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Anläßlich der diesjährigen Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland zeigt das Deutsche Historische Museum Sportfotografien der WM-Turniere von 1930 bis 2002. Die rund 150 Aufnahmen stammen aus dem Fundus von Sportfotografen, von internationalen Pressebildagenturen sowie aus Sammlungen von Museen und Archiven von Sportzeitungen wie der französischen Zeitschrift »L’Equipe«. Große Spieler, berühmte Tore, besondere Ereignisse und starke Emotionen aus den 17 Weltmeisterschaften sind zu sehen.

Sportfotografen aus Deutschland, England, Frankreich, Holland und den USA sind mit ihren Arbeiten vertreten. Unter ihnen befinden sich renommierte Vertreter des Genres ebenso wie Fotografen, deren Urheberschaft erst durch Recherchen ermittelt werden konnte, da ihre Fotos nur unter dem Namen der Agentur, in deren Auftrag sie entstanden, vertrieben werden. Einer der ersten, der sich als Sportfotograf einen Namen machen konnte, war Max Schirner (1891-1952), der Begründer der Agentur Sportbild Schirner, aus deren Beständen die frühesten Aufnahmen stammen. Einige seiner Schüler und Mitarbeiter wie Horst Müller (1912-1995), dessen gleichnamige Agentur heute von seinem Sohn geführt wird, und Heinrich von der Becke (1913-1997), dessen Archiv sich im Sportmuseum Berlin befindet, haben ebenfalls Bilder zu dieser Ausstellung beigetragen. Zudem sind Fotos der Agentur Sven Simon zu sehen, die von Axel Springer jun. (1941-1980), der unter diesem Pseudonym als Sportfotograf große Bekanntheit erlangte, gegründet wurde. Mit mehreren Aufnahmen ist der englische Sportfotograf Peter Robinson (geb. 1944) vertreten, der heute auch als Dozent für Photojournalismus an der University of The Arts in London lehrt und seit 1970 als offizieller FIFA-Fotograf tätig ist. Seine Arbeiten sind vielfach ausgezeichnet worden, unter anderem mit dem World Press Award. Viele der anderen ausgestellten Fotografen sind eher in Fachkreisen bekannt – und eben durch ihre Aufnahmen, die als Agenturfotos um die Welt gegangen sind.

Die Ausstellung greift den Ritualcharakter des Fußballspiels auf. In sieben Abschnitten entrollt sich ein virtuelles Spiel. Die Spielphase, nicht die Chronologie, strukturiert die Reihenfolge der Fotos. Es beginnt mit den Ritualen vor dem Spiel: den Fans auf dem Weg zum Stadion, dem Einlaufen der Mannschaften, dem Spielen der Nationalhymnen und der Seitenwahl. Aufnahmen aus beiden Halbzeiten der regulären Spielzeit über die Verlängerung bis zum Elfmeterschießen folgen. Nach dem Spiel folgen die Abschlussrituale: der Trikot-Tausch, die Siegerehrung, das Hochhalten des Pokals, Tränen der Freude und der Trauer.

Mit der Ausstellung »Das Spiel« widmet sich das DHM einem bislang von den Museen eher unbeachteten Genre. Während andere Formen der dokumentarischen Fotografie als Zeitdokumente ebenso wie als eigenständige ästhetische Form längst Eingang in die historischen Sammlungen und Kunstmuseen gefunden haben, führt die Sportfotografie ein museales Nischendasein. Sie taucht allenfalls als Teil eines Gesamtwerkes, wie bei der großen Werkschau des ungarischen Fotografen Martin Munkácsi, oder in größeren gesellschaftlichen und historischen Zusammenhängen auf, wie Fotografien von der Olympiade 1936 in Berlin im Kontext des Nationalsozialismus.

