press release only in german

Cooling Out - Zur Paradoxie des Feminismus wurde von Sabine Schaschl-Cooper (Kunsthaus Baselland, Muttenz/Basel), Bettina Steinbruegge (Halle fuer Kunst, Lueneburg) und René Zechlin (Lewis Glucksman Gallery, University College, Cork) initiiert und findet gleichzeitig in den drei Ausstellungshaeusern statt.

Die urspruenglichen Ziele der Frauenbewegung sind, soweit es nicht um kulturell vermittelte Rollenbilder und um Habitusformen geht, sondern um rechtliche Gleichstellung, um Bildungschancen fuer Frauen und um die Einhegung maennlicher Gewalt, nahezu durchgesetzt worden. Es scheint jedoch, als sei die Frauenbewegung ein Opfer ihrer Erfolge geworden, als habe sie sich de facto selbst abgeschafft, weil gerade junge Frauen unter Gesichtspunkten der Bildungsbeteiligung und Chancengleichheit nicht mehr erkennen koennen, wo sie gravierend benachteiligt waeren.

Dementsprechend reagieren sie nicht selten geradezu allergisch und gereizt auf den mainstream Feminismus, auf deklarierte Frauenfoerderung und auf Quotierungen, weil sie entsprechende Defizite nicht mehr sehen und auch nicht in imaginaere Opferrollen gedraengt werden wollen. Der Begriff des Feminismus ist mittlerweile somit vielfach negativ konnotiert. Aber dass es so einfach nicht ist, beweisen Symptome wie das "Cooling Out" - die Integration von Frauen in die Systeme der hoeheren Bildung bei ihrer gleichzeitigen eher unmerklichen Lenkung in Studienprogramme, Berufsfelder und berufliche Positionen mit geringerem Status, Einfluss und Einkommen - oder auch die Ergebnisse einer Studie des MIT von 1998, welche nahe legen, "that gender discrimination in the 1990s is subtle but pervasive, and stems from unconscious ways of thinking that have been socialized into all of us, men and women alike." Es scheint schon lange keine Frauenbewegung mit legitimen Zielen mehr zu geben, sondern nur Frauen im Gefuege sozialer Mechanismen. Zu einer solchen Sicht tendieren insbesondere gut ausgebildete Single-Frauen der oberen Mittelschicht, die meinen, dass sie mit nahezu gleichen Chancen an der Gestaltung des oeffentlich-politischen Lebens teilnehmen, sofern sie einigermaßen klug im Gefuege maennlicher Strukturen agieren. Die Hebung von Selbstbewusstsein und Selbstachtung der Frau, ein deklariertes Ziel des Kampfes um Anerkennung, den die zweite Generation des Feminismus fuehrte, scheint gelungen, nicht selten allerdings auf der Grundlage imaginaerer Vorstellungen ueber gesellschaftliche Machtverhaeltnisse.

Peggy Phelan zufolge beruht der Feminismus auf der Ueberzeugung, dass Geschlecht im Sinne von "Gender" eine fundamentale Kategorie fuer die gesellschaftliche Ordnung darstellt. Grundlegend fuer diese Ordnung ist ein hierarchisches Muster, das normalerweise Maenner ueber Frauen stellt und sie in vielen Hinsichten bevorzugt. Obwohl viele Forderungen der feministischen Bewegung nachweislich durch- und umgesetzt werden konnten, ist es um das kulturelle Bild der Frau wie auch um ihre reale Verankerung im "Machtfeld" somit immer noch schlecht bestellt. Ein gewisser Backlash auf der Ebene des Frauenbildes, das auch ueberkommenen Vorstellungen der Teilung der geschlechtlichen Arbeit in einer Zeit der Krise der Arbeit folgt, geht mit einer Marginalisierung emanzipatorischer Forderungen nach Autonomie und voller Gleichberechtigung einher. Inwiefern wird der Koerper immer noch zur Basis weiblicher Identitaet gemacht, von Maennern wie auch von Frauen? Wenn wir von einer Wiederkehr von Sexismen sprechen, stellt sich die Frage, wie gerade juengere Kuenstlerinnen sich angesichts solcher Tendenzen verhalten. Schließlich haben kritische feministische Stroemungen und Kuenstlerinnen wie Hannah Wilke oder Nancy Spero sexuelle Inhalte in der Kunst weithin salon- bzw. sogar museumsfaehig gemacht.

Die Ausstellung widmet sich den aufgeworfenen Fragen. Sie sucht insbesondere nach Antworten, wie junge Kuenstlerinnen der "postfeministischen Generation" derzeit mit diesem Thema umgehen, ob und in welchen Formen auch bei ihnen Ambivalenzen oder auch ablehnende Haltungen dem Thema Feminismus gegenueber zu finden sind. Wie ist der Feminismus konnotiert? Werden Unterschiede zwischen dem "Differenzfeminismus" und konstruktivistischen Spielarten des Feminismus gemacht, also Unterschiede zwischen essentialistischen Auffassungen von Weiblichkeit und diskursiv-relativistischen Ansaetzen, die keine identitaetspolitische Perspektive verfolgen?

Zum Gesamtprojekt erscheint ein im Januar 2007 ein Katalogbuch bei JRP/Ringier in Zuerich (CH). Das gesamte Projekt wird von dem Land Niedersachsen, der Stadt Lueneburg, dem Lueneburgischen Landschaftsverband und der Kulturstiftung des Bundes gefoerdert. Fuer diese Foerderung bedanken wir uns ganz herzlich.

Pressetext