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Vernissage: Mittwoch, 10. Juni 2009, 19-22 Uhr

Auf einer der Projektzeichnungen des Architekten Johann Jakob Stehlin für den grossen, neoklassizistischen Oberlichtsaal der Kunsthalle Basel, sind zwei Kronleuchter zu erkennen. Eine Darstellung davon ist nun auf der Einladungskarte zur ersten umfassenden institutionellen Einzelausstellung Where the Lions Are von Danh Vo zu sehen.

Der Ausstellungstitel ist eine freie Übersetzung der lateinischen Worte Hic sunt leones, die ursprünglich auf römischen Landkarten verwendet wurden, um unbekanntes Territorium zu bezeichnen – nicht zuletzt auch das heutige Vietnam, wo Danh Vo geboren wurde. Gleichzeitig spiegelt der Titel auch seine künstlerische Praxis wider: Er ist nicht nur ein Kommentar zu den wechselseitigen Beziehungen zwischen der westlichen und der nicht-westlichen Welt, sondern auch die Wiederverwendung des Titels einer Gruppenausstellung im Para/Site Art Space in Hongkong (2008), die von François Piron kuratiert wurde und an welcher der Künstler beteiligt war.

Der Basler Kunstverein, dessen Geschichte bis auf das Jahr 1839 zurück geht, vereinte eine Gruppe innovativer Künstler und Förderer, die den Anstoss zur einer neuen Institution gab, welche die traditionelle Rolle des Museums als einen Ort zur Bewahrung von Kunst kritisch betrachtete und stattdessen künstlerische Strategien im Geiste ihrer Zeit fördern wollte. Um die Finanzierung für den Bau des neuen Gebäudes zu sichern, profitierte der Basler Kunstverein von den Einnahmen aus einem Fährbetrieb, den er einige Jahre unterhielt und welcher die Leute von einer Seite des Rheins zur anderen brachte. Die Kunsthalle Basel konnte schliesslich 1872 eröffnet werden.

Während die Kronleuchter für die Kunsthalle möglicherweise nur als unrealisiertes Konzept bestanden, sind sie woanders Teil der Geschichte geworden: In fast jeder Tageszeitung, die von der Unterzeichnung der Pariser Friedensverträge im Jahr 1973 im Hotel Majestic in Paris berichtete, ist eine Fotografie des Ballsaals mit drei grossen Kronleuchtern über dem Tisch zu sehen, an dem die Verhandlungen zwischen Nordvietnam, Amerika und Südvietnam stattfanden.

Danh Vo’s konstantes Interesse an der Präsenz Frankreichs in Südostasien war Ausgangspunkt einer neuen Werkgruppe, die in der Kunsthalle Basel gezeigt wird. Sie speist sich aus drei unterschiedlichen Archiven und verbindet wichtige Ereignisse in der Geschichte Vietnams miteinander: die Rolle der Missionare, welche im 19. Jahrhundert von Frankreich nach Südostasien gesandt wurden; die offizielle Beendigung des Vietnamkrieges in Paris und Erlebnisse aus der Biografie des Künstlers.

Vo verbindet dabei Objekte, Dokumente und Artefakte vor dem Hintergrund der spezifischen Geschichte des Ausstellungsraumes. An einen Archäologen oder Sammler erinnernd, schafft er enigmatische Settings, welche die unterschiedlichen Bedeutungen von persönlicher und kollektiver Erinnerung untersuchen wie auch den Begriff der Hoffnung umkreisen als einen „anderen Ort, an dem es besser ist als hier“. Vo fordert konstant die Erwartungen des Betrachters gegenüber Kunst und Künstlern heraus – nicht zuletzt hebt er auch die Rolle der Institution hervor, wie sie einst erdacht wurde: als Ort, an dem man unbekannten Territorien der zeitgenössischen Kunst entdecken kann.

Anlässlich der Ausstellung erscheint ein Künstlerbuch, herausgegeben von Julie Ault, Danh Vo und der Kunsthalle Basel.

Die Ausstellung wurde grosszügig unterstützt von Peter Handschin.

Danh Vo (geb. 1975) studierte an der Royal Academy of Fine Arts, Kopenhagen und an der Städelschule in Frankfurt. Er lebt und arbeitet zur Zeit in Berlin. Der Künstler war von Februar bis Mai 2009 im Rahmen eines Stipendienaufenthalts der Kadist Art Foundation in Paris, wo derzeit seine Einzelausstellung zu sehen ist. Danh Vo war 2007 Preisträger des blau orange Preis der Deutschen Volksbanken und der Raiffeisenbanken. Er war 2008 an der Manifesta 7, Roveretto und der Yokohama Triennale beteiligt und hatte Ausstellungen in der Docking Station Stedelijk Museum Amsterdam sowie 2009 in der Gebert Stiftung für Kultur, Rapperswil. In diesem Jahr ist Vo nominiert für den Preis der Nationalgalerie für Junge Kunst, einen der renommiertesten Kunstpreise für zeitgenössische Kunst.