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KUB Arena

Die konzeptuellen Arbeiten der spanischen Künstlerin Dora García setzen sich aus Texten, Fotografien, Filmen, Performances und Installationen zusammen und beziehen häufig Akteure aus den Bereichen Performance und Schauspiel oder das Publikum mit ein. Geleitet von dem Interesse, die Grenzen zwischen Realität und Repräsentation, zwischen Improvisiertem und Inszeniertem, zwischen Künstlerin, Werk und Öffentlichkeit herauszufordern, entwirft Dora García einer Regisseurin gleich Geschichten, Szenarien und Situationen, die es ihr erlauben, zu experimentieren, einzugreifen und Erwartungen umzukehren. Fiktion wird als Mittel der Schaffung alternativer Realitätsentwürfe eingesetzt, um die Regeln des Kunstbetriebs und die Rolle, die ein jeder darin einnimmt, zu befragen und zu unterlaufen. Es entstehen ortsspezifische, im Prozess befindliche, performative Ensembles, die den Ausstellungsraum über eine statische Setzung hinaus öffnen.

Dora García nahm bereits an zahlreichen wichtigen Ausstellungen für zeitgenössische Kunst teil, so 2011 bei der 54. Biennale von Venedig, wo sie ein Projekt für den Spanischen Pavillon entwickelte, und 2012 an der dOCUMENTA (13) in Kassel. Ihr prominentestes Projekt der jüngeren Vergangenheit ist The Joycean Society (2013), ein Filmprojekt, in dem sie eine Züricher James-Joyce-Lesegruppe über den Zeitraum von einem Jahr begleitete, um Interpretationsmöglichkeiten und Übersetzbarkeiten von Finnegans Wake zu verhandeln.

Ein Aspekt, der in allen Arbeiten von García auf unterschiedliche Weise zum Tragen kommt, ist das explizite Interesse an Sprache: als Möglichkeit, Gemeinschaften zu schaffen, als Zugangscode für geheime Gesellschaften, als Handlungsraum und damit als Übersetzerin und Konstrukteurin von Realität sowie an Sprache als Struktur des Unbewussten, als Poesie. In ihrer Ausstellung Die Sinthome-Partitur, die sie eigens für die KUB Arena konzipierte, setzt García ihre künstlerische Beschäftigung mit Sprache und damit mit Fragen der Repräsentation und Übersetzbarkeit unter Einbeziehung der lokalen Bevölkerung weiter fort.

  Die KUB Arena öffnet für die Laufzeit der Ausstellung eine zusätzliche Eingangstür an der Seeseite des Kunsthauses: eine Hintertür mit der Aufschrift »Sinthome«. Die Bezeichnung geht auf den gleichnamigen Text des französischen Psychoanalytikers Jacques Lacan, Seminar XXIII — Le Sinthome (1975-1976) zurück, der auch den Ausgangspunkt von Dora Garcías Arbeit bildet. Die Auseinandersetzung mit James Joyce, speziell mit Finnegans Wake, veranlasste Lacan, sein Modell der Borromäischen Ringe (drei Ringe, die so zusammengefügt sind, dass sie auseinander fallen, wenn nur einer entfernt wird) zu überdenken, da sie zur Erklärung des Symptoms Joyce unzulänglich schienen. Lacan entschied, seine Grundtrias von Imaginärem, Symbolischem und Realem, die ihm zufolge Subjekte ausmachen, um ein viertes Element zu erweitern, um das Sinthom (so die alte französische Schreibweise von Symptom). Hierbei handelt es sich um dasjenige Feld, das im Zentrum der drei Ringe entsteht, es bildet sozusagen den Kern des Subjekts und hält den Knoten der drei Ringe zusammen. Die umfunktionierte Hintertür des KUB bietet eine alternative Möglichkeit, die Institution zu betreten, sich diesem verräumlichten Feld hinterrücks zu nähern und gleichzeitig den Objekten und Menschen zu begegnen.

Auf der Grundlage der deutschen Übersetzung des Textes von Max Kleiner (2007), die von dem in Bregenz ansässigen Lacan-Archiv veranlasst wurde, erstellte Dora García eine Partitur, die während der gesamten Ausstellungslaufzeit von je zwei wechselnden Performern aus der Umgebung aufgeführt wird: einmal mit der Stimme in Form einer Lesung, einmal mit dem Körper als Bewegungsabfolge. Das Erdgeschoss des KUB öffnet sich als Bühne für zahlreiche variierende Interpretationen der Partitur, als Raum, in dem die Tiefen des Unbewussten erforscht werden und an dem das Publikum als Performer oder als Beobachter teilhaben kann.