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Die Ausstellung »Demanding Supplies – Nachfragende Angebote« gliedert sich in drei aufeinander aufbauende Phasen. Sie zeigt verschiedene künstlerische Positionen zum Thema Kunst und Markt. In der zuvor von der Gruppe nOffice (Markus Miessen, Ralf Pflugfelder, Magnus Nilsson) realisierten Ausstellungsarchitektur »Enabling Space« entfalten sich in Phase 2 des Projekts – »Trans-Actions« – zwei räumlich und inhaltlich benachbarte Präsentationen: »Secrétaires« und »Dealing with— Einige Bücher, Bilder und Arbeiten zu American Fine Arts, Co.«.

Mit dem Fallbeispiel der New Yorker Galerie American Fine Arts, Co. wird ein Phänomen der jüngsten Kunstgeschichte thematisiert, das die üblicherweise als Gegensätze betrachteten Formen von händlerischer und künstlerischer Praxis in einer distinktiven Form zusammenführte. So handelte es sich bei der vom US-amerikanischen Kunsthistoriker James Meyer kuratierten Ausstellung »What happened to the Institutional Critique?« um einen kommerziell schwer verwertbaren, inhaltlich jedoch wegweisenden Beitrag zum institutionskritischen Diskurs – und dennoch um eine Verkaufsschau in den Räumen dieser Galerie. Die Ausstellung fand sich im Programm von American Fine Arts, Co. neben Versuchen der Überschreitung traditioneller Rollen des Kunstfeldes in Richtung massenkultureller Appropriationen, wie sie insbesondere vom Kollektiv Art Club 2000 verfolgt wurden.

Auch Colin de Land (1955-2003), der Gründer und Inhaber der Galerie, dem mittlerweile selbst ein legendärer Status zukommt, agierte auf den ersten Blick widerspruchsvoll. Das Programm der Galerie und die daran anknüpfenden Aktivitäten zeichneten sich nicht durch vordergründige Kohärenz aus; de Land war unter verschiedenen Pseudonymen selbst in die Konzeption künstlerische Projekte involviert, realisierte kunsttheoretische Seminare für Sammler/innen, die nicht zuletzt wiederum dem finanziellen Erhalt der Galerie dienten, war aber auch maßgeblich an der Gründung der Armory Show beteiligt, die heute zu den bedeutendsten internationalen Kunstmessen zählt.

An diesem Beispiel werden gleichermaßen Prozesse der zunehmenden Dekonstruktion eines auf Autonomie gegründeten Kunst- und Kritikbegriffs wie einer wachsenden professionellen Flexibilisierung deutlich. »Dealing with— « fragt nach den Erscheinungen, Bedingungen und Konsequenzen solcher Tendenzen zur Entdifferenzierung im künstlerischen Feld. American Fine Arts, Co. fungierte für viele der heute etablierten Künstler/innen als frühe Plattform und maßgebliche Quelle von Inspiration. Was lag dem historischen Moment dieses eigenwilligen Gruppenportraits des künstlerischen und theoretischen Diskurses im späten 20. Jahrhundert zugrunde? Wie erlangte es symbolischen und materiellen Wert? Und wie lassen sich seine distinktiven Strategien analysieren und diskutieren, ohne dem Reiz hagiographischer Rekonstruktion zu erliegen? Auch für die gegenwärtige Generation junger Kurator/innen, Kritiker/innen, Kunsthändler/innen und Künstler/innen bleibt die Galerie Faszinosum – zugleich wirft sie eine Reihe von Fragezeichen auf.

»Dealing with— « wurde in Kooperation mit dem kuratorischen Team der Halle für Kunst – Valérie Knoll und Hannes Loichinger – sowie dem Berliner Kunsthistoriker Magnus Schäfer entwickelt und realisiert. Die Ausstellung gibt einen differenzierten Einblick in Archivbestände und künstlerische Fragenkomplexe des weit über New York hinausreichenden kreativen Feldes, in dessen Zentrum American Fine Arts, Co. situiert war. Innerhalb von »Dealing with— « wird die Auseinandersetzung über das Wechselspiel von symbolischer und materieller Valorisierung, von Konformität und Devianz, von Verneinung und Affirmation des Ökonomischen im künstlerischen Feld exemplarisch anhand von American Fine Arts, Co., aber auch in allgemeinerer Form geführt.

Die Halle für Kunst zeigt eine umfangreiche Präsentation der Galeriebibliothek, von Künstler/innen und Kunsthistoriker/innen eigens in Vitrinen arrangierte, erstmals gezeigte Dokumente aus dem Galeriearchiv sowie eine Auswahl von künstlerischen Arbeiten, an deren Entwicklung Colin de Land selbst beteiligt war. Für den Kunstraum der Leuphana Universität Lüneburg übersetzen Stephan Dillemuth, Karl Holmqvist, Loretta Fahrenholz und Phillip Zach diese Fragen in neue künstlerische Arbeiten: Stephan Dillemuth reflektiert seine Zusammenarbeit mit Colin de Land über eine Neupräsentation spezifischer Versatzstücke seiner Ausstellungen bei American Fina Arts, Co. Gemeinsam mit dem Kurator Axel John Wieder wird er sein Vorgehen, das er als »bohemistische Forschung« bezeichnet, in einem Künstlergespräch diskutieren. Karl Holmqvist – seit längerer Zeit aktiver Benutzer der Galerie-Bibliothek – nimmt eine bezeichnende Auswahl bestimmter Titel der Kollektion vor. Die Filmemacherin Loretta Fahrenholz zeigt ihren Spielfilm »HAUST« (2010). Begleitend ist ein Einblick in die Sammlung von Video- und Super-8-Filmen von Colin de Land, heute im Besitz der Archives of American Art am Smithsonian Institute in Washington, zu sehen. Phillip Zach schließlich recherchierte für die Ausstellung im Nachlass von American Fine Arts, Co. in New York. Fragmenten seiner diskursiven Funde kann man in einer die Ausstellungsräume durchquerenden Textinstallation begegnen. In beiden Orten der Ausstellung finden zusätzlich Seminare, Workshops und Vorträge statt.

Parallel zu dieser Thematisierung des Phänomens der Mechanismen künstlerischer Märkte beleuchtet die Künstlerin Carissa Rodriguez das Problem der professionellen Verortung in der Kunstwelt. Auch sie agiert in einer Doppelrolle. Einerseits stellt sie als Künstlerin selbst in Galerien aus, andererseits fungiert sie als Co-Direktorin der New Yorker Galerie Reena Spaulings Fine Art, benannt nach einer Romanfigur aus der Feder der Künstlergruppe Bernadette Corporation. Die Beschäftigung mit den Arbeitsbedingungen für Künstler/innen auf dem Kunstmarkt nimmt daher in Rodriguez’ Werk einen maßgeblichen Stellenwert ein. Gezeigt wird ihre raumgreifende Installation »Secrétaires«. Sie umfasst ein Arrangement aus dysfunktionalen Schreibtischmöbeln, kombiniert mit einer von der Künstlerin vorgenommen Auswahl von Anzeigen aus dem Kunstmagazin Artforum, das nicht zuletzt für die Verbindung von avanciertem Kunstdiskurs und exzessiver Galerienwerbung bekannt ist. Für die Präsentation im Kunstraum der Leuphana Universität Lüneburg erweiterte Rodriguez ihre Arbeit um einen wesentlichen Aspekt. Mit dieser Komponente stellt sie die generative Unschärfe von Realität und Fiktion sowie die unweigerliche Gleichzeitigkeit von sozialer In- und Exklusion als konstitutiven Wertzuschreibungsmechanismus von Glamour heraus.