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Große internationale Aufmerksamkeit erzielte der 1975 in Vietnam geborene und in Kopenhagen aufgewachsene Künstler Danh Võ mit seiner Einzelausstellung in der Kunsthalle Basel im Jahr 2009. Seitdem hat er an den Biennalen in Berlin, Gwangju und Singapur teilgenommen sowie an Ausstellungen in der Fundació Joan Miró in Barcelona und im Museum of Modern Art in New York. Viel Beachtung erhielt auch seine große Einzelausstellung im Herbst 2011 in der Kunsthalle Fridericianum in Kassel, auf der er erstmals einen Teil seines ambitionierten Langzeitprojekts eines Nachbaus der New Yorker Freiheitsstatue im Maßstab 1:1 vorstellte. Dessen stetige Erweiterung wird nach Stationen in Chicago und Bozen 2013 im Musée d’Art moderne de la Ville de Paris seinen krönenden Abschluss erfahren. In seinen Objekten, Installationen, Fotografien und Arbeiten auf Papier verbindet Danh Võ persönliche Erfahrungen seiner Kindheit in Vietnam mit der Geschichte seiner Familie, ihrer Flucht nach Europa und Fragen des Kolonialismus, der Migration und der kulturellen Identität. Weitere wichtige Themen seiner Werke sind die Beschäftigung mit gleichgeschlechtlichen Beziehungen und generell das Hinterfragen normierter Verhaltensweisen sowohl in der Gesellschaft im Allgemeinen als auch im Kunstkontext im Besonderen. Dabei gelingt es ihm immer wieder, Werke von ikonischer Eindringlichkeit zu schaffen, wie beispielsweise seine Kopien der ursprünglichen amerikanischen Flagge mit 13 Sternen - die einst entworfen worden war, um Amerikas Unabhängigkeit von der Kolonialmacht zu feiern, und die Danh Võ mit Goldfarbe auf Karton übertrug-, oder sein bereits erwähntes, auf einen langen Zeitraum angelegtes Projekt des in einzelne Teile zerlegten Nachbaus der Freiheitsstatue aus dünnem Kupfer. Im vergangenen Jahr zählte sein aus Waschmaschine, Kühlschrank, Fernseher und Kruzifix zusammengesetztes Werk Oma Totem zu einem der Publikumslieblinge der Gruppenausstellung So machen wir es im Kunsthaus Bregenz. Die genannten Gegenstände, die die Großmutter des Künstlers in den 1970er Jahren bei ihrer Ankunft in Deutschland von der Einwanderungsbehörde erhielt, geben nicht nur beredt Auskunft über die Vorstellungen, was zu dieser Zeit aus einer europäischen, westlichen Perspektive als lebensnotwendig angesehen wurde, sie formieren sich in der Art und Weise, wie sie Danh Võ übereinander anordnet, auch zu einer markanten visuellen Metapher kultureller Selbstdefinition. Bezug nehmend auf dieses Werk platzierte Danh Võ an derselben Stelle im KUB, nur ein Stockwerk höher, den Tombstone for Nguyen Thi Ty, ein Bodenrelief aus Marmor und Granit, das Waschmaschine, Kühlschrank und Fernseher dem Titel der Arbeit gemäß in die Form eines Grabsteins überträgt, der von einem Holzkreuz mit Bronze-Christus komplettiert wird. Nach der Überführung der verstorbenen Großmutter von Deutschland in das Familiengrab in Kopenhagen wird diese Arbeit von Danh Võ das Feld der Kunst verlassen und ihre Bestimmung als Grabstein erfüllen.

