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Thema und Absichten Die Ausstellung con-sens soll die zentrale Bedeutung der fünf Sinne für das Erfassen und Erfahren unserer Umwelt betonen. Dies ist nur oberflächlich ein Allgemeinplatz, wenn wir bedenken, dass der westliche Mensch heutzutage gemeinhin eine gewisse Distanz zwischen sich selbst und seinem Körper schafft, die gleichzeitig eine Distanz zwischen ihm und seiner Umwelt und den anderen Menschen bedeutet. Und doch sind wir letztlich nun einmal nicht nur denkende sondern auch fühlende Subjekte, ja, diese beiden Eigenschaften sind untrennbar miteinander verbunden. Weiters gehört es zu den Gegebenheiten dieser Welt, dass wir einander begegnen, ob wir diesen Begegnungen nun mit Interesse und Neugier gegenüberstehen oder nicht. Und ohne andere Menschen existieren wir schlicht nicht. Der Titel con-sens bezieht sich also auch auf die Pluralität, die von der Philosophin Hannah Arendt als das fundamentale und überwältigende Gesetz der Erde aufgefasst wird. Der grundlegende Gedanke dieser Ausstellung besteht nun darin, die fünf Sinne durch Kunstwerke gleichermaßen zu verstärken oder zu schärfen, wobei jedes Kunstwerk einen Moment der Begegnung darstellt. Darüber hinaus sollen die Arbeiten der acht teilnehmenden Künstler Teil der Stadt werden, oder besser gesagt, Teil jener Strukturen, die die Stadt als solche konstituieren (wenn wir diese als eine bewohnte Raumzeit begreifen, die einerseits aus sichtbaren Konstruktionen, andererseits aber auch aus unsichtbaren Zusammenhängen, aus Erinnerungen und Projekten besteht). Die Arbeiten sollen dementsprechend weder als autonome Objekte verstanden werden, noch in der urbanen Struktur verschwinden, sondern vielmehr an den Geschehnissen teilhaben und mit ihren Fähigkeiten, Fragen aufzuwerfen und mit Konventionen und Erwartungen zu spielen, einen eigenen Beitrag zu eben diesem urbanen Gefüge leisten. Ihre Anwesenheit und die Art dieser Anwesenheit, die von der Erfahrung der fünf Sinne und der Aktivierung des Vorhandenen bestimmt ist, soll die Besucher und die Einwohner der Stadt zur Teilnahme anregen. Ihre Rolle wird so nicht auf jene der teilnahmslosen Beobachter beschränkt sein, vielmehr werden die Arbeiten sie dazu veranlassen, anderen und auch sich selbst zuzuhören, miteinander in den Dialog zu treten, zu schmecken und zu trinken, zu riechen und zu sehen, sich in alle Richtungen und mit all ihren Sinnen durch den Ort zu bewegen, an beiden Ufern des Flusses, in den italienischen wie in den deutschen Vierteln, und dabei auch anzuhalten und innezuhalten. Auf diese Weise werden nicht nur Beziehungen zwischen den Arbeiten und Orten hergestellt sondern vielleicht auch zwischen Menschen, die einander zuvor nicht kannten oder zumindest nicht miteinander redeten. Jedem Einzelnen werden diese Beziehungen oder Verbindungen dabei eine neue Art der Reflexion über sein “Hiersein” ermöglichen, die aus Worten und Gefühlen, aus Spaziergängen und schließlich aus Diskussionen besteht, die sich über vier Dimensionen entfalten, in dem sie sich vom Gedächtnis des Körpers bis zu den urbanen Strukturen, von den Muttersprachen bis hin zum Berghorizont bewegen.

Wie aber kann es gelingen, dass Kunstwerke vor dem Maßstab der Stadt und der Landschaft in der urbanen Struktur und deren unablässiger Bewegung ganz aktiv anwesend sein können? Kunst, sei sie nun in Werken materialisiert oder in Handlungen manifestiert, ist etwas demgegenüber wir nicht gleichgültig bleiben können. Irgendwann, irgendwo, hat jeder von uns die Erfahrung gemacht, von einem Kunstwerk zutiefst erschüttert oder berührt worden zu sein. Unser Atem verändert sich dann und vielleicht verschiebt sich auch das Schwerkraftzentrum, welches bis zu diesem Zeitpunkt den Fixpunkt jenes Systems darstellte, mittels dessen wir die Bedeutung unserer Gesten und Worte ermessen konnten. Obschon diese innerliche Veränderung nur schwer zum Ausdruck gebracht werden kann, hat dieses Ereignis stattgefunden und vielleicht in der Folge gar einen Einfluss auf unser Verhältnis zur Umwelt und zu unseren Mitmenschen gehabt. Wenn nun dieses Ereignis außerhalb des Museums oder außerhalb der Museumswelt stattfindet, nämlich im Stadtzentrum, dann könnte seine Wirkung letztlich gesellschaftlicher Natur sein und jenseits der persönlichen Dimension der Begegnung führen. Die aktive Anwesenheit der Kunst wird an diesem Punkt der Artikulation spürbar.

