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CUT
13. September bis 25. Oktober 2020

Katharina Hinsberg
Hans Lankes
Jörg Mandernach
Zipora Rafaelov
Heike Weber
Tilmann Zahn

Eröffnung, am Sonntag, den 13. September um 11.30 Uhr
Es spricht Sabine Elsa Müller, Kunstmuseum Villa Zanders

CUT
In der zeitgenössischen Kunst entwickelte sich der Cut Out zu einer eigenen Bildgattung. Seine Herkunft aus der strengen Tradition von Scherenschnitt und Schattenspiel wurde ausgeweitet zu einer Fülle unterschiedlicher Schneidetechniken und Materialien und zur Vergrößerung der Formate bis hin zu raumfüllenden Installationen. Die Ausstellung zeigt Arbeiten von sechs Künstlerinnen und Künstlern, die unterschiedliche Positionen des Cut Out vertreten. Die Anregung zum Thema und zur Konzeption der Ausstellung gab die Düsseldorfer Künstlerin Zipora Rafaelov

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CUT
Seit Beginn des 21. Jahrhunderts erlebt der Scherenschnitt eine wahre Renaissance im Werk zeitgenössischer Künst- lerinnen und Künstler. Über die Nobilitierung des Werkstoffs Papier als bildhauerisches Material in herausragenden künstlerischen Positionen des 20. Jahrhundert, wie die von Henry Matisse, Felix Droese oder Kara Walker stieg der kleinformatige Schattenriss aus dem Dunstkreis der intimen familiären Silhouetten-Kunst empor und entwickelte sich zu einer eigenen Kunstgattung mit bisweilen spektakulären, raumfüllenden Installationen.

Katharina Hinsberg verbindet die Linie, den Strich, mit dem Schnitt und öffnet die Zweidimensionalität in den Raum. Die Räume zwischen den Strichen einer Zeichnung werden mit dem Skalpell eliminiert, so dass die Zeichnungsstriche als Stege zwischen den Leerformen stehen bleiben. Dieses Freilegen bedeutet eine Umdeutung der zweidimensionalen Figur-Grund-Beziehung in eine viel weiter gefasste Relati onalität zwischen Offenheit und Geschlossenheit, Zeichen und Raum, Materialität und Entmaterialisierung. Der Zeich- nungskörper mutiert zur durchlässigen Netzstruktur, dem Sinnbild eines interaktiven Beziehungsgeflechts.

Hans Lankes benutzt das Skalpell wie einen Stift. Die filig- ranen Binnenstrukturen erzeugen ein flimmerndes Zusam- menspiel von außen und innen. In hartem Schwarz-Weiß- Kontrast oder klaren Farben stehen seine Papierschnitte als unerschöpfliche Modifikationen architektonischer und ornamentaler Strukturen vor der Wand. Da sie nur partiell auf den Untergrund angeheftet sind, heben sich von diesem ab und bewegen sich im leisesten Windhauch. Auf der Rückseite oftmals farbig gestrichen und mit einem kleinen Abstand zur Wand angebracht, werfen sie farbig getönte Schatten. Diese wie hingehauchte zweite Ebene arbeitet gegen die Perfektion des Schnitts und versetzt das fest Gefügte in Schwingung.

Jörg Mandernach entwickelt aus mehrschichtigen Papierschnitten und Klebebändern ortsspezifische Raumzeichnungen von ungeheurer handwerklicher Präzision. Die Figuren lösen sich aus der Fläche heraus und setzen eine erzäh- lerische räumliche Bewegung in Gang. Seine komplexen Überlagerungen, die mitunter Bild mit Schrift ergänzen, verbinden die archaische Erzählform der Simultandarstellung mit der zeitgenössischen medialen Technik des Sampelns von Bild- und Textinformationen aus unterschiedlichsten Quellen. Dabei imaginieren seine Figuren und Motive eine mit der Welt der Märchen und Träume verbundene labile Zwischenwelt. Seine Raumbilder wirken mitunter wie eine luftige, nur für einen Moment sichtbare Sinnestäuschung.

Zipora Rafaelovs aus weißem oder schwarzem Papier geschnittene Szenerien sind so fein ziseliert, dass sie wie Malerei wirken und vielfältige Interpretationsebenen offenlassen. Im bewegten Geflecht der Linien sind tierische und menschliche Körper, pflanzliche und organische Motive so miteinander verwoben, dass sie unterschiedliche Assoziationen wecken und zu einer ganz persönlichen Entschlüsselung einladen. Im Laufe der Zeit wurde die Frauenfigur zentral. Sie ist das Abbild von Eva, die archetypisch für alle Frauen steht. Sie vereint in sich all die unterschiedlichen Charaktere, Eigenschaften und emotionalen Ebenen. Ihre Grundform geht auf Rafaelovs eigenes Profilbild zurück, das als Schattenriss auf die Wand gezeichnet wurde.

Heike Weber schichtet ihre Scherenschnitte zu magischen Dschungeln aus bewegten Formen, Licht und Schatten. Bevor die einschneidende Bearbeitung mit dem Cuttermesser Bäume, Äste, Zweige und Blätter freilegt, wird der schwarze Karton malerisch mit Acrylfarbe grundiert. In diesen Scherenschnitten entsteht der Eindruck von Undurchdringlichkeit und Tiefe durch den Prozess der Schichtung und die Schaffung von Räumlichkeit. Das Licht malt mit, der Schatten ist – wie so oft bei Heike Weber – integraler Bestandteil dieser Werke. Trotz der wandfüllenden Dimensionen und Schwärze wirken die Scherenschnitte zart und luftig und lassen den Betrachter förmlich das Laub rascheln hören.

Tilmann Zahn setzt durch nicht genau kalkulierbare Prozes- se die Verletzlichkeit, Fragilität und Wandlungsfähigkeit des Papiers in den Mittelpunkt. Die Farbigkeit seiner Arbeiten ist das Resultat eines Vorgangs, der sich vom Künstler nicht in allen Einzelheiten steuern lässt: Büttenpapier wird in Ölfarbe getränkt, bis es vollständig von ihr durchdrungen ist. Die Eigendynamik dieses Prozesses hinterlässt eine Färbung,

in der die Tiefe des Farbtons variiert und fleckige Spritzer zurückbleiben. In den großformatigen Papierarbeiten wird das feine Lineament der Zeichnung durch den Akt des Rei- ßens freigelegt. Die Transformation des Materials evoziert ebenso Themen wie Zerfall und Vergänglichkeit wie auch Neuschöpfung und ständigen Wandel und knüpft in ihren melancholischen Aspekten an das alte „memento mori“ - Thema an.
Sabine Elsa Müller