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Von 6. – 18. Dezember zeigt das MUMOK unter dem Titel „Einseitig perforiert, schmaler Steg“ Filme auf 16 mm, die von Antje Ehmann und Harun Farocki ausgewählt wurden. An zwölf Abenden präsentieren sie Filme aus dem deutschen Sprachraum, die zugleich die Geschichte des Formats 16 mm nachzeichnen.

Das Format 16 mm kam Ende der 20er Jahre auf den Markt. Es trug zunächst den Namen „Schmalfilm“, was wie eine Herabsetzung klingt. Es sollte ein Format für Amateure werden, aber dafür war es zu teuer. Es wurde höchstens ein Luxusamateurformat und das Format für Halbprofessionelle, auch das eine Herabsetzung. Schon vor dem Krieg machten Regisseure ihren ersten Film mit eigenen Mitteln auf 16 mm, so Willy Zielke und Peter Pewas.

16 mm setzte sich zunächst in Forschung und Lehre durch. Die Schweizer Kamera Bolex war leicht zu bedienen, und es war mit ihr möglich, einfache Zeitrafferaufnahmen zu machen, sogar Trickeffekte. Die Projektoren waren mobil, und das Vorführen konnte ein Assistent oder Lehrer in ein paar Stunden lernen.

Mit dem Fernsehen wurde 16 mm groß. Nicht in den USA und nicht im Ostblock, aber in Westeuropa produzierten die Fernsehanstalten, wenn nicht live gesendet oder über elektronische Kameras im Studio aufgezeichnet wurde, zunehmend auf 16 mm. Den Fernsehleuten kam es oft vor, mit 16-mm-Film näherten sie sich dem Kino an, und es ist gerade die Schwäche fast aller Fernsehästhetik, dass sie ein Ähnlichkeitswettbewerb ist. In Sachen des Dokumentarischen wurden mit 16 mm erstaunliche Dinge getan: War ein Fußballspiel zu Ende, raste ein Motorrad mit den Aufnahmen des Spiels ins Kopierwerk, der Film wurde in Minuten entwickelt, gleich geschnitten und betextet und konnte oft schon gesendet werden, bevor die Zuschauer aus dem Stadion zu Hause waren.

In dem Augenblick, als Videoaufnahmen in hoher Auflösung mit leichten Kameras möglich wurden, ab 1980 spätestens, ging es mit dem 16-mm-Format bergab. 35 mm ist immer noch der Standard. Man spricht von einer Super-8- oder von einer Video-Ästhetik, nicht aber von einer 16-mm-Ästhetik. Dieses Format ist dabei zu verschwinden, ohne dass man ihm nachweint, nicht einmal Flüche werden ihm nachgerufen. Ein Ersatzformat.

Mitte der 60er Jahre kamen geräuscharme und leichte 16-mm-Kameras auf den Markt, so wurde die Aufnahme von lippensynchronem Originalton machbar: Auf einmal war es möglich, informelle Lebensäußerungen in der Wirklichkeit aufzugreifen. Ein Cinéma direct wurde mit dokumentarischen Mitteln umsetzbar, wie es der Neorealismus für den Storyfilm mit Darstellern entworfen hatte. Das war eine kurze Sternstunde, bald gab es aber auch 35-mm-Kameras, die handlich und leise waren.

In unserer Auswahl zeigen wir Filme, die auf 16 mm gedreht wurden – und das nicht im falschen Glauben, das sei das Gleiche wie mit 35 mm. Wir zeigen aus dem deutschen Sprachraum Filme, die nicht vorgeben, Kino zu sein, sondern die sich ihrer Deklassierung bewusst sind und darum auf ein anderes Kino aus sind. Manche mit großem Mut und mit größter Anstrengung, andere in selbstgewisser Abwendung, und manche führen den Klassenkampf im Kostüm des Dandys. Antje Ehmann und Harun Farocki

Einseitig perforiert, schmaler Steg Programm

Dienstag, 6. Dezember 2005, 19.00 Uhr Klaus Wyborny, Dämonische Leinwand, BRD 1969/1971, Farbe 100 min