Die Arbeiten EIodie CARRÉ und Pascal SÉMUR Der Vorschlag dieser beiden jungen französischen Künstler sieht eine Reihe von Handlungen und Situationen vor, die unter Einbeziehung anderer Personen entweder im öffentlichen Raum oder im privaten Umfeld durchgespielt werden sollen. Diese beinhalten beispielsweise ein Schläfchen, oder die Zusammenstellung eines Rezepts zusammen mit Vertretern aller in Bozen vorfindbarer oder ansässiger Kulturen - der tirolerischen, italienischen, pakistanischen, chinesischen, afrikanischen etc. Das derart zubereitete Gericht kann bei der Eröffnung und auch bei anderen Gelegenheiten probiert werden. Das Rezept und die anderen Vorschläge der Künstler werden zudem überall in der Stadt an Würstel-Ständen verteilt.

Dominique PETITGAND Dieser Künstler erstellt eine akustischen Arbeit, die aus drei Sprachen (französisch, deutsch und italienisch), Musik, Geräuschen und Stille besteht und deren Grundlage die Übersetzung von Geschichten (und Dingen, die nicht übersetzt werden können) sowie menschliche Stimmen bilden. Diese akustische Arbeit wird sowohl visuell (Zeitungen) als auch akustisch präsentiert werden (Radio und Konzerte). In der Galerie verfügbar, kann sie von jeder Gruppe, die sie - dem Hörprotokoll gemäß- anzuhören wünscht, ausgeliehen werden. Am 31. Mai wird Petitgang in der Carambolage ein Konzert geben und am 27. Mai seine Arbeit im Papperlapapp vorstellen.

Peter SENONER Der Künstler hat an drei über die Stadt verteilten Orten eine (die Umgebung reflektierende) verchromte Aluminium Skulptur installiert, die den Kontext hinsichtlich der Konzepte von Interferenz und Metamorphose überprüft, bzw. in Frage stellt. Eine dieser Skulpturen wird aus einem geparkten Auto hervorragen, in dem ein durchgängig laufender Animationsfilm die sich verändernde Gestalt der Form zeigt. In der Galerie präsentiert Senoner eine weitere Skulptur sowie einen weiteren, Merkwürdigkeit und Humor verbindenden Animationsfilm.

Rudolf STINGEL und Franz WEST Dank Rudolf Stingel und Franz West wird eine Würstelbude als einer der Anziehungspunkte des öffentlichen Raums in Bozen zu einem Ort der Begegnung und auch des Hinterfragens, nicht zuletzt durch die auf dem Dach der Bude angebrachte Skulptur von Franz West. Der Platz, auf dem sich die Bude befindet, wird so eine Improvisationsbühne, auf der die Standaktivität (also der Verkauf von Speisen und Getränken) wechselweise als ein sehr vertrautes oder sehr werkwürdiges Schauspiel erscheinen wird.

Beat STREULI Unweit des Bahnhofs vereint ein 4x40 m großes Plakat eine Gruppe von Menschen in fotographischen Sequenzen. Die Qualität der Anwesenheit dieser “Besucher” ist derart, dass sie uns das Gefühl einer Begegnung im öffentlichen Raum gibt.

Akio SUZUKI Dieser Tonkünstler hat überall in Bozen “Hörorte” festgelegt (diese sind jeweils durch einen Kreis auf dem Boden gekennzeichnet, der ikonische Zeichen für ein Ohr und einen Fuß enthält). An diesen Orten kann man stehenbleiben, sich umschauen und den Geräuschen der Umgebung lauschen. Jeder Ort schafft so eine Verbindung zwischen dem Nahen und dem Fernen, wobei eben diese Verbindung unablässig erneuert wird. Akio Suzuki wird am Abend der Eröffnung (26. Mai) eine Sound Performance geben.

Orte 1) öffentlicher Raum: öffentlicher Raum im herkömmlichen städteplanerischen Sinn (Straßen, Plätze, usw.), im zeitgenössischen Sinne (als Kommunikation: Zeitungen und Radio) und sogar im klassischen Sinn (als ein Moment des Austauschs zwischen desinteressierten Individuen, durch den eine gemeinsam wahrgenommene Welt geschaffen werden kann).

Ein Großteil der Arbeiten wird sowohl tagsüber als auch nachts zu sehen sein. Der kostenlos in der Stadt verteilte Plan, auf dem die Standorte der Arbeiten verzeichnet sind, zeigt die gesamte Stadt und vermeidet somit die herkömmlichen Hierarchien touristischer Karten, die sich normalerweise ausschließlich auf das historische Zentrum konzentrieren.

2) AR/GE Kunst Galerie Museum/ Galleria Museo Die Galerie bildet den Raum für Ausstellung, Dokumentation, Hören, Erfahren und Diskussion. Die räumliche Aufteilung der Galerie wird einerseits die Offenheit zur Straße unterstreichen, so dass ein Dialog zwischen Innen und Außen möglich wird, andererseits aber auch eine entspannte Atmosphäre schaffen, in der die Besucher sich in aller Ruhe mit den Arbeiten der Künstler und dem Entstehen ihrer Projekte für Bozen beschäftigen können.

Pressetext

only in german

CON SENS / Sensitivo
Ausstellungsprojekt im öffentlichen Raum von Bozen
Kurator: Catherine Grout

Künstler: Elodie Carre & Pascal Semur, Dominique Petitgand, Peter Senoner, Rudolf Stingel & Franz West, Beat Streuli, Akio Suzuki