Immer wieder greift Danh Võ auf seine eigene beziehungsweise die Geschichte seiner Familie zurück und involviert seine unmittelbaren Verwandten, wie beispielsweise seinen Vater Phụng Võ, in die Produktion seiner Werke. Dieser realisiert für ihn unter anderem eine Brief-Edition, für die er handschriftliche Kopien eines Abschiedsbriefes aus dem 19. Jahrhundert anfertigt, den der französische Missionar Jean-Théophane Vénard kurz vor seiner Enthauptung an seinen Vater schrieb. Die Auflagenhöhe der Edition richtet sich nach der Anzahl der Bestellungen und definiert sich erst nach dem Tod von Danh Võs Vater.

Auch für seine Installation auf der letzten Berlin Biennale bezog sich Danh Võ auf seinen Vater. Er präsentierte als Ausstellungsstücke in Wandvitrinen dessen Rolex-Armbanduhr - erworben von dem Rest des Goldes, mit dem sein Vater die Flucht aus Vietnam finanziert hatte -, sein Dupont-Feuerzeug - erstanden vom ersten in der neuen Heimat verdienten Geld - sowie seinen Siegelring. Alle drei Objekte versinnbildlichen die Sehnsucht nach westlichen Wohlstandsattributen sowie deren globale Reichweite und Präsenz. Die vermeintliche Attraktion materieller westlicher Werte wird aber im Werk von Danh Võ nicht nur durch diese High-End-Konsumgüter thematisiert. Auch Produkte wie Coca Cola, wie sie in seiner Bregenzer Ausstellung auf dem mit echtem Blattgold bedruckten einfachen Karton zitiert werden, können aus der Sicht des Künstlers als Verlockung und Heilsversprechen verstanden werden. Ähnlich wie früher Märchen oder Heiligengeschichten die Menschen mit der Aussicht zähmten, nach einem demütigen, genügsamen Leben in den Himmel zu gelangen, lenken heute umgekehrt Konsumgüter und Statussymbole oftmals von den eigentlichen gesellschaftlichen und politischen Problemen ab. Danh Võ, der mitunter anstelle von Presse- beziehungsweise Saaltexten lieber den handschriftlich kopierten Text des Märchens »Aschenputtel« verteilen lässt, kann in der Verkehrung der Werte, wie sie in seinen bekannten Blattgold-Pappe-Arbeiten und Assemblagen aus vorgefundenen Objekten zu finden ist, mit Künstlern wie David Hammons oder Félix González-Torres verglichen werden. Diese haben mit ihren einfühlsamen und gesellschaftlich aufgeladenen Werken Kunstgeschichte geschrieben und den eurozentristischen Blick maßgeblich erweitert.

Wie bei den Werken dieser Künstler spielen auch für Danh Võ Schrift, Sprache und die Betitelung von Arbeiten und Ausstellungen eine wesentliche Rolle und bieten zusätzliche Interpretationsebenen. Dies gilt auch für den Titel seiner Bregenzer Ausstellung: Als Danh Võ mit seinen Eltern vor einigen Jahren das Grab seines Bruders auf einem Friedhof in Vietnam suchte, erschrak er zutiefst, da er auf etlichen der dort aufgestellten Kreuze und Grabsteine »Vô Danh« las. Allerdings war dies nicht ein Zeichen der unglaublich großen Popularität seines eigenen Namens und einer mit diesem verbundenen hohen Sterblichkeitsrate. »Vô Danh« bedeutet im Vietnamesischen schlichtweg »ohne Namen« und verweist darauf, dass die dort Begrabenen nicht identifiziert werden konnten. Wenn nun Danh Võ seine Ausstellung im Kunsthaus Bregenz auf den ersten Blick selbstbezüglich Vô Danh nennt, kommt er damit zwar den institutionellen Gepflogenheiten nach, eine Ausstellung mit einem Titel zu versehen, jedoch unterläuft er gleichzeitig diese Vorgehensweise, indem er sie als namenlos bezeichnet.

Die Präsentation im Kunsthaus Bregenz ist die erste große institutionelle Einzelausstellung von Danh Võ in Österreich und wird speziell für das KUB realisiert.

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Danh Võ - Vô Danh

Künstler:
Danh Vo