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Zum dritten Mal trägt eine Ausstellung des Neuen Berliner Kunstvereins die Überschrift Critic’s Choice. Vor zwei Jahren starteten wir diese Reihe mit der Zielsetzung, Kunstkritiker einzuladen, als Kuratoren mit ausgewählten Künstlern eine Ausstellung zu konzipieren und in diesem Prozess ihre passive Rolle der Kunstreflexion zu Gunsten einer aktiven Gestaltung an der Entstehung eines Ausstellungsprojektes einzutauschen.

Die dritte Folge von Critic’s Choice betritt insofern Neuland, als dass sie ausschließlich dem Medium Fotografie gewidmet ist. Im Herbst 2005 findet zum ersten Mal das Berlin Photography Festival statt, zu dessen Initiatoren auch der NBK gehört. Dies bestärkte die Entscheidung, mit einer Ausstellung zum aktuellen Thema beizutragen. Mit Ulf Erdmann Ziegler konnte zudem ein fachlich ausgewiesener Kunstkritiker aus Frankfurt am Main gewonnen werden. Für seine Ausstellung mit dem Titel „Die fotografische Familie“ hat er – im Gegensatz zu seinen Vorgängern – nicht einen, sondern gleich vier Fotokünstler eingeladen. Er wählte drei Fotografen, Jenö Gindl aus Berlin, Peter Hendricks aus Hamburg, Reinhard Matz aus Köln und die neuseeländische Fotografin Anne Noble aus, die alle – zwischen 1952 und 1962 geboren – trotz unterschiedlicher Technik die visuelle Dramaturgie ihrer narrativen und seriell angelegten Dokumentarfotografie verbindet.

Der Titel der Ausstellung „Die fotografische Familie“ verweist auf Zieglers Absicht, die Familie sowohl als Thema wie auch als Metapher einzusetzen. Als Kritiker-Kurator stellt er dar, wie die Fotografie als Medium und Gegenstand eine sehr enge Verbindung mit dem System Familie eingeht, sie begleitet und die ihr eigene Dynamik sichtbar macht.

Jenö Gindl (* 1962) steht mit seiner virtuosen Benutzung von Licht und Schatten für höchst komplexe menschliche Gefühle, die er durch ein weitgehend vereinfachtes, jedoch elegantes Vokabular auszudrücken vermag. Seine Serien „Aufprall“ und „Durban-Suite“ arbeiten mit der Konfrontation von Idylle und Schock, von Heimeligkeit und Gefahr und enthüllen das Bild der Familie als Klischee von Geborgenheit im Angesicht der Katastrophe.

Peter Hendricks (*1955) folgt mit seiner Serie „good copy“ dem Impuls, die journalistische Bildberichterstattung in der Fremde mit der Stetigkeit des eigenen Heimischen zu vergleichen. Der aus der Funkersprache entliehene Titel spielt an auf die „gelungene Übertragung“, die aber bei Hendricks zu einem Paradoxon wird. Seine seriellen Montagen und Kameraexperimente repräsentieren eine melancholische Dekonstruktion von beidem, Abenteuer und Idylle.

Reinhard Matz (*1952) setzt sich in seiner Serie „Verspielt“ mit der kindlichen Dingwelt seiner Tochter auseinander. Seine in Leuchtkästen ausgestellten fotografischen Collagen dokumentieren eine intensive Recherche über das Universum von Tierpuppen, gadgets und buntem Tand. In den Galerieraum übertragen erzeugen die großformatigen Boxen eine Schnittstelle zwischen privatem Interieur und halböffentlichen Außenraum.

Anne Noble (*1954) zeigt in zwei großformatigen Serien ebenfalls eine sehr intensive Nähe zur eigenen Familie. „Ruby’s Room“ stellt den Versuch der Künstlerin dar, der Lebens- und Gedankenwelt ihrer Tochter in Bildern nachzugehen. Ruby’s Mund in Großaufnahme wird zu einer symbolischen Tür zum Zimmer des kindlichen Unbewußten. Die Multimediainstallation „In My Father’s Garden“ hingegen thematisiert die sensible fotografische Trauerarbeit am Tod des eigenen Vaters.

Die Ausstellung versteht sich als Diskussionsbeitrag und kritische Reaktion auf jüngste Entwicklungen in Theorie und Praxis der Fotografie als einer populären, aber häufig falsch interpretierten Kunstgattung. Begleitend erscheint das dritte Heft der cahiers critiques mit einem Essay von Ulf Erdmann Ziegler, „Selbstportrait mit fotografischer Familie“, gestaltet von Ralf Klöden und Andreas Koch.

Pressetext

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Critic's Choice 3
Die fotografische Familie
ausgewählt von Ulf Erdmann Ziegler

mit Jenö Gindl, Peter Hendricks, Reinhard Matz, Anne Noble