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Eröffnung: Freitag, 2. Mai, 19:00 - 22:00 Uhr

„In welcher Weise uns die Musik schöne Formen ohne den Inhalt eines bestimmten Affektes bringen kann, zeigt uns recht treffend ein Zweig der Ornamentik in der bildenden Kunst: die Arabeske. Wir erblicken geschwungene Linien, hier sanft sich neigend, dort kühn emporstrebend, (…), in kleinen und großen Bogen korrespondierend, scheinbar inkommensurabel, doch immer wohl gegliedert, überall ein Gegen- oder Seitenstück begrüßend, (...) eine Sammlung kleiner Einzelheiten, und doch ein Ganzes. Denken wir uns vollends diese lebendige Arabeske als tätige Ausströmung eines künstlerischen Geistes, der die ganze Fülle seiner Phantasie unablässig in die Adern dieser Bewegung ergießt, wird dieser Eindruck dem musikalischen nicht sehr nahe kommend sein?“ (E. Hanslick, Theorie „Vom Musikalisch- Schönen“, 1854)

Constantin Luser (geb. 76, lebt und arbeitet in Wien) spielt uns in der Galerie ein kanonisches Lied der Obsession und lädt ein, daran teilzuhaben und einzusteigen. Es ist die zweite Einzelausstellung des Künstlers in der Galerie, der im Herbst diesen Jahres mit einer Museumsshow im Belvedere Wien (Katalog) als der neue „BC 21 Award“ Preisträger für junge österreichische Kunst gewürdigt wird.

Für die Berliner Ausstellung entwickelte Luser basierend auf den Medien Zeichnung und Skulptur einen Parcours der Assoziationen, der seine Anregung aus den Bereichen Biologie und Technik, Architektur und Geschichte, Mensch und Körper sowie maßgeblich der Musik gewinnt. Zwei Räume der Galerie werden von einem großformatigen Trommeliglu und dem im Maßstab 1: 10 verkleinerten Vibrosaurus beherrscht. Den Rezipienten zur Interaktion anregend stehen diese dreidimensionalen Klangskulpturen in einer synästhetischen Beziehung zu den Zeichnungen des Künstlers, worin die Motive stets von einem kommentierenden Text begleitet werden. Bspw. wird der Vibrosaurus in einer begleitenden Zeichnung des Künstlers als „Gemeinschaftstonerzeugender Saurier“ vorgestellt, der von den Lippenvibrationen und den Stimmbandschwingungen von mehreren Personen beatmet und belebt werden kann. Die Töne oder Geräusche generieren sich mittels 30 Mundstücke verschiedener Blechblasinstrumente (Waldhörner, Tuben und Trompeten), wobei der Anblasluftdruck abwechselnd mit der Lippenspannung in das metallene röhrenförmige Knochenskelett des „Sauriers“ geleitet werden soll.

Der Schall als Synonym der Luser’schen Idee findet in den Zeichnungen Ausdruck in Form von Notationen. Grafisch feinlinear festgehalten ermöglichen sie das Nachvollziehen der Parameter von Tonhöhe, -dauer und Lautstärke, und erhalten so ihre Lesbarkeit. Diese technoid anmutenden Zeichnungssysteme sind einer Aufschreibtechnik vergleichbar, die als Wahrnehmungsspeicher symbolisch imaginär geprägte Verhältnisse zwischen Akteuren und kulturellen Codes festhält. Die optischen Schaltpläne konterkarieren mit Blättern vielzähliger kleiner Porträtköpfe, deren Trägermedium meist das Papier ist aber auch mal die Wand, wie mit dem Verweis des Nichtbeständigseins, dem Nichtvergessenwollens. Das Verdichten von Realität mittels spielerischer bis hin zur monströs gesteigerten Phantasie, um Dingen eine neue Bedeutung zu geben oder auch Doppeldeutigkeiten in der Gesellschaft aufzuzeigen, scheint in der Welt Constantin Lusers ein selbstironisches Muss zu sein. Durch Wort und Sprache erhalten die Fiktionen ihren konkreten, wenn auch utopischen Bezug, führen aber auch gerne in die Irre, wenn und gerade weil wir zwei-, drei-, viermal hinschauen müssen, um uns einen Weg durch das Linienwirrwarr in die Ebene der Dreidimensionalität zu kämpfen. Zur Potenzierung des Blicks und der Assoziation passt die Installation einer weiteren Skulptur des Künstlers im Kreis jener Zeichnungsgruppe, die aus einem Baum mit mehrteiligem Geäst besteht, das je von einem Fahrradrückspiegel bekrönt und den Titel „Rückblick in letzter Sekunde“ trägt.

Und ja es wird archaisch! - wenn der „Vibrosaurus“ zusammen mit dem Trommeliglu sein ganzes Klangvolumen ausfüllen wird- Wer möchte da nicht dabei sein? Wer möchte da nicht mitmachen? Wer möchte nicht Constantin Luser hinterher laufen, wie die Kinder dem Rattenfänger von Hameln, und schauen was sich noch alles entdecken lässt im Luser’schen Universum? Vielleicht kann man aber auch die staunenden Gesichter in den vielen kleinen Rückspiegeln des Baums sehen, dient doch der Spiegel immer als Reflektion des Jetzt, der narzisstischen Betrachtung des Selbst, dem Erkennen und Begrüßen und eben auch dem BeStaunen, als kindliche Regung.

(Text: Julia Kolodziej, Jette Rudolph)

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Constantin Luser