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Die Hamburger Kunsthalle organisiert für das Frühjahr 1998 eine Ausstellung mit Werken der fünf jungen amerikanischen Künstler Nan Goldin, David Armstrong, Mark Morrisroe, Philip-Lorca diCorcia und Jack Pierson.

Nan GoldinDie zwischen 1953 und 1960 geborenen Künstler sind Absolventen der "School of the Museum of Fine Arts" in Boston; nach Beendigung ihrer Studien zogen sie nach New York. Sie kennen sich persönlich, tauchen als Modell in den Photos der anderen auf und haben sich gegenseitig beeinflußt. Die Realität und die Illusionen ihrer Generation sind das Thema, mit dem sie sich seit den siebziger Jahren künstlerisch auseinandergesetzt haben: engagiert, emotional, schonungslos offen - aber auch stilisiert und künstlerisch reflektiert.

Als Kurator der Ausstellung konnte die Kunsthalle den international bekannten Photograph und Sammler F. C. Gundlach gewinnen. Als Kenner zeitgenössischer Photographie hat Gundlach bereits früh und sehr entschieden Nan Goldin gefördert. Seine Sammlung, die Hauptwerke von ihr und den anderen vier Künstlern umfaßt, ist der Grundstock dieser Ausstellung. Großzügig gewährte Leihgaben aus den Ateliers erweitern die Schau, in der rund 240 Photographien aus allen Schaffensperioden zu sehen sein werden. Viele Hauptwerke, aber auch bislang unpublizierte Arbeiten versammelt diese Ausstellung, die erstmals in Europa das Werk der fünf Photographen in einen Zusammenhang stellt.

Rund 70 Photos wurden aus Nan Goldins Werk ausgewählt, darunter Bilder aus "The Ballad of Sexual Dependency", "The Other Side" und der Selbstbildnisreihe "All by myself". Nan Goldin begleitet seit rund fünfundzwanzig Jahren mit ihrer Kamera ihre selbst gewählte "Family": Frauen und Männer, die um Selbstbestimmung ringend die bürgerlichen Bahnen ihrer Herkunft verlassen haben. Die durch das Geschlecht vorgegebene Rolle tragen sie gleichermaßen als Bürde wie als spielerische Pose, als Schicksal und als Show. Im Brennpunkt einer New Yorker Boheme offenbart sich in Nan Goldins Bildern eine Generation, deren Weg zwischen sexueller Befreiung und Aids, zwischen Selbsterfahrung und Selbstzerstörung verläuft.

In der Serie "A Double Life", aus der etwa 30 Photographien zu sehen sein werden, entwerfen Nan Goldin und David Armstrong einen Dialog. Beide Photographen kennen sich seit ihren künstlerischen Anfängen und haben gemeinsame Bekannte im Portrait festgehalten. Vollkommen unterschiedlich ist ihre Herangehensweise: Goldin mit dem Blick der unmittelbar Beteiligten, Armstrong mit Distanz und kühler Stilisierung.

armstrong_klein.jpg (6915 Byte)Weitere 25 Photos geben einen Überblick über das Schaffen von David Armstrong, der wesentliche Anregungen für seine Arbeiten aus der raffinierten Licht-/Schattenregie der klassischen Schwarzweißphotographie bezieht.

Das künstlerische Werk von Mark Morrisroe wird in 30 Bildern ausgebreitet. "Some-times I think I’d rather be a movie star than an artist" steht als Devise über Leben und

Werk des früh verstorbenen Künstlers, in dessen Photos sich bis ins Groteske gesteigerte Selbstinszenierung mit nüchterner Selbstbefragung abwechseln, wie sie in solcher Schonungslosigkeit von kaum einem anderen Künstler geführt wurde.

In den etwa 25 Photographien, die von Philip-Lorca diCorcia gezeigt werden, verschränken sich Dokumentation und Fiktion: Für seine frühen Photos aus dem amerikanischen Alltag und seine Serie der "Hustler" (Hollywood 1990-1992) inszenierte er alltägliche Momente als eingefrorene Bilder. Seit 1993 arbeitet diCorcia an der Serie der "Street Pictures": Straßenszenen aus den Metropolen des Business. Die durch Werbung und Technik geprägten Kulissen der Städte (New York, London, Rom, Tokio u.a.) werden dabei austauschbar, doch mit dem Blitzlicht greift diCorcia einzelne Figuren heraus und versetzt sie in eine andere, fast surreale Wirklichkeit. Natürliches und künstliches Licht prallen in seinen Photos aufeinander und öffnen dem Betrachter eine vertraute Welt voller Fremdheit.

Jack Pierson, von dem in der Ausstellung etwa 25 Arbeiten zu sehen sein werden, scheint mit seiner Kamera Bilder aus einem endlosen Fluß von Licht und Farbe herauszugreifen. In seinen oft bis ins Grelle verklärten Porträts und Stilleben experimentiert er mit Farbe, Brennweite und Anschnitten. Er scheut sich dabei nicht, in Idylle und Romantik zu entgleiten, doch weist er die Photos immer als sehr persönliche Illusionen aus.

Die Ausstellung wird in der Hamburger Kunsthalle vom 27. März bis zum 1. Juni 1998 gezeigt. Das Katalogbuch umfaßt 160 Seiten und erscheint in einer dreisprachigen Ausgabe im Taschen Verlag. Es enthält Beiträge von F.C.Gundlach, Christoph Heinrich und Dörte Zbikowski.