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Eröffnung: Freitag, 5.September 2008, 19-22 Uhr

And everything under the sun is in tune, but the sun is eclipsed by the moon… (Roger Waters: Eclipse, aus: Pink Floyd: Dark side of the moon, 1973)

Eine junge Frau tanzt im weißen Ballerinakostüm auf der Suche nach Licht durch die Innenräume monumentaler Architektur. Der Blick über die Stadt streift ausgediente Bruchstücke der Zivilisation. Auf einer Großbaustelle wachsen die gläsernen Zukunftsgiganten des 21. Jahrhunderts in den Himmel. Berit Hummel verdichtet in ihrer Videoinstallation die gebauten Visionen einer Stadt: Von Staatsideologien getragene Zeitzeugen - Hoffnungsträger, Wohnraumverdränger, Ruinen. Hummel überlagert mit filmischen Mitteln Räume, Lichtverhältnisse, Bewegung und Ton und verwendet dabei mit Realem und Inszeniertem genau die Momente, die eine Utopie ausmachen. Wann wird ein Gesellschaftsentwurf zur Geschichte und wann der Blick nach vorn zu einem Blick zurück?

Andreas Lang verbindet Malerei und Zeichnung – gestische Strukturen, erzeugt mit Pinsel, Lack, Sprühfarbe und Tuschemarker bewegen sich über das Bild und entschlüsseln sich beim Betrachten zu atmosphärischen Landschaften: Polarforscher in Gletscherpanoramen und Kosmonauten auf Weltraum-Odyssee. Drummer am Schlagzeug schlagen einen Beat, der die gestische Pinselführung mit einer Percussion vergleichbar macht. Für Stedefreund entwickelt Lang eine weitläufige Raummalerei: Der zum Ausstellungsraum freigelegte Plattenbau wird übertapeziert und Motive aus Astronomie, Musik und Romantik führen den Blick aus dem Beton hinaus in Dimensionen voller Grenzüberschreitungen.

Das Wesen – ein hybrider Charakter ohne Geschlecht und Alter, halb Tier halb Mensch, in grauer Uniform und klobigen Schuhen – bahnt sich seinen Weg durch die Arbeiten von Julia Oschatz. Nie zielgerichtet, da augenlos und immer allein unterwegs, lässt es die Dinge stellvertretend für uns alle passieren. In dem Film fiction follows form durchquert es einen abstrakten Raum, der allein durch Schwarz und Weiß definiert ist. Es gleitet lässig auf Lichtkegeln hin und her, knallt gegen schwarze Wände, erlangt schließlich sein Augenlicht und sprayt sich selbst seine Bahnen durch Dunkelheit, Raum und Zeit. Oschatz gelingt es mit erstaunlich minimalen Mitteln, die gesamte künstlerische Bandbreite im Umgang mit Abstraktion und Darstellbarkeit zu verhandeln.

Sascha Schniotallas skipfields erscheinen auf den ersten Blick wie Malerei-Erzeugnisse, klassisch gehängte Farbverläufe. Als Bildgrund dienen ihm statt Leinwänden jedoch perforierte Kunststoffflächen, deren Strukturen erst aus einer Gipsschicht herausgefräst, mit Silikon abgeformt und dann in Polyurethan gegossen werden. Ziel dabei ist nicht die technische Perfektion, sondern die Inszenierung von Unregelmäßigkeiten. Schniotalla bedient sich Materialien aus dem Kontext der Repräsentationsarchitektur und setzt den industriellen Herstellungsprozess frei künstlerisch um. Seine skipfields sind bildhauerische Erzeugnisse, durch ihre Hängung und Oberflächenillusion thematisieren sie jedoch auch Fragestellungen der abstrakten Malerei.

Kai Schiemenz’ Pavillons sind begehbare Architekturzitate, die sich zwischen Skulptur, Konzept und Partizipation ansiedeln. Turm, Stadion, Arena, Theater, Kino – Orte, an denen wir uns versammeln, austauschen, Aussichten und Programme verfolgen. Bei Stedefreund zeigt Schiemenz eine Auswahl seiner Pavillon-Modelle: Maßstabsgetreue Miniaturarchitekturen aus Pappe und Holz, die ihren monumentalen und funktionablen Kontext verlieren und wie Kabinettstücke an Übersicht und kostbarer Aura gewinnen. Sie werden durch Modellzeichnungen ergänzt, die in ihrer freien Strichführung den realisierbaren Rahmen zugunsten eines visionären Ausblicks ersetzen.

Berit Hummel 1975, lebt in Berlin / 1998-2004 HGB Leipzig/ 2001 UDK Berlin / www.stedefreund-berlin.de Andreas Lang 1971, lebt in Berlin / 2001-2006 KHB Weißensee / www.stedefreund-berlin.de Julia Oschatz 1970, lebt in Berlin/ 1989–1998 HfG Offenbach, Städelschule Frankfurt / www.juliaoschatz.com / www.galerie-beckers.de / www.tonkonow.com Kai Schiemenz 1966, lebt in Berlin/ 1990–1998 KHB Weißensee, UDK Berlin www.artnews.org/kaischiemenz / www.fahnemannprojects.com Sascha Schniotalla * 1976, lebt in Leipzig u. Berlin/ 1998-2004 HBG Leipzig, KA Düsseldorf

Carla Orthen, Leitung

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ECLIPSE
Kuratorin: Carla Orthen

Künstler: Berit Hummel, Andreas Lang
Gäste: Julia Oschatz, Kai Schiemenz, Sascha Schniotalla