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Die Filme der amerikanischen Künstlerin Daria Martin (geboren 1973) zeichnen neu interpretierte Bilder von modernistischen Idealen und Tendenzen im performativen Bereich auf. Ein konstanter Rollentausch von Darsteller und Objekt in ihren Filmen fordern den Betrachter auf, die eigene Wahrnehmung in einer Welt von Künstlichkeit, billigen Materialien und als Wirklichkeit erscheinende Fantasien stets neu zu definieren. Daria Martin zeigt im Parallelraum der Kunsthalle Zürich in ihrer ersten institutionellen Ausstellung die als Trilogie konzipierten 16-mm-Filme «In the Palace» (2000), «Birds» (2001) und «Closeup Gallery» (2003) zum ersten Mal in einer zusammenfassenden Präsentation. Am 20. März 2005 wird die Künstlerin über ihre Filme sprechen und in einer einmaligen Vorführung ihren neusten 16-mm-Film «Soft Materials» vorstellen, den sie im November 2004 im Artificial Intelligence Lab der ETH Zürich gedreht hat.

Daria Martins Film-Trilogie verführt und irritiert gleichermassen durch ihre übertrieben theatralische Künstlichkeit, das Blossstellen wie auch durch das hermetische Verstecken von Emotionen. Akteure und Objekte werden wie «In the Palace» in einem nicht definierbaren, dunklen Interieur vereint, wo Tänzer einerseits regungslose, klassische Posen einnehmen, andererseits eng inmitten von Röhrenkonstruktionen und Verstrebungen verschachtelt sind. Immer wieder werden andere Umrisse von Formen durch diese objekthaften Konstruktionen erkennbar, die zusätzlich durch die sich ständig im Kreis bewegende Kamera die Raumwahrnehmung immer wieder neu konfigurieren. Daria Martin zollt mit diesem Film Referenz an Oskar Schlemmers modernistische Theateraufführung «Slat Dance» von 1927, die als wichtiger Wendepunkt im Theater des 20. Jahrhunderts gelten kann, und die Performance und den Akt des “Sehens³ neu definierte. Die kalte Geometrie des Bühnenbildes, die Dunkelheit und das sanfte Donner- und Regengeräusch verleihen «In the Palace» eine Unheimlichkeit, die die modernistische Perfektion spiegelt und gleichzeitig durch die verspielten, einfachen und billigen Kostümmaterialien wie z.B. Alufoliengirlanden durchbricht.

In «Birds» wechselt Daria Martin die Stimmung gekonnt von düster zu frohlockend, ohne die formalen Strukturen zu verändern. Wie in «In the Palace» ist der Raum undefiniert, nun aber ist er lichtdurchflutet weiss. Die raumkonstituierenden Röhrenstrukturen kehren hier wieder in Form von kleineren und teilweise mobilen Elementen, ergänzt durch möbelartige Plexiglasobjekte. Die Kameraführung wird schneller, einmal von links nach rechts ziehend, ein anderes Mal kreisend mit flüchtigen Szenenwechseln. Das Ganze wird unterstrichen von einem pulsierendem Elektro-Soundtrack. Die Kostüme ähneln einer absurden retro-futuristischen Mode ­ sie wirken künstlicher und bunter und erinnern an die Theater- und Performancestücke der sechziger Jahren: Ein ästhetischer, kubrickartiger Cocktail aus Space Odysee 2001, Clockwork Orange und einer Cage-Cunningham-Johns Theateraufführung von 1968, wo Objekte und Akteure ununterscheidbar ineinander fliessen. Die Distanz zwischen Akteur und Betrachter wird durch ständiges Hin- und Wegzoomen der Kamera verkleinert. Das Erhaschen eines leicht amüsierten Lächelns oder eines scheinbar ungewollten Blicks der Akteure durch die Kamera signalisiert, dass alle Beteiligten, die Akteure wie die Betrachter, sich bewusst sind, dass sie sich in einem gemeinsamen Spiel befinden, das seine Spannung aus der offengelegten Abmachung zwischen dem sich selbst entblössenden Darsteller und dem voyeuristischen Betrachter bezieht.

«Closeup Gallery» steigert das formalisierte Szenario der Trilogie nochmals. Ein Karten-Magier und seine Schülerin, vier Kartenstapel in den Farben Blau, Rot, Schwarz und Grün und ein runder Drehtisch mit drei übereinander liegenden Plexiglasplatten bilden ein Kaleidoskop aus farblich abgestimmten visuellen Auslegungen, die, wie ein Kartenspiel, immer wieder neu durchmischt und aufgelegt werden. Ein Mann und eine Frau, beide in Hemden gekleidet, passen sich in den wechselnden Szenen farblich den Karten an. Sie flirten mit Blicken, täuschen und imponieren einander mit Tricks, fungieren letztendlich als plastische Erweiterungen der Karten. Die beiden Kartenspieler dirigieren ihre Objekte auf dem Tisch, der ihre gemeinsame Bühne ist, wie Marionettenspieler, die mit diesen zum Gesamtszenario verschmolzen sind. Begleitet wird das abgebrüht ästhetische Szenario von der hypnotisierenden isländischen Elektro-Melodie «My Little Diamond» von Egill Saebjörnsson. Bild und Musik fügen sich zu einem Gefühlskarussell unterschiedlichster Wahrnehmungen, das oszilliert zwischen Wirklichkeit und dem Spiel der Kunstfertigkeit, zwischen der visuellen Anspielung modernistischer Abstraktion und den trügerischen Eigenschaften des Sehens. Daria Martins Umgang mit dem Filmemachen legt alle Methoden und Bestandteile immer offen, dies hebt sie stets auch durch zuweilen unprofessionell wirkende aber immer gekonnt dosierte dokumentarfilmartige Momente hervor. Sie gibt dadurch sowohl der Künstlichkeit als der Natürlichkeit, sowohl der Illusion als der Desillusionierung Raum und zeigt die Oberflächen von Performance, Theater und Film als klar differenzierte.

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Daria Martin

Künstler:
Daria Martin