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Eine Ausstellung mit dem Träger des Stipendiums der Thurgauer Wirtschaft 2006

2006 lebte der Experimentalmusiker und Videokünstler Ernst Thoma dank eines Stipendiums der Thurgauer Wirtschaft sechs Monate in Berlin. In dieser Zeit entstanden neue Werkgruppen, die den Titel „Höllensturz“ tragen. Wie bei seinen früheren Arbeiten montiert der Künstler mit digitalen Bildtechniken Einzelaufnahmen zu komplexen Bildräumen. Allerdings ist sein Motiv nicht länger die Landschaft, sondern der menschliche Körper. Im grossen Ausstellungskeller des Kunstmuseums Thurgau stellt der Preisträger seine in Berlin entwickelten Bildfindungen erstmals der Öffentlichkeit vor. Grossformatige Digitalprints und Videoprojektionen finden sich im ehemaligen Weinkeller zu einer eindrücklichen Installation zusammen, in der die Themenwelt des Klosters – Schuld und Sühne – eine genuin heutige Umsetzung erfährt. In den letzten Jahren ist Ernst Thoma mit epischen Landschaftsvideos bekannt geworden. Ausgehend von meist nur wenigen Fotografien erschuf der Videokünstler animierte Panoramen, in denen sich Landschaftseindrücke vor den Augen der Betrachter auf gleichsam magische Art und Weise immer weiter veränderten. Mit dem Video „Landscape VII“ vermochte er Ende 2005 eine prominent besetzte Jury zu überzeugen, ihm das Berlin-Stipendium der Thurgauer Wirtschaft 2006 zuzusprechen. Mit zum Stipendium gehörte ein halbjähriger Aufenthalt in Berlin. Der Eindrücke der Grossstadt wirkten sich unmittelbar auf die Kunst von Ernst Thoma aus. In den Berliner Arbeiten verwandelten sich die idyllischen Landschaften zu Stadträumen. Die animierten Naturbilder der „Landscapes“ wurden zu verschachtelten „Cities“, in denen der Künstler aus Wirklichkeitsfetzen zerklüftete Häuserschluchten zusammensetzte. Diese kulissenhaften Konstruktionen wirken in ihrer kühlen Expressivität wie postmoderne Versionen der expressionistischen Stadtvision Metropolis. Neben der Auseinandersetzung mit solchen städtischen Landschaften wandte sich Ernst Thoma in Berlin auch einem für ihn ganz neuen Thema zu: der menschlichen Figur. Zwei unterschiedliche Werkgruppen entstanden. Als Ausgangsmaterial einer Serie von DVDs verwendet der Künstler Aufnahmen seines eigenen, nackten Körpers. Diese verändert und verstümmelt er, bis auf den Projektionen nur noch leise sich bewegende Rümpfe zu sehen sind. Seltsam unwirklich schweben die kopflosen Klone in einem unbestimmten Raum, sich ständig sinnlos bewegend, retardiert ins Larvenstadium. Das Bildmaterial für die zweite Werkgruppe - eine Serie von Digitaldrucken - findet Ernst Thoma auf pornografischen Websites. Er häuft Hunderte kopulierende Körper zu scheusslichen Ansammlungen an. Geschlechtsorgane und Gesichter sind wie weggebrannt, wodurch die gezeigten Menschen auf den reinen Körper reduziert werden. Sexualität erscheint als ein ins Absurde gesteigerter mechanischer Akt extrem angespannter Leiber. Beide Werkgruppen überschreibt Ernst Thoma mit dem Titel „Höllensturz“. In der Ausstellung im Kunstmuseum Thurgau vereinigt Ernst Thoma einzelne Arbeiten aus diesen Serien zu einer beeindruckenden Installation. Ein Gang durch den ins Dunkel getauchten Ausstellungsraum führt unausweichlich zu einer Konfrontation mit den negativen Seiten der globalen Kommunikation und den Möglichkeiten aktueller Bildmanipulation. Die Verfügbarkeit der Bilder und ihre Vermarktung tritt offen zutage und die Arbeit mit dem eigenen Körperbild enthüllt, wie die Manipulierbarkeit Leiden erzeugt. In Ernst Thomas Realisierung des Höllensturzes vereinigen sich aktuelle und kunsthistorische Vorstellungen zu einer stringenten und ergreifenden Schau. Schuld und Sühne als Hauptpfeiler einer traditionellen Religiosität erfahren eine aktuelle Umsetzung in Form einer Bilderhölle, die ihren Schrecken aus dem Internet schöpft. Die Ausstellung wird begleitet durch die Publikation „Ernst Thoma: Höllensturz“, die durch das Berliner Kulturstipendium der Thurgauer Wirtschaft herausgegeben wurde. Das Berliner Kulturstipendium wird von der Thurgauer Wirtschaft seit 2004 ausgeschrieben. Mit dieser Initiative zeigt die Thurgauer Wirtschaft ihren Willen zu einem stärkeren kulturellen Engagement. Sie fördert kulturelle Aktivitäten, die innerhalb und ausserhalb des Kantons eine breite Resonanz auszulösen vermögen.

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Ernst Thoma. Höllensturz