press release only in german

Eröffnung: Freitag, 30. November 2007, 17:30 Uhr

„Eine choreographierte Ausstellung“ vereint Gegenwartskunst mit zeitgenössischem Tanz zu einer Langzeit-Performance, die über eineinhalb Monate fortdauert. Das vom freischaffenden Kurator Mathieu Copeland (*1977, lebt in London) entwickelte Konzept beruht grundsätzlich auf einer Akkumulation von Bewegungen. Diese werden als Mittel eingesetzt, um ein vergängliches Kunstwerk zu entwickeln, das nur als Erinnerung Bestand haben wird.

Vom 1. Dezember bis 13. Januar werden drei Mitglieder der Tanzkompanie des Stadttheaters St. Gallen jeweils während vier Stunden (Mi – So) einen Ablauf von Bewegungsmustern und einstudierten Gesten aufführen. Diese einzelnen Sequenzen werden als eigenständige Grundeinheiten vor Ort von den Tanzenden in Zusammenarbeit mit den eingeladenen internationalen Künstlern und Choreographen einstudiert. Erst über die Ausstellungsdauer hinweg entfaltet sich dann eine übergreifende Gesamtkomposition.

Mit seinem Beitrag „Insiders“ fordert Roman Ondak (1966, lebt in Bratislava) die Tanzenden auf, die Realität ihrer Umgebung nicht zur Kenntnis zu nehmen und als kleine Insider-Gruppe ihre Kleider verkehrt herum zu tragen. Der Komponist Michael Parsons (1938, lebt in London) wird sein wegweisendes „Walking Piece“ aus dem Jahr 1968 wiederaufnehmen. In seiner Reinterpretation instruiert er die drei Mitwirkenden, wie sie sich im Raum der Kunst Halle zu bewegen haben. So soll ein offenes Stück von "optischer Musik" erzeugt werden. Eine "Polyphonie von Stimmen" kreiert hingegen Karl Holmqvist (1964, lebt in Berlin), indem er die Tanzgruppe auffordert, Liedtexte von unterschiedlichen Songs zu lesen, während sie Putzgebärden ausführen. An das Experimentaltheater der 1960er Jahre erinnert wiederum Fia Backströms & Michael Portnoys (leben in New York) Stück über Tausch-Systeme, das sich einerseits an primitiven tribalistischen Bewegungen und andererseits an täglich live aktualisierte Aktienkapital-Meldungen anlehnt. Der Leiter der Tanzkompanie St. Gallen, Philipp Egli (1966, lebt in St. Gallen) arbeitet mit der Beschaffenheit des menschlichen Körpers und bringt das Äussere ins Innere, indem er das Trio eine Bewegungsserie vollführen lässt, die vom zeitgenössischen Tanzrepertoire abgeleitet wurden. Die von Choreographen Jonah Bokaer (1981, lebt in New York) generierte Choreographie wird hingegen durch ein Computerprogramm an drei beliebige Tänzer vermittelt. So wird sie über mehrere Ebenen von Umschriften gefiltert und zuletzt durch die Ausführenden selbst geformt. Als Bindeglied zwischen allen Grundbewegungsabfolgen entwickelt Jennifer Lacey (1966, lebt in Paris) schliesslich ein Verknüpfungselement, das einen roten Faden durchs Gesamtarrangement bildet.

Erst in der Aneinanderreihung der extra für die Kunst Halle konzipierten und von allen Beteiligten im Vorfeld einstudierten Grundeinheiten enthüllt sich also zum Ausstellungsende die übergeordnete Bewegungsabfolge – „Eine choreographierte Ausstellung“. Der übliche Rahmen von künstlerischen Werken in einer Ausstellung wird somit gesprengt. Statt der gebräuchlichen Platzierung der einzelnen Kunstwerke im Raum wird hier die Zeit zur entscheidenden Referenzgrösse: Nicht wo das Kunstobjekt räumlich steht, sondern wann eine bestimmte Bewegungsabfolge zeitlich positioniert wird, ist relevant. Da zudem das Publikum durch seine eigene, zeitlich begrenzte Anwesenheit jeweils nur mit einem Bruchstück des gesamten Gruppenwerks konfrontiert wird, gewinnt auch der (willkürliche) Zeitpunkt, an dem die einzelnen Besucher die Ausstellung jeweils betreten, an Bedeutung. In einem Raum, der abgesehen von den Ausführenden vollkommen leer gelassen wird und ohne Requisiten, wie auch ohne Musik auskommt, bestimmen allein die Öffnungszeiten und die Dauer den Rhythmus der Ausstellung. Bewegungen werden als Mittel eingesetzt, um ein vorsätzlich vergängliches Kunstwerk zu produzieren, das eine Gegenhaltung in einer mit Dingen übersättigten Welt bekräftigt. Denn „Eine choreographierte Ausstellung“ wird nur so lange bestehen wie die Zeitspanne, welche die Tanzenden für die Gesamtrealisation benötigen. Die partiellen und bruchstückhaften Erinnerungen der Besucher hingegen werden, auch nachdem die allerletzte Bewegungsabfolge zum Stillstand kommen wird, fortdauern.

only in german

Eine choreographierte Ausstellung
kuratiert von Mathieu Copeland

mit Jonah Bokaer, Philipp Egli, Karl Holmqvist, Jennifer Lacey, Roman Ondák, Michael Parsons, Fia Backström & Michael Portnoy