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Kaiser Wilhelm Museum

Digital Spaces II
Yves Netzhammer - Das Gefühl präziser Haltlosigkeit beim Festhalten der Dinge
Eine Ausstellung im Wilhelm Lehmbruck Museum, Duisburg und Kaiser Wilhelm Museum, Krefeld
Kuratorinnen: Dr. Beate Ermacora, Krefeld, Dr. Sabine Maria Schmidt, Duisburg

Die Stiftung Wilhelm Lehmbruck Museum, Duisburg und die Krefelder Kunstmuseen realisieren mit der Präsentation des Schweizer Künstlers Yves Netzhammer eine zeitlich parallel laufende und inhaltlich komplementäre Ausstellung an zwei Stationen. Netzhammer zählt zu den ungewöhnlichsten Talenten der jungen Schweizer Medienkunstszene.

In den „eigenartigen“ Bildwelten von Yves Netzhammer, die in der Sprache der Zeichnung wurzeln, gibt es keinen Stillstand. Seine Motive verwandeln sich zu ständig neuen Erzählfragmenten voll unheimlicher Poesie. Ausschließlich über den Computer generiert existieren seine Bilder in ihrer Substanz rein digital. Die dadurch gegebenen Übertragungsmöglichkeiten der Bilder in andere Medien führen weit über die klassische Werkkategorisierung als eine in sich abgeschlossene, ästhetisch gestaltete Einheit, hinaus. So können animierte Filme mit Skulpturen und Objekten zu raumgreifenden Installationen ergänzt werden, Bilderfindungen erobern als Folienzeichnung die Wände, Videostills werden zu autonomen Einzelbildern als Druckgrafiken, Zeitungsbeiträge oder Plakate weiterentwickelt.

Konstruktionsgesetze und Versuchsanordnungen in Netzhammers Welt sind einem „Möglichkeitssinn“ (Musil) unterworfen und sprengen unsere gewohnten Erfahrungen. Sie gestatten es, den Körper mit allen Facetten in seiner Beziehung zum Denken weiter zu fassen. „Ich versuche, mit Gegenständlichem und in einer zeichenhaften Sprache über Abstraktes nachzudenken“ (Yves Netzhammer). Seine „Stellvertreterfigur“, eine mit einer glänzend rosafarbenen Oberfläche ausgestattete gesichts- und geschlechtslose Figur, lässt alle - oft grotesken - Erfahrungen reglos über sich ergehen und überträgt ihr emphatisches und emotionales Potential um so direkter auf den Betrachter.

Es sind endlose Kettenreaktionen, die durch das Aufeinandertreffen von Menschen, Dingen, Bäumen, Vögeln, Räumen oder Kugeln in Gang gesetzt werden und die niemals wieder zum Ausgangspunkt zurückfinden. Jede Berührung zieht tiefgreifende Veränderungen nach sich, die das Berührte wie den Berührenden in einen neuen Seinszustand versetzen, der irreversibel ist. Ausgehend von der Annahme, dass der Körper das primäre Instrument der Weltwahrnehmung und- aneignung darstellt, dessen Überlebensstrategien aus einem ständigen Prozess von Aufnehmen, Abgeben und Anpassen bestehen, reflektiert der Künstler modellhaft die Verfassung des Individuums ebenso wie unsere gegenwärtige Lebenswelt.

Die Künstlichkeit seiner Bilderströme rührt um so mehr angesichts ihrer Stille, ihrer gedehnten Zeitmodellierung, ja ihrer Zärtlichkeit. Sie trifft auf unsere grundlegenden und empfindlichsten Fragen des Lebens: Krankheit und Liebe, körperlicher Zerfall, Sexualität und Tod. Sie führt das Paradoxon auf, dass virtuelle, künstliche Bilder Verstrickungen und Bedingungen des menschlichen Daseins fühlbar werden lassen.

Im Kontext der zeitgenössischen Medienkunst bezieht Netzhammer eine originäre Position, die sich auch an außerkünstlerischen digitalen Bildproduktionen messen lassen kann. Es gelingt ihm, Fragestellungen, die ursächlich mit neuen technologischen Entwicklungen und Erkenntnissen in Zusammenhang stehen, mit psychologischen und kulturgeschichtlichen Inhalten zu einem dichten Gewebe zu verbinden. Seine Bildentwürfe bewegen sich im Spannungsfeld zwischen den realen Anliegen der Wissenschaft und den spekulativen, sich meist diametral entgegenstehenden Visionen von Kommerz und Kunst.

Yves Netzhammer (*1970 in Schaffhausen) studierte an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Zürich Visuelle Gestaltung. In den letzten Jahren wurden seine Arbeiten auf zahlreichen Gruppenausstellungen u.a. beim „Steirischen Herbst“ in Graz, ebenso wie im ZKM in Karlsruhe und der Kunsthalle Brügge vorgestellt. Von seinen Einzelausstellungen hat besonders die in diesem Jahr erfolgte Präsentation im Helmhaus in Zürich mit der Folgestation im Stuttgart für breites Echo gesorgt.

In Duisburg wird eine neue dreiteilige synchrone DVD-Projektion gezeigt, die in Kombination mit anderen Elementen wie Licht und Objekten zu einem raumgreifenden, erzählerischen Ausstellungsparcours verschmilzt.

Für das Kaiser Wilhelm Museum Krefeld hat Netzhammer eine mehrteilige, großflächige Wandzeichnung entwickelt, die mit Folien übertragen wird und inhaltlich mit weiteren Videoinstallationen verknüpft ist. Die Ausstellung wird im Rahmen der Projektreiche „Digital Spaces“ im Kaiser Wilhelm Museum ausgerichtet. Pressetext