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Die Ausstellung möchte den werk- und wahrnehmungstheoretischen Zusammenhang des Neoimpressionismus mit zentralen Positionen der Moderne bis zur Gegenwart erstmals darstellen. Es ist zugleich die erste Präsentation des Neoimpressionismus in der Deutschschweiz. Dessen noch immer unterschätzte Bedeutung für die Kunst des 20. Jahrhunderts, erkennbar an der breiten stilistischen Rezeption in Europa, wird von der Forschung zunehmend erkannt. Wir wollen zeigen, dass das neoimpressionistische Bildkonzept dank seiner rationalen Begründung darüber hinaus wegweisend war für spätere Entwicklungen der Abstraktion, konstruktiven Kunst, der Monochromie, Minimal Art und Konzeptkunst. Nicht allein die Thematisierung von Licht und Farbe interessieren also. Georges Seurat und Paul Signac ging es in Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Farberkenntnissen um die Objektivierung und Systematisierung der Malerei für »Gehirn und Auge« (Signac). Zur Befreiung der Farbe entwickelten sie eine ungewöhnliche punktartige Struktur. Sie zeigt, woraus ein Bild allererst besteht: Farbelemente. Damit wird eine eigene, vorgegenständlich-flächige Bildebene etabliert.

Die Ausstellung stellt die These auf, dass mit dieser Objektivierung des Bildes paradoxerweise die subjektive Wahrnehmung thematisiert wird. Das an sich Einfache und Eindeutige solcher Punkte kann sich beim Betrachten in eine vieldeutige Erscheinung verwandeln, zum sinnlich-mentalen Erlebnis interagierender Farbe werden. Die Wirklichkeit ist nicht mehr in ihrer materiellen Beschaffenheit dargestellt, sondern als Farblicht-Phänomen optisch erschlossen. Vergleichbares gilt für die Werke wichtiger Exponenten von Abstraktion, konstruktiver Kunst, der Monochromie, Minimal Art und Konzeptkunst. Gänzlich ohne Motivbezug verbindet sich die Objektivierung ihrer elementarisierten Mittel auch hier mit der Subjektivität des Sehens. Dafür kann prinzipiell ein Punkt oder ein Quadrat in Interaktion mit Farbe und Licht ebenso genügen wie ein Metallkubus oder eine Leuchtstoffröhre. Allen Positionen gemeinsam ist die bewusst artikulierte Divergenz von Werkfaktizität und Wirkungsweise. Schrittweise transformierte sich das Kunstwerk seit dem Neoimpressionismus vom objektivierten Bild zum spezifischen Objekt (Judd, Flavin) und zu einem Instrument der Erfahrungsvermittlung (Turrell, Eliasson). Die Bedeutung des Schöpferautors schwand (seit Seurats und Signacs Verzicht auf den individuellen Pinselduktus) zugunsten des aktiven Betrachters: Er sieht sich sehen. Die Ausstellung umfasst rund siebzig neoimpressionistische Gemälde und Papierarbeiten aus einer hochkarätigen Schweizer Privatsammlung, die international zu den bedeutendsten ihrer Art gehört und erstmals umfassend vorgestellt wird. Im Mittelpunkt steht das Werk von Paul Signac; es wird ergänzt von Arbeiten von Georges Seurat, Charles Angrand, Henri-Edmond Cross, Maurice Denis, Albert Dubois-Pillet, Georges Lacombe, Achille Laugé, Maximilien Luce, Hippolyte Petitjean, Camille Pissarro und Théo van Rysselberghe.

