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Zum 30-jährigen Jubiläum des RealismusStudio verwandelt sich der Hof der NGBK für einige Wochen in einen Projektionsraum.

Wie der Protagonist in Hitchcocks gleichnamigen Film schaut das Publikum durch ein Fenster auf ein gegenüberliegendes Bild.

Die Konstruktion des Filmraums wird in einen realen Raum übersetzt und macht so das verbindende Thema von Film und Ausstellungsprojekt sinnfällig: Der Blick imaginiert sich eine Welt, die die räumliche Distanz zwischen wahrnehmendem Subjekt und Wirklichkeit überwindet und sie gleichzeitig zur Voraussetzung hat. Erst der Riss im zeit-räumlichen Kontinuum setzt die Einbildungskräfte frei, die neue Wirklichkeiten erschaffen. Sehenswürdigkeiten großer Kulturepochen werden nachgebaut, Gesichtszüge wie Landschaften abgetastet, persönliche Erinnerungen in Bildschirmschonern aufgehoben... die Bildprogramme der Bewusstseinsindustrie nutzen das imaginative Vermögen für ihre Vermittlungsstrategien und für ihr symbolisches Repertoire. Remake, Found Footage, Re-Inszenierung und Nonfiktionalität stehen im Mittelpunkt der Ausstellung und des Filmprogramms, das an fünf Abenden Filme von KünstlerInnen und FilmemacherInnen anbietet.

In der Ausstellungshalle wird mit Stefanie Bürkles Fotoserie der Blick weit über das „Fenster zum Hof“ hinaus gerichtet. Ihre großformatigen Fotoarbeiten aus Shenzen in China sind in einem Park mit dem Namen „Window of the World“ entstanden. Sie präsentieren eine eigentümliche Welt der Simulationen, in der berühmte Kulturdenkmäler der Welt, wie das Taj Mahal, der Tour Eiffel oder die Piazza San Marco als monumentale, jedoch im Maßstab verkleinerte Gebäude auf engstem Raum nach nachgebaut sind. Die Bauten entsprechen in ihrer Konstruktion dem fotografischen Original und sind so optimal als Fotohintergründe zu nutzen.

Die amerikanische Filmkünstlerin Suara Welitoff beobachtet mit ihrer Kamera Menschen, die mit ihr in Beziehung stehen oder zu denen sie durch ihre Kamerabeobachtung eine solche aufbaut. Ihre Filme erinnern an die Screentests Andy Warhols. Es sind kurze, intensive Aufnahmen von Zufallsgesten und mimischem Spiel, die in ihrer Konzentration, Langsamkeit und Bildbehandlung die Direktheit des „unverwandten“ Kameraauges mildern und emotionalisieren.

Die Konstruktion des Blicks durch die Entrückung, Verschiebung und Verdichtung von Realität sind Leitmotive der Ausstellung. Auch bei Ingeborg Lockemann werden Erinnerungen und Eindrücke aus ihrem künstlerischen Leben in animierte Zeichnungen übersetzt, die im Gleichmaß, unablässig am Betrachterauge vorbeiziehen. Es ist der freundliche, aber auch distanzierte Blick auf ein Raum-Zeitkontinuum eines Gedankenflusses fragmentierter Erinnerungen und imaginierter Orte.

Die in Frankreich lebende Künstlerin Natacha Nisic beobachtet mit ihrer Kamera Menschen in japanischen Pendlerzügen, die schlafend ihren Gedanken und Träumen nachhängen, während die Landschaft hinter ihnen vorbeizieht.

Kerstin Rudolf erfasst mit ihrem Filmloop den interesselosen Blick eines Paares, das aus einem Fenster auf die Strasse schaut – eine Bild-Blick-Konstruktion, die als Prolog zu den die Wahrnehmungskonzepten der Ausstellungsexponate und Filme gelesen werden kann.

Im nächtlichen Filmprogramm haben wir eigenwillige Kurzfilme, fiktionaler und dokumentarischer Art zu thematischen Reihen gebündelt. Sie alle handeln von Blickbeziehungen und Wahrnehmungsverschiebungen undwerden am 9., 16., 23., und 30. Juli und am 6. August jeweils um 22 Uhr in 70- bis 120-minütigen Programmen präsentiert und kommentiert.

Zum Komplex Fernsehen beispielsweise wird am 9. Juli unter dem Titel Talk No Talk eine Aktion von Christian Jankowski, in der er sich in einer griechischen Fernsehtalkshow unüblich verhält – er schweigt - einem Fernsehexperiment von Ulrich Wilkes mit bekannten Talkmastern gegenübergestellt.

Der Blick aus dem Fenster auf Dächer und unprätentiöse Orte der Stadt ist Ausgangspunkt und Fokus in den Filmen der Reihe Stadt – Räume am 16. Juli.

A Beautiful Life am 23. Juli versammelt Filme zum Komplex der Affirmation, des visuellen Overkills und der Überforderung und Trägheit des Auges.

Mit den Utopien am 30. Juli stellen wir Kurzfilme aus Lettland zur Diskussion, die alle den Versuch thematisieren, die Gegenwartvergessen zu wollen. Die lettische Kuratorin Mara Traumane wird einen Überblick über weitere Filmexperimente im dokumentarischen und fiktionalen Bereich präsentieren.

Die abschließende Reihe am 6. August ist mit Spielfelder überschrieben. Clemens von Wedemeyers Remake von Stan Laurel und Oliver Hardy’s Film „Big Business“ The Big Business Projekt das mit Häftlingen der JVA Waldheim vor Ort gedreht wurde, wird vorgestellt, und Filme, die sich mit den Elementen und Prinzipien von Computerspielen befassen werden zu sehen sein.

Gemälde und Fotoarbeiten von Stefanie Bürkle sind gleichzeitig auch in einer Ausstellung im Kunstraum Kreuzberg präsent. Frank Wagner, Projektleitung RealismusStudio

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Das Fenster zum Hof
Ausstellung und Filmreihe des RealismusStudio der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst

mit Stefanie Bürkle, Suara Welitoff, Ingeborg Lockemann, Natacha Nisic, Kerstin Rudolf, Christian Jankowski, Clemens von Wedemeyer, u.a.