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Vernissage: Sonntag, 10. Juni, 11 - 20 Uhr

Galerie Eva Presenhuber freut sich, diesen Sommer nach einer umfassenden Präsentation des druckgrafischen Werkes von Dieter Roth (1930 – 1998) im Jahre 2003 eine Ausstellung mit über 500 Zeichnungen des Künstlers zu zeigen.

Das gezeigte Werkkonvolut umfasst 37 in der Zeitspanne von 1977 - 1990 entstandene Zeichnungsgruppen, von denen die meisten von Dieter Roth als fotokopierte Kopiebücher in kleiner Auflage herausgegeben wurden. Die von Roth nach ihrer Ausführung zu Buchunikaten gebundenen Originalzeichnungsgruppen jedoch wurden – mit Ausnahme von vereinzelten Geschenken und Verkäufen an enge Freunde – als zentraler Werkblock zeitlebens unter Verschluss gehalten. Mit dem vorliegenden Ausstellungsprojekt werden diese privaten Kostbarkeiten aus dem Dieter Roth Estate in einer beinahe vollständigen Gesamtschau erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Eine dezidiert subjektive Zeit- und Weltwahrnehmung prägt - nach einer Phase der Auseinandersetzung mit der konkreten Kunst in den 50er Jahren - das ausufernde Schaffen dieses Universalkünstlers des 20. Jahrhunderts. Roths zu Beginn der 60er Jahre einsetzender experimenteller Umgang mit Medien und minderwertigen, vergänglichen Materialien ist nicht nur Ausdruck einer Dekonstruktion von Hierarchien, sondern zugleich auch einer konsequent existentiellen Haltung, eine lebendige Kunst jenseits etablierter Ausdrucksformen zu schaffen. Mit der zunehmenden Subjektivierung des bildnerischen (und sprachlichen) Ausdrucks entfaltet Dieter Roth nunmehr einen Diskurs über die Prozesse von Wandlung und Vergänglichkeit alles Bestehenden einer Realität, die sich weniger über Begriffe als vielmehr über die subjektive Wahrnehmung definieren lässt. Dies führt ihn zugleich zu einer immer stärkeren Betonung des aus der eigenen Existenz genährten künstlerischen Prozesses, in dem das fertige Resultat in den Hintergrund tritt.

Vor diesem Hintergrund wird ersichtlich, weshalb Roth das Zeichnen, wie das Schreiben, immer mehr als sein wichtigstes und persönlichstes Ausdrucksmittel betrachtet. Wie wohl kein anderes Medium ermöglicht das Zeichnen die unmittelbare Darstellung der Dualität von Beschreiben und Erkennen bewusster und verborgener Wahrnehmungen ("Das Sehen ist ein Darstellen"). Gleichzeitig erlaubt das Arbeiten in der Serie die Entwicklung eines permanent fliessenden Gedankenflusses, während die energetische Qualität der Linie die Übertragung und Sichtbarmachung der momentan psychischen Verfassung zulässt.

Selbstbezogenheit, Verwandlung, Veränderung und Variation benennen die konstitutiven Merkmale der gezeigten Zeichnungsgruppen, die bis auf wenige Ausnahmen im DIN A4-Format ausgeführt sind. In den meisten Gruppen bedient sich der Künstler der sinnlichen und vieldeutigen Qualität der Bleistiftlinie. In anderen Zeichnungen experimentiert er mit malerischen Techniken, wo er mit Tinte und Filzstift zeichnet, die Bleistiftzeichnung überzeichnet oder in breiter Pinselführung mit Gouache übermalt.

Der Werkblock setzt mit Arbeiten aus der zweiten Hälfte der 70er Jahre ein, die thematisch um das eigene Selbst kreisen und dessen Befindlichkeiten reflektieren. Oftmals an einem Tag innerhalb kurzer Zeit entstanden, sind sie als visuelle Tagebücher zu lesen, die der Niederschrift von Emotionen und der Weiterentwicklung von Bildideen dienen. So mancher Titel verweist auf die Umstände des Machens - unvollendete, gescheiterte, verzweifelt oder nur flüchtig hingeworfene Zeichnungen, in denen sich der Künstler mit seinem Alter Ego konfrontiert. Er lässt sich fallen in ein gestisches, fliessendes und bisweilen rotierendes Kunterbunt von menschlichen und tierähnlichen amorphen Formen und visionären Erscheinungen und kämpft in Gestalt von phantastischen Bildwucherungen und Metamorphosen um und mit seiner Identität. Und mit ihm der Betrachter, dessen Auf- und Nachspüren der Linie und die sich hierbei entwickelnden Assoziationen wesentlicher Bestandteil des Bildfindungsprozess sind. Für weitere Fragen kontaktieren Sie bitte Claudia Klausner in der Galerie. Anlässlich der Ausstellung erscheint bei JRP | Ringier das Buch Dieter Roth – Zeichnungen mit einem Text von Veit Loers.

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