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Vernissage: Freitag, der 26. Oktober 2007 von 18.00 bis 20.00 Uhr. Der Künstler wird anwesend sein.

“Gaza Surfers“ von Erik van Lieshout (1968) stellt die zweite Einzelpräsentation in unserer Galerie dar. Sie schliesst an die im Frühjahr dieses Jahres stattgefundene Schau im Kunsthaus Zürich an, die in Zusammenarbeit mit dem Museum Boijmans van Beuningen, Rotterdam und der Städtischen Galerie im Lenbachhaus, München entstanden ist. Wie nur wenige Künstler seiner Generation lässt Erik van Lieshout Leben und Werk kompromisslos zu einer Einheit, fern von Formalismen und ästhetischen Anliegen, verschmelzen. Durch die Zeichnungen, Malereien und Videoarbeiten zieht sich ein thematischer Strang, der über die Parodierung von Hip Hop und Pornographie, Kapitalismus und Machismo bis hin zu Moral und Religion reicht. In allen Medien fungiert der Künstler als Protagonist, der sein impulsives und fragiles Selbst ungeschminkt zur Schau stellt. In seinen oft clip-artig geschnittenen Videos interagiert er mit sozial Randständigen, Neo-Nazis und Rappern, mit geistig Behinderten oder der eigenen Familie in schonungsloser Direktheit. So streift Erik van Lieshout im Video „Respect“ (2003) mit seinem homosexuellen Bruder durch das Immigrantenviertel Rotterdams, wo vor dem Hintergrund von Gewalt und Ausgegrenztheit der Zusammenprall der Kulturen geschildert wird. Der Künstler verzichtet auf eine Distanznahme, vielmehr bringt er seine eigenen bisexuellen Spannungen und seine „zwischen Angst und Fetischisierung“ gemischte Haltung gegenüber den Immigranten zum Ausdruck. In der in unserer letzten Ausstellung gezeigten Video-Installation „Up!“ (2005) versucht er, seine Daseinskrise und erfolglose Ich-Suche durch therapeutische Massnahmen zu meistern. Dabei spiegeln Wut und Verzweiflung und der Widerspruch zwischen den eigenen Phantasien und der faktischen Realität die Brüchigkeit der conditio humana wider. Im Video „Rock“ (2006) steht ein neureicher Geschäftsmann im Mittelpunkt der Handlung. Die Statussymbole des Reichtums lassen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich bei allem Prunk und Protz eine existentielle Ausweglosigkeit abzeichnet, die an die früheren Arbeiten anbindet. Die in unserer jetzigen Ausstellung gezeigte Video-Installation „Guantánamo Baywatch“ (Part 3, 2007) schliesst an die im Kunsthaus Zürich präsentierten Filme „Guantánamo Baywatch“ (Part 1 und 2) an, die während eines Aufenthaltes von Erik van Lieshout in Los Angeles entstanden sind. Part 3 wird durch den Israel-Aufenthalt des Künstlers komplettiert und stellt den Schluss der Trilogie dar. Im Unterschied zu früheren Video-Arbeiten lässt sich eine veränderte Filmästhetik ausmachen. Es bestimmen nicht mehr nur stakkatoartige und schnelle Rhythmen die einzelnen Szenen, sondern längere Einstellungen lassen das Anliegen des Künstlers, die Filme streng zu komponieren, stärker in den Vordergrund treten. Während Part 1 und 2 der Suche nach der verschwimmenden Grenze des Realen und Unrealen in Hollywood und den verdrängten Gefühlen der US-Bürger zur Irak-Intervention gewidmet ist, konfrontiert der Israel-Aufenthalt den Künstler direkt mit den politischen und sozio-ökonomischen Konflikten einer weiteren Krisenregion. Die unerschrockene Weise, sich den Bedrohungen eines durch Angst und Gewalt gezeichneten Alltags auszusetzen, zeigt erneut, dass sich das Politische „wie ein roter Faden“ durch Erik van Lieshouts Arbeit zieht, insofern das Politische immer auch das Persönliche ist. „Guantánamo Baywatch“ ist weder dokumentarische Investigation noch Kritik, sondern unmittelbarer Ausdruck persönlicher Betroffenheit, die durch künstlerische Umsetzung allgemeine Bedeutung erfährt: „Ich habe genaue Vorstellungen von Kunst, und zwar eben die, dass die Kunst am Schluss immer stärker sein sollte als ich selbst“.

Birgid Uccia

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Erik van Lieshout
"gaza surfers"
Kuratoren: Birgid Uccia, Bob van Orsouw