Die Sportfotografie, und besonders die Fußballfotografie, gehört traditionell in den Bereich des Bildjournalismus. Sie ist Gebrauchsfotografie, deren Produktionsbedingungen und Verwertungen einem klaren Auftrag untergeordnet sind, nämlich der Dokumentation von sportlichen Wettkämpfen, ihren Protagonisten und deren Leistungen für die möglichst zeitnahe Veröffentlichung in der aktuellen Presse. Dabei ist die Fotografie als Medium gar nicht prädestiniert für die Dokumentation von Inhalten, deren Wesensmerkmal die Bewegung, die Aktion, ihr Entstehen und ihr Ergebnis – führt der Schuss zum Tor? – ist. Sportfotos bedürfen in besonderem Maße der Kontextualisierung: Ohne eine textliche Ergänzung, die Informationen über die abgebildeten Personen, den Ort und die Zeit liefert, bleibt die Bilderzählung unkonkret. Häufig ist sogar ein breiteres Hintergrundwissen vonnöten, um die Besonderheit eines Bildes erkennen zu können. Nur mit Kenntnis des Spielverlaufs läßt sich die Bedeutung eines Fotos in vollem Umfang erfassen. Ihre Faszination lässt nicht allein durch das Bild erklären. Sportfotos im Allgemeinen und besonders Fußballfotos fungieren zum einen als Erinnerungsbilder, die bei den Betrachtern Spiele ins Gedächtnis rufen, die sie bereits kennen, weil sie sie im Stadion oder im Fernsehen gesehen oder als Live-Übertragung im Radio gehört haben. Darüber hinaus dienen sie als Chiffre für bestimmte gesellschaftliche Gefühle und kulturelle Werte oder transportieren kollektive Identitätsgefühle von Fangruppen. Nicht zuletzt verweisen Fußballfotos, die ja immer nur Fragmente des Spiels und seiner Umgebung darstellen können, auf das Spiel selbst, indem sie mit einem kleinen Ausschnitt eine spezifische Atmosphäre wachrufen können. Es handelt sich hierbei um Aufnahmen, die, obwohl sich weder der Ball noch das Tor im Bild befinden, eindeutig als Fußballfotos identifiziert werden können, wie beispielsweise das Titelmotiv der Ausstellung, das den unbändigen Jubel des Gewinners und die grenzenlose Niedergeschlagenheit des Verlierers kontrastierend zeigt.

Eher neu ist die Beschäftigung mit dem eigenständigen ästhetischen Wert dieses so populär dominierten Genres. Indem die Fotografie Sekundenbruchteile von Bewegungsabläufen einfriert und so aus ihrem Kontext heraus löst, entstehen Ansichten von bewegten Körpern, die ihrerseits unser Wissen über das Phänomen Fußball prägen und bereichern. Dazu bemerken die Medienwissenschaftler Vinzenz Hediger und Markus Stauff in ihrem Katalogbeitrag: »Anstatt die sportlich gelungenen Momente festzuhalten, präpariert die Sportfotografie aus dem vorhandenen Material an Körperbewegungen fotografisch gelungene Momente heraus, deren Gelingen gerade aus der radikalen Stillstellung der Bewegung resultiert und die dem mit der Kamera nicht bewaffneten Auge nicht zugänglich sind.« Sie erläutern dies am augenfälligen Beispiel des Fallrückziehers, dieser seltsam waagerechten Flughaltung des Körpers mit hochgestrecktem Bein, die erst in der isolierten fotografischen Darstellung richtig erfassbar und gleichzeitig zum gelungenen Bild wird. Ähnlich eindrucksvoll sind Sturzszenen, Torwartflüge oder Menschenknäule aus sich auftürmenden Leibern in stürmischen Spielszenen, die im echten Ablauf der Zeit kaum wahrnehmbar sind. Mit dem Aufspüren und Festhalten entscheidender Momente schafft die Sportfotografie Bilder, die das Wesen des Spiels im Kern erhellen und zugleich darüber hinaus weisen.

Katrin Peters-Klaphake

Katalog Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Beiträgen von Horst Bredekamp, Vinzenz Hediger/Markus Stauff und Christian Eichler sowie einer Einführung der beiden Kuratoren Ulrich Crüwell und Per Rumberg. Das Spiel. Die Fußball-Weltmeisterschaften im Spiegel der Sportfotografie 208 Seiten, ca. 160 Abbildungen

Pressetext

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Das Spiel
Die Fußball-Weltmeisterschaften im Spiegel der Sportfotografie
Eine Ausstellung des Deutschen Historischen Museums
Kuratoren: Ulrich Crüwell, Per Rumberg