Rund fünfzig sorgfältig ausgewählte Gemälde, Installationen und Papierarbeiten kommen dazu von Wassily Kandinsky, Piet Mondrian, Kasimir Malewitsch, El Lissitzky, Josef Albers, Richard Paul Lohse, Yves Klein, Donald Judd, Dan Flavin, James Turrell und Olafur Eliasson. Schriften der genannten Künstler und der für sie wichtigen Theoretiker und Wissenschaftler (Rudolf Arnheim, Charles Blanc, Michel- Eugène Chevreul, James J. Gibson, Ernst H. Gombrich, Ogden N. Rood, Charles Henry u. a.) veranschaulichen ihre intensive Recherche und Reflexion. Im Bahnhof Zug ist täglich ab der Dämmerung eine grosse Lichtinstallation von James Turrell zu sehen, gleichsam eine Aussenstation der Schau. Die Ausstellung wurde von Matthias Haldemann in Zusammenarbeit mit Marina Ferretti Bocquillon, Neoimpressionismus-Expertin aus Paris, kuratiert. Die Leihgaben stammen aus der Schweiz, Europa und den USA, u. a. vom Gemeentemuseum Den Haag, vom Musée d’Orsay, Paris, und von der Tate Modern, London. Die genannten Künstler, allen voran Paul Signac, haben sich für Musik besonders interessiert. Das Studio für Zeitgenössische Musik der Hochschule Luzern - Musik, die Musikschule der Stadt Zug, Roland Dahinden und Hildegard Kleeb sowie die Theater und Musikgesellschaft Zug realisieren ein eigenes Konzertprogramm zur Ausstellung. Programm-Höhepunkt ist die Schweizer Erstaufführung der selten gespielten Symphonie Monoton – Silence von Yves Klein für Chor und Orchester. Das radikale Tonwerk eines bildenden Künstlers macht das Hören hörbar. Vom 24. Mai bis 22. Juni wird die Klanginstallation Die Welle von Roland Dahinden im Kunsthaus Zug mobil am Alpenquai in Zug zu hören sein. Die ortsbezogene Klangarbeit verbindet sich mit dem grandiosen Ausblick auf die Seelandschaft und das Alpenpanorama zu einer >tönenden Landschaft<

Die interdisziplinäre Kooperation der Kunstvermittlung mit der Hochschule Luzern - Musik, der Animation für Schulmusik des Kantons Zug und der Musikschule der Stadt Zug sorgt weiter für eine nachhaltige Breitenwirkung des anspruchsvollen Projekts. Es gehört zur Vision der aufgeklärten künstlerischen Moderne seit dem Neoimpressionismus, dass die Reflexion der Wahrnehmung zum Bewusstsein der Interdependenz des Einzelnen und seiner Umgebung beiträgt: Wer das eigene Sehen sieht, erkennt sich und die Welt womöglich in einem anderen Licht. Es erscheint ein von Matthias Haldemann für das Kunsthaus Zug ediertes Buch mit Texten von Marina Ferretti Bocquillon, Matthias Haldemann, Marco Obrist und Paul Signac, sowie mit zahlreichen Farbabbildungen im Verlag Hatje Cantz, Ostfildern. Die Ausstellung wird grosszügig unterstützt von Hauptsponsor Credit Suisse Partner Starr International Foundation, Zug I Kanton Zug I Zuger Kulturstiftung Landis & Gyr / Siemens Building Technologies Group I Stadt Zug I Amafin Asset Management and Finance AG, Zug I Dr. Dan Mayer I Zug Tourismus Das Kunsthaus Zug mobil wird grosszügig unterstützt von Wasserwerke Zug AG I Risi AG, Baar Dr. Matthias Haldemann, Direktor

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Das Sehen sehen
Neoimpressionismus und Moderne
Signac bis Eliasson
Kuratoren: Matthias Haldemann, Marina Ferretti Bocquillon

Werke von Josef Albers, Charles Angrand, Henri Edmond Cross, Maurice Denis, Albert Dubois-Pillet, Olafur Eliasson, Dan Flavin, Donald Judd, Wassily Kandinsky, Yves Klein, Georges Lacombe, El Lissitzky, Richard Paul Lohse, Maximilien Luce, Kasimir Malewitsch, Piet Mondrian, Hippolyte Petitjean, Camille Pissarro, Theo van Rysselberghe, Georges Seurat, Paul Signac, James Turrell ...