfurter Allgemeinen zu lesen "Bilder malen ist jetzt auch in Bayern passé" M.J.: Das ist totaler Quatsch. Ich sehe eher eine starke Wiederbelebung der Malerei.

Dorothea Baumer ist Kunstkritikerin. Sie lebt und arbeitet in München.

Das Gespräch wurde im März 2011 in der Galerie Jahn Baaderstrasse geführt."

( Galerie Jahn Baaderstrasse)

only in german

Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen.

Künstler: Georg Baselitz, Michael Biber, Heinz Butz, Sebastian Dacey, Lutz Driessen, Carroll Dunham, Hedwig Eberle, Emanuel Eckl, Wolfram Erber,
Günther Förg, Georg Fuchssteiner, Ioan Grosu, Per Kirkeby, Matthias Lehrberger, Kirsten Ortwed, Sigmar Polke, Berthold Reiß, Gerhard Richter, Fred Sandback, Al Taylor, Mirko Tschauner, Troels Wörsel