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Keren Cytter zeigt in „Disillusioned Love 2" (2003) ein Paar, dem die Liebe abhandengekommen ist und das sich in einem Netz von Lügen, Eifersucht und dem Wunsch nach Neuanfang verstrickt. Mit standardisierten Textbausteinen versichert es sich zwar seiner Liebe („Do you love me? - „Sure"), misstraut sich aber gegenseitig („Where dou you go all the time?"). Heimtückisch mischt einer dem anderen Gift ins Essen, sobald sich der Partner abwendet. Die Situationen wiederholen sich in Loops und werden nur leicht variiert. So wird die Spannung zwischen Liebe, Hinterhalt und Kaltblütigkeit nicht gelöst, das Geschehen bewegt sich zwischen Telenovela und Krimi.

Auch die anderen Filme in dieser Ausstellung sind mehrfach kodiert, d.h. jeder Film macht formale Anleihen bei mehreren Genres gleichzeitig, wie z.B. Horror und Splatter. Jean Rollin, der französische Horrorfilmregisseur und Vorbild für die Videokünstlerin Aïda Ruilova, liegt in „life like" (2006) totenstarr auf einem Bett. Eine junge, bleiche, schwarzhaarige Frau berührt ihn zunächst so, als wolle sie ihm die Augen schließen, versucht ihn dann jedoch zum Leben zu erwecken. Dabei deutet sie mit ihrem Becken eine sexuelle Handlung an. Die Darstellerin scheint die Ideen aus Rollins Werken auszusaugen wie eine der Figuren aus seinen Filmen. Hier paart sich der Softporno mit dem Vampirfilm.

Der Betrachter kann in diesen Filmen nie nur einem einzigen Erzählstrang folgen oder sich einer einzigen Erzählperspektive hingeben, sondern stößt immer auf die Bruch- und Nahtstellen der unterschiedlichen Genres. Die geschlossene Form des Spielfilms mit all den Mechanismen der Zuschauerverführung und dem Versprechen von Lustgewinn ist sowohl formal als auch inhaltlich aufgebrochen und außer Kraft gesetzt. Insofern widersetzen sich alle hier ausgesuchten Arbeiten „der Bildpolitik ihres Entstehungszeitraums zwischen 1998 und 2008 - einer Dekade, die der erhitzten Begehrensökonomie vollständig erlegen war", resümiert Gastkurator Gürsoy Doğtaş.

In Annika Larssons Film „Dog" (2011) verbirgt sich das Begehren in einem erotisch aufgeladenen Machtgefälle. Die beiden männlichen Darsteller in Business-Anzügen werden vornehmlich aus der Untersicht gefilmt, aus der sonst Filmhelden in Szene gesetzt werden. Die Perspektive der Unterwerfung findet im Rollenverhalten zwischen den beiden eine Entsprechung: Der Hundebesitzer scheint den jüngeren Mann zu dressieren. Wie Fetische werden die schwarzen Lederhandschuhe und die Kette eines Jagdhundes, die von dem behandschuhten Besitzer gehalten wird, in Nahaufnahmen gefeiert. Gemeinsam mit der feierlichen Musik des ‚Ägyptischen Marsches‘ von Johann Strauss verstärkt diese ‚Amerikanische Einstellung‘ die Illusion des Westernhelden, der traditionell vom Kopf abwärts bis zum Colt gezeigt wird.

„Pink Ball" ist nach einem ähnlichen Gestaltungsmuster komponiert. Diesmal verfügen zwei Männer am Meer über einen gestrandeten Nackten. Larsson kommt ganz ohne explizite Sexszenen aus, und lässt doch mit Darstellern, die auch in Pornofilmen tätig sind, ein Tableau der Unterwerfung entstehen. Sie richtet die patriarchale Perspektive, wie sie für den Spielfilm üblich ist, nicht auf Frauen, sondern färbt das Szenario homoerotisch. Wie in „Dog" ist das Machtverhältnis zwischen den drei Männern lustvoll aufgeladen. Sexuelle Erwartung liegt in der Luft, aber sie entwickelt sich nicht zu einer Handlung.

Eine Männerstimme aus dem Off liest in „Laterally Yours, 154 Days" (Shahryar Nashat, 2002) Aufzeichnungen vor, in denen die physischen und psychischen Widerstände einer Haft protokolliert sind. Ab dem 135. Tag entwickelt der Häftling Phantasien des Ausbruchs. Sie weichen später Träumen, in denen er sich mit seiner Unterordnung und Domestizierung arrangiert. Die Bilder hierzu wiederholen sich loopartig. Der Blick der Kamera ist unpersönlich. Er erinnert an das panoptische Blickfeld einer Überwachungskamera. Die Zuschauer nehmen die womöglich lüsterne Position eines Beobachters ein, der meint über die Darsteller verfügen zu können.

Jeanne Faust siedelt ihr Roadmovie „Rodeo" in einem norddeutschen Hafenambiente an. Typisch für das Genre sind das Fluchtauto - hier ein Plymouth Fury - sowie das Liebensabenteuer. Doch im Unterschied zum Hollywoodkino ermöglichen sie den Protagonisten von „Rodeo" nicht den ersehnten Ausweg aus ihren lebensweltlichen Verwicklungen.

Erotische Versprechen und Sehnsüchte sind in all diesen Filmen sehr präsent, werden aber entweder nicht eingelöst oder bringen nicht die gewünschte Erlösung. Die Werkauswahl deckt bewusst nur den Eros bzw. seine kalt libidinöse Spielart ab. Eine zärtlichere oder wärmere Form von Liebe wird nicht behandelt. Gerade durch ihre Abwesenheit verwandelt sie sich jedoch in einen Ort der Sehnsucht.

Im Jahr 2011 hatte die Ausstellung „Aschemünder" den Auftakt der Kooperation zwischen Sammlung Goetz, Medienkunst und Haus der Kunst gebildet. In den 14 kabinettartigen Räumen des Luftschutzkellers im Haus der Kunst wird seitdem regelmäßig eine Auswahl aus ihrer Sammlung von Film- und Medienkunst gezeigt. „Die kalte Libido" ist Teil 8 dieser Kooperation.