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Das Ergründen der Natur- und Dingwelt durch deren Repräsentation und Imitation, um tiefere Erkenntnisse über das Wesen der Welt zu gewinnen, zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Bildenden Kunst. Die Gruppenausstellung „Das Wesen im Ding“ kreist um Fragen der Mimesis, verstanden als nachahmende Darstellung der Wirklichkeit, und spürt der Rolle nach, die sie heute in künstlerischen Produktionen einnimmt.

Die in der Ausstellung im Frankfurter Kunstverein versammelten Arbeiten der Künstler Nina Canell, Florian Haas, Till Krause, Bettina Lauck, Yoon Jean Lee, Egill Saebjörnsson und Andreas Wegner präsentieren unterschiedliche Methoden der Suche nach dem „Wesen im Ding“. Dabei bedienen sie sich einer formal zunächst ähnlichen Sprache: Sie zeigen zumeist Serien malerischer, fotografischer oder gefilmter Abbilder profaner Gegenstände wie Flaschen, Gläser, Kugeln, Steine, Pilze, Blumen, Werkzeuge, Spielwaren oder Alltagsprodukte. Mittels verschiedener Beobachtungs- und Darstellungsmethoden stellen sie Versuche an, von der Gestalt eines Gegenstands auf dessen Wesen zu schließen. Auf diese Weise bringen sie aber auch grundsätzlich Neues hervor. So befragen die künstlerischen Arbeiten exemplarisch eine Verfasstheit von „realer Welt“ und das Verhältnis des Betrachters zu ihr. Ergänzend zu den sieben künstlerischen Positionen werden einige Exponate aus der Sammlung des Museum der Dinge / Werkbundarchiv (Berlin) gezeigt.

Das Konzept der Mimesis hat mit der Moderne und dem Durchsetzen massenmedialer Reproduktionstechniken spätestens seit Beginn des 20. Jahrhunderts an Relevanz verloren. Gerade seine Infragestellung ist seitdem zu einem Grundmotiv der künstlerischen Produktion geworden: Die Repräsentation der für wirklich gehaltenen Welt ist kaum noch ohne eine Reflexion der damit verbundenen Parameter möglich. Mit den unterschiedlichsten künstlerischen Strategien wie Serialität, Fragmentierung, Skalierung oder Auflösung entstehen nunmehr Abbildungen der Natur- und Dingwelt, die oftmals ihren Wirklichkeitsbezug oder ihren eigenen Status in Frage stellen.

Till Krause (*1965) ist bekannt für seine Kartierungen von Landschaften und Räumen. Manche seiner künstlerischen Untersuchungen beziehen sich jedoch nicht auf reale Konstellationen, so auch die Arbeit „Element für eine künstliche Natur”. Sie besteht aus 128 Fotografien, die jeweils ein und denselben Stein vor neutralem Hintergrund zeigen, nur der Ansichtswinkel variiert. Nach einer Weile ist erkennbar, dass dieser Stein nicht echt sein kann und es sich hier stattdessen um ein künstliches Modell handelt. Es ist ein Ding, das an „Stein” erinnert, das mimetische Abbild einer Idee, die mit fotografischer Akribie untersucht wurde.

Der Künstler Florian Haas (1961) hingegen zeigt in seinen farbenreichen naiven Malereien Naturdinge, die er aus innerer Vorstellungskraft heraus abbildet. So entstehen Porträts von Pilzen, Blumen oder Natur- und Landschaftsbilder, die einer sensiblen Beobachtung und Würdigung des Gegenstandes an sich entspringen. An barocke Vorbilder der naturalistischen Stilllebenmalerei erinnern dagegen die inszenierten Fotoarbeiten von Bettina Lauck (1973). Bei den schemenhaft ausgeleuchteten Früchten, Ästen und Blüten lässt die Künstlerin offen, ob es sich um Arrangements oder um Aufnahmen tatsächlich vorgefundener natürlicher Konstellationen handelt.

Die Arbeiten des isländischen Künstlers Egill Saebjörnsson (1973) und der südkoreanischen Künstlerin Yoon Jean Lee (1972) konzentrieren sich auf wenig beachtete Alltagsgegenstände wie Flaschen, Tassen, Tische oder Stühle. Saebjörnsson erweckt zu Stillleben arrangierte profane Objekte durch Licht-, Sound- und Videoinstallationen zum Leben und entlockt ihnen als Protagonisten seiner bühnenartigen Inszenierungen im großen Saal des Frankfurter Kunstvereins ganz neue Wesenszüge. Yoon Jean Lee wiederum nutzt die Fotografie vermeintlich trivialer Interieursituationen, um mit eigenwilligen Bildkompositionen und Perspektiven gängige Sehgewohnheiten der alltäglichen Dingwelt zu hinterfragen.

Die Installationen der schwedischen Künstlerin Nina Canell (*1979) erscheinen oft als Funktionszusammenhänge: Kunststoffwannen, Neonröhren, Messgeräte, Lautsprecher, Halterungen und Unterlagen werden mit Naturmaterialien wie Ästen, Steinen und Erde als Arrangements zusammengestellt, die einerseits durch ihre ungewöhnlichen skulpturalen Qualitäten irritieren und andererseits der Logik experimenteller Kreisläufe zu folgen scheinen. Das Wesen im Ding erweist sich hier als ein Wechselspiel zwischen verschiedenen Dimensionen.

Einen speziellen Beitrag zur Ausstellung stellt das Projekt „Le Grand Magasin“ von Andreas Wegner (*1958) dar. Es zitiert einen Laden oder Museumsshop, der die angebotenen Gebrauchsobjekte – ausschließlich aus genossenschaftlicher Produktion – nach ihren Herstellungsprozessen befragt. Das bereits bei der vorherigen Ausstellung „Bilder vom Künstler“ installierte Ladendisplay wird so im Rahmen von „Das Wesen im Ding“ unter einer anderen Fragestellung beleuchtet.

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Das Wesen im Ding
Kurator: Holger Kube Ventura

Künstler: Nina Canell, Florian Haas, Till Krause, Bettina Lauck, Yoon-Jean Lee, Egill Saebjörnsson, Andreas Wegner