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Die Ausstellung »Der Schmerz sitzt tief« fokussiert internationale Gegenwartskunst von Frauen, die sich aktuell Phänomenen wie Verlust, Trauer und Schrecken widmet.

Die Künstlerinnen realisieren für die Darstellung schmerzender Prozesse und Empfindungen keine blutrünstigen Horrorszenarien, sondern versuchen vielmehr, Bilder zu kreieren, die unsere Vorstellungen und Wahrnehmungen von Leid visuell prüfen. Es scheint gerade heute in einer aufgeklärten, über alles informierten, globalisierten Welt den Künstlerinnen wichtig, zu zeigen, dass Theorie und Praxis von Unheil und Schmerz zweierlei sind und Sachkenntnis nicht automatisch die Tugenden Mitleid und Hilfsbereitschaft hervorbringt. Die Unfähigkeit, am Schmerz anderer tatsächlich teilnehmen zu können, löst oft ein Gefühl der Beklemmung aus, das schmerzlich sein kann, wenn man sich dessen bewusst wird.

So loten die Künstlerinnen die Unterschiede zwischen gesehenem und erlittenem Schmerz, zwischen Kenntnis und Erfahrung von Leid, aber auch von Gut und Böse aus. Einige hinterfragen dafür Identitäten, ethnische, rassische, kulturelle und individuelle, und schlüpfen selbst in andere Rollen. Den Betrachtenden ist das Erkennen klarer Grenzen erschwert, sie se-hen Zwischenbereiche und treten ein in Schwellensituationen, die nicht nur Schmerz vorstellbar machen, sondern auch von der Bereitschaft erzählen, anderen als vermeintlich befreiendem Weg Vergleichbares zuzufügen.

Die Frage nach dem eigenen Ich wird von den Künstlerinnen gleichzeitig auch als ein Appell zur Anteilnahme und Beschäftigung mit anderen Schicksalen verstanden. Auch wenn Julie Mehretu in dem ausgewählten Beispiel den Einzelnen verschwinden lässt und für globales Leid eine vielschichtige Zeichenwelt als objektive Entsprechung des Verhältnisses vom Individuum zur Welt entwirft, erforschen Künstlerinnen wie Anneè Olofsson, Mathilde ter Heijne, Vibeke Tandberg und Sigalit Landau Identitäten und nutzten ihren eigenen Körper als künstlerisches Material. Trotz unterschiedlicher Techniken der Zeichnung, der Collage, der Fotografie, der digitalen Bildmontage oder des Filmes ist allerdings allen eine Arbeitsweise des Zusammenfügens von Vorlagen des Schmerzes aus der Kunstgeschichte, aus der Literatur oder aus jüngsten Medien verbreitungen wie dem Internet gemein.

Es scheint den Künstlerinnen dabei wichtig zu sein, die Bildstrategien von Massenmedien aufzuzeigen, denen wir unaufgefordert permanent begegnen, um diese schlussendlich entlarven zu können. Miwa Yanagi beispielsweise arbeitet mit der Perfektion einer kommerziellen Werbefotografin. Sie nutzt in ihren Großfotos die Ästhetik der Konsumwelt, um diese dann gezielt attackieren zu können. Listig greift auch Ellen Gallagher in die Sprache der Werbung ein. Kara Walker greift die Scherenschnitttechnik des 19. Jahrhunderts auf, um den Blick des Betrachters zu schulen. Schaue hin, prüfe und gebe dich nicht mit einem flüchtigen Eindruck und einer vorgefassten Meinung zufrieden, scheint den Bildern als Botschaft eingeschrieben. Sigalit Landau prüft unsere Bilderfahrung besonders eindringlich. Auch wenn sie sich nicht verletzt, da die Dornen des Stacheldrahts nach außen gerichtet sind, hat man schon beim ersten Blick auf ihren Hula-Hoop-Tanz Furcht weiterzuschauen. Es ist, als wenn die Bilder des Schreckens, auch wenn wir sie nicht derart erlebt haben, bereits in unserem Kopf vorhanden sind und nun wachgerufen werden. Die Bilderflut bewegt sich rasant, daran besteht kein Zweifel beim Blick auf die Dichte und Schnelligkeit der täglichen Nachrichten im weltweiten Datennetz. Aber kein sehnsüchtiges Zurückschauen nach vergangenen Zeiten ist gefragt, sondern das Hier und Jetzt ist relevant, wird entscheidend für unser Handeln, wenn uns jemand begegnet, der vielleicht unsere Hilfe braucht. Die Künstlergruppe Famous Five (F5) zeigt in ihrer Videoinstallation, dass wir wählen können. Dafür dem Publikum der Ausstellung den Blick zu öffnen, ist die Intention von »Der Schmerz sitzt tief«.

Eröffnung 15. Februar

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Der Schmerz sitzt tief
Kurator: Beate Kemfert

Künstler: F5 , Ellen Gallagher, Mathilde ter Heijne, Sigalit Landau, Julie Mehretu, Annee Olofsson, Vibeke Tandberg, Kara Walker, Miwa Yanagi