press release only in german

link:
Online Viewing Room Domestic Drama

*

04.12.2021–20.02.2022
Eröffnung: 03.12.2021, 18:00–21:00 Uhr

Domestic Drama

Künstler_innen der Ausstellung
Larry Achiampong, Ayo Akingbade, Aram Bartholl, Camille Blatrix, Oscar Enberg, Vera Frenkel, Nigel Gavus & İlkin Beste Çırak, Antony Gormley, Mona Hatoum, Kaarel Kurismaa, Nicola L., Bertrand Lavier, Olu Ogunnaike, Laura Põld, Bruno Zhu

Kuratorin
Cathrin Mayer

"Alle Gegenstände, die uns umgeben, haben eine eigene Seele, haben menschliche Qualitäten, weil sie nur in einer menschlichen Welt existieren. Es gibt eigentlich keine Gegenstände, die der Mensch wahrnimmt. Es gibt keine rohen, unmenschlichen Objekte. In dem Moment, in dem Möbel, Häuser, Brot, Autos, Fahrräder oder andere Produkte in unserem Leben auftauchen, sind sie mit uns verbunden, sie sind menschlich."
Ernest Dichter, The Strategy of Desire, Martino Publishing, Mansfield, 2012. S. 93.

Der österreichisch-amerikanische Psychologe Ernest Dichter verfasste 1960 die Publikation The Strategy of Desire, in der er seine wichtigsten Ideen zur Entwicklung der Markt- und Motivforschung niederlegte. Auf Basis der Freud'schen Psychoanalyse entwickelte Dichter Methoden, die er auch als „Kunst der Einflussnahme” bezeichnete um das Verlangen nach neuen Waren stetig zu steigern. Im Zentrum seines Denkens liegt die Annahme, dass der Mensch Entscheidungen auf Basis von Emotionen und nicht auf Grund von rationalen Überlegungen trifft.

Die großangelegte Gruppenausstellung Domestic Drama stellt einen Versuch dar, diesen von Dichter beschriebenen „Seelen“, die vermeintlich in unseren Alltagsgegenständen schlummern, nachzuspüren und sie heraufzubeschwören. Als Schauplatz dieser Suche dient ein Ort, der in hohem Maß durch Emotionen geprägt ist: das „Zuhause”. An kaum einem anderen Schauplatz als in den eigenen vier Wänden offenbaren sich sonst oft nicht immer unmittelbar fassbare aber wesentliche Kategorien wie unsere soziale, ökonomische, ethnische und geschlechtliche Zugehörigkeit. Wohnen an und für sich kann unmittelbar über gesellschaftliche Zugehörigkeit und Teilhabe bestimmen, nämlich genau dann, wenn jenes Grundbedürfnis nicht erfüllbar oder prekär ist.

In unserer unmittelbaren Gegenwart, die durch die anhaltende Corona-Pandemie geprägt ist hat sich dieser Umstand deutlicher denn je gezeigt: Das „Zuhause” wandelte sich vom Rückzugsort zur permanenten Produktionsstätte, in der unter anderem die Grenzen zwischen Privatem und der Arbeitswelt verschwinden und daraus resultierende Konflikte, die vormals im Außen stattfanden, im Inneren der Privatsphäre ausgetragen werden.

Domestic Drama stellt einen Versuch dar Alltagsobjekte nicht als Werkzeuge und Objekte des Gebrauchs zu verstehen, sondern als Repräsentanten von eben diesen Konflikten, aber auch Wünschen und Verlangen, die unsere Identitäten prägen. Entgegen einer rein didaktisch-analytischen Annäherung an das Thema möchte die Ausstellung unmittelbar durch unterschiedliche ästhetische und konzeptionelle Strategien einen physischen wie psychologischen Raum schaffen, in dem die oben beschriebenen Prozesse und Mechanismen erfahrbar gemacht werden.

Neben den Konzepten von Ernest Dichter spielen auch die Theorien der renommierten Architekturtheoretikerin Beatriz Colomina eine wichtige Rolle. In ihrem Essay The Split Wall: Domestic Voyeurism (1992) prägt Colomina den Ausdruck „Domestic Drama“, der titelgebend für die Ausstellung ist. Sie widmet sich hierbei architektonischen Konzepten des Wohnraums, die in ihrer Gestaltung bühnenähnliche Situationen entstehen und gleichermaßen die sich darin befindenden Subjekte wie Objekte zu Protagonist_innen eines „häuslichen Dramas” werden lassen.

So erhalten die Architektur und die Ausstellungsräume der HALLE FÜR KUNST Steiermark ein theatralisches „Makeover”: Der portugiesische Künstler Bruno Zhu (*1991 Porto, lebt in Amsterdam und Viseu) entwickelt eine ortsspezifische Ausstellungsarchitektur im Dialog mit den ausgestellten Werken. Ausgehend von seinem technischen Wissen im Bereich der Mode und des Raumdesigns stellt Zhu Objekte her, die gleichzeitig die Spannung zwischen dem „Gewöhnlichen“ und dem kulturell Fremden verkörpern. Seine hybridisierten Objekte stehen in einem ständigen Spannungsverhältnis zu ihrer Umgebung und setzen sich mit den Mechanismen symbolischer Repräsentation auseinander.

Domestic Drama möchte durch den bewusst „theatralen Auftritt“ der künstlerischen Arbeiten und die gattungsüberschreitende Art der Inszenierung des Wohnraums eine körperliche Teilhabe beim Publikum herausfordern. Im weiteren Schritt erkennt die Ausstellung Emotionalität als einen wichtigen Faktor für unser Handeln an, das längst nicht mehr autonom von uns selbst sondern auch durch die uns umgebenden Objekte und Prozesse gesteuert wird. Die poetische aber dennoch subversiv-kritische Narration, die in Domestic Drama gesponnen wird, versucht so die Vielschichtigkeit der Fragen, Probleme und Mechanismen, die in unserem Alltag im „Zuhause” auftauchen, ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken.

Kuratiert von Cathrin Mayer