Mittwoch, 7. Dezember 2005, 19.00 Uhr Klaus Wildenhahn, Zwischen 3 und 7 Uhr morgens, BRD 1963, s/w, 0 min Klaus Wildenhahn, Heiligabend auf St. Pauli, BRD 1968, s/w, 51 min Helma Sanders-Brahms, Die Maschine, BRD 1972, Farbe, 53 min

Donnerstag, 8. Dezember 2008, 19.00 Uhr Dore O., Alaska, BRD 1968, Farbe, 18 min Peter Nestler, Von Griechenland, BRD 1965, s/w, 28 min Peter Nestler, Bilder von Vietnam, Schweden 1972, s/w, 24 min Peter Nestler, Über die Geschichte des Papiers, Teil I, Schweden 1972, s/w, 24 min

Freitag, 9. Dezember, 19.00 Uhr Gerd Conradt/Katrin Seybold, Wilde Tiere – Rote Knastwoche, BRD 1970, s/w, 37 min Gerhard Theuring, Leave me alone. Why did you leave America, BRD 1970, Farbe, 128 min

Samstag, 10. Dezember 2005, 19.00 Uhr Hartmut Bitomsky, Johnson & Co. oder der Feldzug gegen die Armut, BRD 1968, s/w, 17 min Helga Reidenmeister, Von wegen Schicksal, BRD 1979, s/w, 117 min

Sonntag, 11. Dezember 2005, 19.00 Uhr Marianne Lüdcke/Ingo Kratisch, Die Wollands, BRD 1972, Farbe, 92 min Werner Nekes/Dore O., Jüm-Jüm, BRD, Farbe, 10 min

Dienstag, 13. Dezember 2005, 19.00 Uhr Michael Klier, Ferrari, BRD 1964, s/w, 8 min Werner Schroeter, Der Bomberpilot, BRD, Farbe, 65 min Harun Farocki, Der Geschmack des Lebens, BRD 1979, Farbe, 25 min

Mittwoch, 14. Dezember 2005, 19.00 Uhr Matthias Weiss, Ten Years After, BRD 1970, Farbe, 52 min Clemens Klopfenstein, Geschichte der Nacht, Schweiz 1979, s/w, 60 min

Donnerstag, 15. Dezember 2005, 19.00 Uhr Elfi Mikesch, Ich denke oft an Hawaii, BRD 1978, s/w und Farbe, 85 min Brigitte Toni Lerch/Benno Trautmann, Der Umsetzer, BRD 1976, s/w, 75 min

Freitag, 16. Dezember 2005, 19.00 Uhr Rosa von Praunheim, Schwester der Revolution, BRD 1969, Farbe, 20 min Rosa von Praunheim, Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt, BRD, Farbe, 67 min Hellmuth Costard, Besonders wertvoll, BRD 1968, Farbe, 10 min

jeweils 19.00 Uhr, MUMOK Temporäres Kino: Samstag, 17. Dezember 2005, 19.00 Uhr Heinz Emigholz, Die Wiese der Sachen, BRD 1974-1987, Farbe, 88 min Werner Schroeter, Willow Springs, BRD 1973, Farbe, 78 min

Sonntag, 18. Dezember 2005, 19.00 Uhr Dominik Graf, Der Fahnder Folge 78: Bis ans Ende der Nacht, Deutschland 1992, Farbe, 55 min Folge 90: Nachtwache, Deutschland 1993, Farbe, 55 min

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Einseitig perforiert, schmaler Steg. Filme auf 16 mm

Künstler:
Klaus Wyborny, Klaus Wildenhahn, Helma Sanders-Brahms, Dore O., Peter Nestler, Gerd Conradt / Katrin Seybold, Gerhard Theuring, Hartmut Bitomsky, Helga Reidenmeister, Marianne Lüdcke / Ingo Kratisch, Werner Nekes, Michael Klier, Werner Schroeter, Harun Farocki, Matthias Weiss, Clemens Klopfenstein, Elfi Mikesch, Brigitte Toni Lerch / Benno Trautmann, Rosa von Praunheim, Hellmuth Costard, Heinz Emigholz, Dominik Graf

Kuratoren:
Antje Ehmann, Harun Farocki