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Ort: Unteres Belvedere

Mit Donna Huanca lädt das Belvedere eine aufstrebende Künstlerin ein, in den historischen Räumen des Hauses einen multisensorischen Kosmos aus Skulptur, Malerei, Videoarbeiten, Klang- und Geruchselementen, sowie Liveperformances zu erschaffen. Die bolivianisch-amerikanische Künstlerin führt Besucherinnen und Besucher vom artifiziellen Licht hin zur Dunkelheit.

In ihrer Inszenierung stellt Donna Huanca im ehemaligen Privatbereich des Prinzen Eugen von Savoyen der selbstbewussten Zurschaustellung männlicher Macht und Potenz ein weibliches Universum gegenüber. Das barocke Schloss wird Schauplatz einer Reise, die als Weg vom Hellen ins Dunkle symbolisch für die Bewegung von oberflächlicher Wahrnehmung zu Einsicht und Erkenntnis führt.

Stella Rollig, Generaldirektorin des Belvedere und Kuratorin der Ausstellung, über ihre Beweggründe, dieses innovative Projekt zu zeigen: „Das Renommee und die Anziehungskraft des Belvedere sehen wir auch als Auftrag, experimentellen Künstlerinnen und Künstlern am Anfang ihrer Karriere eine große Bühne zu geben. Es ist gerade das Flüchtige in Donna Huancas Arbeit, das Vergängliche, das ich mit dem historischen Bauwerk in einen spannenden Kontrast setzen wollte. In einer Zeit, in der darstellende Mittel in der bildenden Kunst große Bedeutung haben, ist Huanca aktuell ebenso radikal und wegweisend wie Tino Sehgal in den Nullerjahren.“

Modelle, deren Körper mit Farben und textilen Elementen gestaltet sind, bewegen sich, lebenden Bildern gleich, konzentriert und meditativ durch die Ausstellung. Sie werden mit historischen Pendants in Form von lebensgroßen weißen weiblichen Skulpturen konfrontiert. Ein Klangteppich unterstreicht den meditativen Charakter der multisensorischen Szenerien.

Der ephemere Charakter der Performances steht im unmittelbaren Dialog mit den Gemälden und Plastiken, die konstanter Bestandteil der Schau sind. Diese Gegenüberstellung von klassischer Skulptur und Liveperformance erzeugt ein Spannungsfeld zwischen Statik und Bewegung, Vergangenheit und Gegenwart. Die an den Wänden hinterlassenen Farbspuren der Modelle machen Zeit sichtbar und sorgen für eine kontinuierliche Transformation des Raums.

„Raum ist aktivierbare Vergänglichkeit. Darin sehe ich die Bedeutung der Modelle: Sie sind Vermittler eines flüchtigen Prozesses, bei dem Raum gemorpht und entwickelt wird. Für die Dauer der Ausstellung existieren die Modelle als ein Atmungssystem, das sich um Zeitlichkeit und Dekonstruktion dreht. Sie vernarben den Raum und lassen danach die Umgebung verändert zurück“, so Donna Huanca.

Modelle als „Originalgemälde“: Die Künstlerin bezeichnet ihre Modelle als „Originalgemälde“. Sie fertigt von ihnen Fotografien an und überträgt diese auf Leinwandbilder, die sie im Anschluss nochmals mit Farbe überarbeitet. Dabei greift Huanca jene Farben und Formen wieder auf, die sie auf die nackten Körper der Performerinnen gemalt hat. So entsteht eine tatsächliche Verbindung zwischen Bildern und Performerinnen. Die menschliche Gestalt kehrt auch in ihren Plastiken und Assemblagen wieder. In der Wahl ihrer Materialien, wie Samt, Latex oder Leder, verweist Huanca auf die Vergänglichkeit körperhafter Existenz. Ihre Videoarbeiten lenken die Aufmerksamkeit auf die menschliche Haut als vielschichtige Oberfläche, durch die wir die Welt erfahren. Durch das Verschmelzen von Modell, Farbe und Materialien in Nahaufnahmen entstehen sich bewegende Bilder.

Der Titel Piedra Quemada, frei übersetzt mit „brennender oder verbrannter Stein“, verweist auf Huancas Auseinandersetzung mit ihrer bolivianischen Herkunft und den Weltvorstellungen der Inka. Die widersprüchliche Kombination der beiden Begriffe „piedra“ und „quemada“ thematisiert die Dualität, die sich durch das gesamte Ausstellungskonzept zieht: Helligkeit versus Dunkelheit, Unwissenheit versus Weisheit, Jugend versus Alter.

Diese Gegensätze sind wichtige Aspekte ihrer Arbeit. Sie finden sich auch in den Fresken des Belvedere wieder. Huanca bezieht sich in ihrer Arbeit in vielerlei Hinsicht auf das Gebäude. So entdeckt man etwa Szenen und Motive von Übergang und Wandel in Huancas Arbeiten ebenso wie in den Räumlichkeiten des ehemaligen Lustschlosses. Ausgehend von den Besonderheiten der barocken Architektur gestaltet die Künstlerin die Abfolge ihrer Arbeiten analog zum spiegelgleichen Grundriss des Gebäudes symmetrisch vom Marmorsaal aus.

Donna Huanca, 1980 in Chicago geboren, studierte Malerei an der Städelschule in Frankfurt am Main, der Skowhegan School of Painting and Sculpture in Maine und der University of Houston in Texas. Piedra Quemada ist Donna Huancas erste große Einzelpräsentation in Österreich, bisherige Museumsausstellungen fanden etwa 2016 in der Zabludowicz Collection in London oder 2018 im Yuz Museum in Schanghai statt. Die Künstlerin lebt und arbeitet in Berlin. Ihr multidisziplinäres Schaffen verbindet Elemente aus Musik, Performance oder Malerei und umkreist die Themen Weiblichkeit und Geschlechteridentitäten sowie die damit verbundenen Stereotype und Vorurteile. Die Beschäftigung mit dem menschlichen Körper, seiner Präsenz im Raum, sowie sein Einsatz als Material und Medium der Kunst sind zentrale Aspekte in Huancas multidisziplinären Werken. Wiederkehrend in ihren Arbeiten ist auch der Bezug auf ihre bolivianischen Wurzeln, den sie unter anderem über Elemente wie Wall Rubbing oder die Körperbemalung herstellt.

„Was ich an meinen Arbeiten besonders mag, ist das Erleben der Performance, diesen Augenblick, in dem man noch nicht weiß, wo die Grenzen liegen, wo sich alles abspielen wird, ob man den Performerinnen nahekommen kann oder nicht. Ich mag diese unangenehme Spannung, die aus der Situation des Live Events entsteht.“ (Donna Huanca)