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Eating the Universe. Vom Essen in der Kunst 28. November 2009 – 28. Februar 2010

Eat Art, von Daniel Spoerri als Bezeichnung für Kunst mit und aus Essbarem geprägt, hat in institutionalisierter Form ihren Ursprung in Düsseldorf: 1970 gründete Spoerri am Burgplatz die Eat Art Galerie, für die zahlreiche Künstler Editionen aus essbaren Materialien und Lebensmittelabfällen produzierten. Ausgehend von den Aktivitäten der Galerie verfolgt die Ausstellung in der Kunsthalle Düsseldorf mit einer breit angelegten Bestandsaufnahme aus heutiger Sicht den originären Charakter von Eat Art bis in die Gegenwart. „Eating the Universe“ – ein Titel, den Peter Kubelka, ehemals Professor für Film und Kochen an der Frankfurter Städelschule, in den 1970er Jahren für eine TVSendung über das Kochen als Kunstgattung erfand – zeigt, wie relevant der künstlerische Umgang mit der Grundsubstanz Nahrung bis heute geblieben ist. Als elementare Schnittstelle von Kunst und Leben bekommt er vor dem Hintergrund von Themen wie Überfluss und Hunger, Konsum- und Globalisierungskritik, moderne Ernährungslehren und Koch-Shows, Schlankheitswahn und Fast Food eine neue Aktualität.

Die Ausstellung, die Magdalena Holzhey mit Unterstützung von Renate Buschmann kuratiert, gliedert sich in zwei ineinander greifende Abschnitte. Ein kleinerer historischer Teil widmet sich den Wurzeln der Eat Art sowie der Rekonstruktion der Eat Art Galerie. Zentrale Arbeiten Daniel Spoerris, einige der „Fallenbilder“ und Teile seiner Rezeptbuchsammlung, werden neben den wichtigsten für die Eat Art Galerie entstandenen Multiples gezeigt, darunter Werke von Joseph Beuys, Dieter Roth, André Thomkins, Günther Uecker, Ben Vautier, Günther Weseler und anderen.

Der Hauptteil der Ausstellung präsentiert das breite Spektrum an jüngeren Positionen, die sich mit dem Einsatz alimentärer Materialien beschäftigen. Kochen und Essen als gesellschaftliche und kulturelle Inszenierungen bilden den Ausgangspunkt für Christine Bernhards ethnologisch fundierte Recherchen, Arpad Dobribans kommentierte Gastmahle, Rirkrit Tiravanijas kulinarische Aktionen sowie Dustin Ericksens und Mike Rogers Sammlung von Künstlern benutzter Trinkgefäße. Sonja Alhäuser, Judith Samen und Jana Sterbak verbindet das bildhauerische Interesse am Umgang mit Lebensmitteln, die durch ihre sinnliche, körpernahe und vergängliche Materialästhetik reizen.

An der Grenze zwischen Faszination und Befremdlichkeit bewegen sich die Arbeiten Michel Blazys, in denen Mikroorganismen oder Mäuse zu bildgestaltenden Elementen werden. Spielerisch surreale, abgründige oder groteske Aspekte des alltäglichen Umgangs mit Nahrung thematisieren auf ihre je eigene Weise BBB Johannes Deimling, John Bock, Carsten Höller und Shimabuku. Thomas Feuerstein und Philip Ross züchten in laborartigen Versuchsanordnungen Organismen unter Bedingungen industrieller Lebensmittelproduktion.

Die Küche nicht nur als Labor, sondern als kreativer und sozialer Produktionsort im Allgemeinen wird in der Ausstellung mehrfach thematisiert. Andreas Wegner baut Schütte-Lihotzkys berühmte Frankfurter Küche von 1926 nach und reflektiert ihre sozialen und architektonischen Bedingungen. Christian Jankowski spitzt in seinem „Kochstudio“ ironisch die Medienwirksamkeit und Marktgängigkeit gastronomischer Inszenierungen zu, während Zeger Reyers eine langsam rotierende Küche voller Lebensmittel baut, die sich von einem funktionsfähigen Alltagsgegenstand in einen Abfallcontainer verwandelt. Die hier implizierte Kritik an Verhaltensweisen der Überflussgesellschaft wird ebenfalls von Thomas Rentmeister aufgegriffen, während in Mika Rottenbergs Video-Installationen Konsumwelt und vorindustrielle Produktionsbedingungen in absurden Settings miteinander kombiniert werden. Der Umgang mit dem eigenen Körper, mit Schönheitsidealen und Essstörungen stellt einen weiteren Aspekt der Ausstellung dar und wird von den Künstlerinnen L.A. Raeven und Elke Krystufek aufgegriffen, die wie Paul McCarthy Lebensmittel auch für Tabu brechende Inszenierungen verwenden.

Die Ausstellung umfasst zentrale Leihgaben ebenso wie Arbeiten und Aktionen, welche die eingeladenen Künstlerinnen und Künstler für das Projekt entwickeln werden. Parallel wird ein umfangreiches Begleitprogramm stattfinden. Die Ausstellung wird vom 24. April bis 4. Juli 2010 in der Galerie im Taxispalais Innsbruck gezeigt und vom 18. September 2010 bis 9. Januar 2011 im Kunstmuseum Stuttgart.

Liste der beteiligten Künstlerinnen und Künstler: Sonja Alhäuser, Arman, BBB Johannes Deimling, Christine Bernhard, Joseph Beuys, Michel Blazy, John Bock, Paul McCarthy, César , Arpad Dobriban, Dustin Ericksen / Mike Rogers, Lili Fischer, Thomas Feuerstein, Anya Gallacio, Carsten Höller, Christian Jankowski, Bernd Jansen, Elke Krystufek, Peter Kubelka, Richard Lindner, Gordon Matta-Clark, Antoni Miralda / Dorothee Selz, Tony Morgan, L.A. Raeven, Thomas Rentmeister, Zeger Reyers, Philip Ross, Dieter Roth, Mika Rottenberg, Judith Samen, Shimabuku, Daniel Spoerri, Jana Sterbak, André Thomkins, Günther Uecker, Ben Vautier, Andreas Wegner, Günther Weseler

Begleitend zur Ausstellung erscheint ein Katalog im DuMont Verlag in Deutsch und Englisch mit zahlreichen Farbabbildungen. Er enthält Essays aus kunst-, kulturhistorischer und gastrophilosophischer Sicht von Christiane Boje, Renate Buschmann, Beate Ermacora, Ulrike Groos, Magdalena Holzhey, Elke Krasny und Nikolai Wojtko sowie Künstlertexte von Sylvette Babin, Jörg van den Berg, Elodie Evers, Gerrit Gohlke, Roland Groenenboom, Thomas Hirsch, Magdalena Holzhey, Eva M. Kobler, Michael Krajewski, Harald Lemke, Johannes Meinhardt, Francis Outred, Philip Ross, Dietmar Rübel, Andreas Schlaegel und Henning Weidemann. Umfang ca. 300 Seiten.