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Mit filmischen Schilderungen der condition humaine hat Eija- Liisa Ahtila (Jg. 1959) seit Mitte der 1990er Jahre maßgeblich zum Entstehen einer neuen narrativen Kunst und zu jenen raumgreifenden kinematografischen Installationen beigetragen, die heute aus der zeitgenössischen Kunst nicht mehr wegzudenken sind.

Die als Überblicksschau der finnischen Künstlerin konzipierte Ausstellung zeigt zum einen drei neue Filminstallationen, die noch nicht in Deutschland zu sehen gewesen sind: „The Hour of Prayer“ (2005), „Fishermen /Etude no.1“ (2007) und, als neueste und Ahtilas bislang größte Arbeit, "Where is Where?" (2008), in der sich historische, globale und religiöse Stoffe mit Aspekten des künstlerischen Schaffensprozesses vermengen.

Aufgewühlt durch die Beschäftigung mit dem Algerienkrieg (1954-1962), gerät eine im heutigen Finnland lebende Dichterin (die fiktive Figur wird von der Schauspielerin Kati Outinen gespielt) in eine existenzielle Krise. Im Zentrum der Recherche steht eine in Frantz Fanons Antikolonialismus-Klassiker „Les Damnés de la Terre“ (1961) berichtete, wahre Begebenheit, der Mord zweier algerischer Jungen an ihrem französischen Spielkameraden. In traumgleichen Szenen dringt der Krieg in Leben und Arbeit der Dichterin ein. Raum und Zeit geraten aus den Fugen. „Where is Where?“ schildert als groß angelegte, räumlich arrangierte Komposition von Texten, Bildern und Musik wie die Last einer unbereinigten Vergangenheit nachhaltig auf heutige Vorstellungen von Moral und Religion, Schuld und Vergebung einwirkt.

Neben den drei neuen Arbeiten ist zum anderen eine Auswahl früherer filmischer Arbeiten zu sehen, die beinahe schon als Klassiker der jüngeren Kunstgeschichte gelten können, darunter das Teenager-Panorama „If 6 was 9“ (1996), die Scheidungsgeschichte "Consolation Service" (1999) mit ihren verstörenden Unterwasserszenen, oder die für die Kunstsammlung NRW erworbene Dreikanal-Film-Installation "The House" (2002), die vom Rückzug einer an Psychose leidenden Frau handelt. Diese bereits 2005 im Rahmen einer Sammlungspräsentation vorgestellte Arbeit wird dabei in einer mit der Künstlerin abgestimmten, veränderten räumlichen Situation präsentiert, um den inhaltlichen Zusammenschluss von Haus und schutzbedürftigem Subjektgehäuse formal noch prägnanter zum Ausdruck kommen zu lassen.

Im Überblick über Ahtilas Schaffen kristallisiert sich die Verschränkung von Psychologie und Raum, von Text und Bild, sowie von objektivem Reportagestil und surrealen Spezialeffekten als tragendes Element der Filme heraus. Mit hochprofessionellen Mitteln erzeugte filmische Illusion wird zum Arbeitsmaterial einer Künstlerin, die sich ihren Stoffen hochsensibel mit großem ethischen Bewusstsein nähert. Dabei wird in der Ausstellung eine gewisse Akzentverlagerung zu beobachten sein: die fiktional-dokumentarische Darstellung menschlichen Dramas in einem spezifisch finnischen Milieu wird in den neuen Arbeiten in eine mehr allgemeine, globale Perspektive überführt. In der für Ahtila charakteristischen Mischung aus Eindringlichkeit und distanzierter Reflektion widmen sich die neueren Arbeiten verstärkt abstrakten existentiellen Themen wie Miteinander und Ausgrenzung, Kindheit und Gewalt, Leben und Tod.

Die Ausstellung entstand in Kooperation mit dem Jeu de Paume, Paris, wo sie vom 22. Januar bis 30. März 2008 zu sehen ist. Kuratorin der Ausstellung in K21: Doris Krystof. Kuratorische Assistenz: Isabelle Malz. Es erscheint ein Katalog im Verlag Hatje Cantz mit Beiträgen von Elisabeth Bronfen, Régis Durand sowie einem Interview mit Eija-Liisa Ahtila von Doris Krystof. Engl./dt. Zahlreiche Abbildungen.

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Eija-Liisa Ahtila
Kuratorin: Doris Krystof