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Nach zahlreichen internationalen Einzelausstellungen (u.a. Hirshhorn Museum, Washington, Kunsthalle Basel, MOCA, Los Angeles, ICA, London) präsentiert Ernesto Neto (1964, Rio de Janeiro) sein Werk erstmals in der Galerie Bob van Orsouw.

Netos Interesse gilt binären Systemen, Cybernetics, Science fiction, Entropie und Philosophie. Seine Auseinandersetzung mit skulpturalen Problemen ist unorthodox, wenn auch nicht weniger genuin. Wenn Neto über das Verhältnis von Fläche und Volumen, von Figur und Raum nachsinnt, dann denkt er an künstlerische Vorgänger genauso wie an die Feingliedrigkeit eines Spinnennetzes. Elastisch und belastbar zugleich bedeutet es eine räumliche Struktur, in der Gleichgewicht und Gravitation zu einem permanenten „equilibrium in suspense“ austariert werden, ein Prinzip, das Netos skulpturalem Schaffen ebenso zugrunde liegt.

Netos Ansatz, die Widerständigkeit „fester“ Materialien, wie Holz, Metall oder Stein durch „weiche“ Materialien zu überwinden, kann gleichfalls als Aushebelung herkömmlicher Raumkonzepte verstanden werden. Sein Einsatz textiler Materialien resultiert in einem Formenvokabular, das keine rechten Winkel und Geraden mehr kennt. Anstelle von einfach lesbaren Geometrien geben sich seine Skulpturen als labyrinthische Hohlräume, tropfenförmige Gehänge, konkave Ausformungen, zellgleiche Behausungen. Opak oder transparent werden die Textilien mit Gewürzen, Farbpigmenten, Reis, Sand oder Styroporkugeln gefüllt. Aufgrund ihrer Dehnbarkeit generieren sie ihre Formen gleichsam selbst, da sich ihre äussere Gestalt allein durch die Schwere des Inhalts bestimmt. Die Skulpturen gleichen Organismen, die in den Raum hinein wachsen, Gerüche verströmen, taktile Reize aussenden und halluzinativ in ihrer Farbwirkung sind.

Ein Topos in Netos Werk ist das „nave“, eine hängende, begehbare Skulptur aus dünnem Stoff, die je nach räumlicher oder topographischer Situation modifiziert wird (im Ödland von Santa Fé, Mexico realisierte Neto ein „Stella nave“ unter freiem Himmel). Das „nave“ umfängt den menschlichen Körper wie eine poröse Membran, die sich im Rhythmus seiner Bewegung dehnt oder zurückbildet. Der Betrachter findet sich in einer „spatial entity“ wieder, in der die Zeit entschleunigt, der Raum entgrenzt ist. Schwereloses Flottieren in a „constant state of transcience“ wird möglich, indem Körper und Skulptur in ein osmotisches Verhältnis zueinander treten.

In der Galerie Bob van Orsouw wird Neto, basierend auf dem Konzept des „nave“, eine den gesamten Raum umfassende, von der Decke hängende Skulptur realisieren, eine Art amorphe Architektur des Utopischen, in der sich das Interesse des Künstlers am wilden Wuchern einer Grossstadt wie Rio de Janeiro, Netos Geburtsort und Lebensraum, widerspiegelt. Vor dem Hintergrund dieser pulsierenden Megalopolis erinnert sein plastisches Schaffen an architektonische Experimente der Avantgarde, die urbane Zonen wie skulpturale Massen formte und damit visionäre Erlebnisräume, „Laboratorien des Körpers“, schuf.

Birgid Uccia

Vernissage: Freitag, 2. Juni 2006 von 18.00 bis 20.00 Uhr. Der Künstler wird anwesend sein. Von Juni bis Oktober 2006 zeigt Daros Exhibitions, Zürich in der Ausstellung „Instalações“ Arbeiten von Ernesto Neto aus der Sammlung.

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